Tale · Flemming Meyer · 15.07.2009 Haushalt konsolidieren

Dies ist ein denkwürdiger Moment in der Geschichte des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Selten trat deutlicher zu Tage, dass zentrale Entscheidungen von wenigen Menschen in Hinterzimmern getroffen werden. Selten war so klar, wie wenig die Regierenden von der offenen Meinungsbildung im Parlament halten. Der Koalitionsausschuss hat den einstimmigen Landtagsbeschluss zur Schuldenbremse verworfen und nun soll das Parlament seinen Beschluss wieder einsammeln. Die Landtagsdebatten der letzten Monate zu diesem Schicksalsthema sind Makulatur.

Für die Abgeordneten der CDU und der SPD ist es eine Pflichtübung, diesem Antrag zuzustimmen. Für alle anderen ist er ungenießbar. Wir sollen beschließen, dass wir nicht gegen die Schuldenbremse der Föderalismuskommission klagen und damit die neue Schuldenregelung akzeptieren. Eben dies hielten alle Abgeordneten in diesem Haus noch vor wenigen Wochen für völlig indiskutabel – und zwar aus guten Gründen. Die Schuldenbremse aus Berlin ist für Schleswig-Holstein eine finanzielle Zwangsjacke. Daran ändern auch die flexibleren Regelungen zur Ausgestaltung auf Landesebene nichts, die in diesem Antrag formuliert werden. Für den SSW geht es weiterhin darum, dass das Land seine Vorgaben selbst bestimmt. Deshalb stimmen wir auch mit dem Landtagspräsidenten vollkommen überein: es gibt keine Alternative zur Verfassungsklage.

Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass es dem Parlament die Hände binden und das Land finanziell strangulieren wird. Insofern können wir auch grundsätzlich den Änderungsantrag der Grünen unterstützen. Genauer: Wir können den ersten und den letzten Teil vorbehaltlos mit tragen. Es muss dargelegt werden, ob und wie das Land die Vorgaben der Föderalismuskommission erfüllen kann. Die Grünen schießen mit ihren detaillierten Vorgaben zu den Annahmen der Modellrechnung weit über das Ziel hinaus. Es bleibt aber die richtige Konklusion: Die CDU und die SPD sind jetzt den Beweis schuldig, dass Schleswig-Holstein diese Schuldenbremse verkraften kann. Im Prinzip gestehen sie mit ihrer Forderung nach einem Altschuldenfonds ja selbst ein, dass dies nicht zu schaffen ist. Wir wissen aber alle, dass diese Hoffnung sich auf längere Sicht nicht erfüllen wird. Deshalb ist der einzige Ausweg der Gang zum Verfassungsgericht, den die Mehrheit in diesem Hause sich in einigen Minuten verbauen will.

Das Papier des Koalitionsausschusses enthält neben dem Verzicht auf die Klage gegen die Schuldenbremse weitere Punkte, die für den SSW nicht zustimmungsfähig sind. Wir sollen konkrete Zahlen für die Haushaltskonsolidierung der kommenden Jahre beschließen, deren Hintergrund wir gar nicht kennen. Sie beruhen auf Meinungsbildungsprozessen im Koalitionsausschuss, an denen wir – ebenso wie die meisten anderen hier im Hause – nicht teilgenommen haben und an denen man uns auch nachträglich nicht hat teilhaben lassen. Insofern geben die Koalitionäre sich erst gar nicht den Anschein, dass das Parlament sich in dieser Frage eine freie Meinung bilden soll.

Der SSW teilt die grundlegende Auffassung, dass die Konsolidierung des Haushalts höchste Priorität haben muss, und dass zu einer soliden Sanierung des Landeshaushalts auch ein erheblicher Abbau von Stellen in der Landesverwaltung gehört. Aber wir kennen nicht die Grundlage des Koalitionsbeschlusses, 4.800 Stellen im Landesdienst zu streichen. Der entsprechende Personalabbauplan soll erst im ersten Quartal 2010 vorliegen und von einer soliden Strukturreform, die Aufgaben und Personal in Einklang bringt, ist gar nicht die Rede. Insofern bin ich auch nicht weiter neidisch auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD, die gleich die Hand für etwas heben sollen, von dem sie gar nicht wissen können, wie es konkret aussieht und welche Konsequenzen es hat.

Hier wird mit dem Rasenmäher Personalpolitik gemacht, ohne dass eine konkrete Vorstellung dahinter steht, wie die Landesverwaltung sich entwickeln soll. Hauptsache es werden weniger. Die Landesregierung hat die Daten des Landesrechnungshofs über Mitarbeiter genommen, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht. Sie hat sich demographische Daten angesehen, und aus beidem hat sie dann ein Sparpaket geknüpft. Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD spricht von strukturellen Änderungen, aber er begreift dies hauptsächlich als das Wegschneiden von Arbeitsplätzen und Aufgaben, ohne ein schlüssiges neues Gesamtbild zu zeichnen. Ich gebe ausdrücklich Minister Döring Recht, der am Wochenende öffentlich eine Zielrichtung für den Sparkurs vermisst hat. Kreative politische Ansätze, die das Land nicht nur aushungern sondern auch weiter entwickeln, vermisst man im Sparpaket nahezu vollkommen. Es werden lediglich Stellen nicht wieder besetzt; es werden Löcher gerissen, ohne eine Vorstellung davon, wie das übrig Gebliebene neu verknüpft werden soll.

Die Konsequenzen dieser Politik wird man nicht nur bei den Aufgaben spüren, die künftig wegfallen sollen. Sie wird auch verheerende Folgen für die Übriggebliebenen in den Ministerien, Behörden und Einrichtungen haben. Ich glaube kaum, dass wir nachher mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dastehen, wenn einfach Stellen entfallen und andere die übrig gebliebene Arbeit erledigen müssen. Die Idee, Hierarchien in den Ministerien abzubauen, indem Abteilungsleiter auch ein Referat übernehmen sollen, ist logisch und gut. Aber die meisten Stellen verschwinden, ohne Ersatz und ohne Konzept. Um trotz und gerade wegen der Einsparungen möglichst viel für die Bürgerinnen und Bürger herauszuholen, brauchen wir aber motivierte Mitarbeiter. Ein zentrales Personalmanagement mag zwar helfen, Personal abzubauen und herum zu schieben. Wenn wir den übrig gebliebenen Landesbediensteten nicht vermitteln können, wie die Verwaltung nachher aussehen und arbeiten soll, wird die ganze Reform aber kaum mehr als ein Rangierbahnhof für Landespersonal sein.

Die Kür besteht darin, nicht nur Aufgaben weg zu schneiden, sondern die Aufgabenerfüllung durch die Verwaltungen so neu zu organisieren, dass die Bürgerinnen und Bürger trotz weniger Ressourcen noch möglichst viel von unserem Land haben. Es ist schon bezeichnend, dass das einzige wirkliche Reformprojekt dieser Regierung, die Dezentralisierung der Justizverwaltung, gescheitert ist. Hier hätte diese Landesregierung einmal vorleben können, wie durch die Neustrukturierung eine moderne Landesverwaltung entstehen kann, die durch eine neue Arbeitsweise effektiver und effizienter wird. Mit der gemischten Schlachtplatte, die uns heute von Carstensen und Stegner serviert wird, bleibt aber nur die Leistungskürzung.

Dies gilt nicht nur für die Landes- und Kommunalverwaltungen, sondern auch für das soziale und kulturelle Leben im Land. Es spricht absolut nichts dagegen, die vielfältigen finanziellen Leistungen des Landes zu überprüfen. Allerdings ist dies auch nichts Neues. Es hat in den vergangenen Jahren schon viele Sparvorschläge gegeben. Es gab reichlich Berichte des Landesrechnungshofs, es gab eine Liste der kommunalen Spitzenverbände, es gab eine „Giftliste“ der Ministerien und es gab die sinnlose Vollzeitbeschäftigung eines Entbürokratisierungsstaatssekretärs. Vorschläge gab es reichlich, verständigen konnte man sich aber auf so gut wie gar nichts. Ich weiß nicht, woher man den Glauben nimmt, jetzt damit weiter zu kommen. Das wird man nicht.

Dies ist der letzte große Wurf der Großen Koalition. Er reicht immerhin weit genug, um nicht - wie sonst in den letzten vier Jahren üblich - den Urhebern direkt auf die Füße zu fallen. Aber diese Vorschläge halten auch nur deshalb länger als ein paar Wochen, weil sie erst dann greifen, wenn die Landtagswahl längst überstanden ist. Der Finanzminister hat angekündigt, dass die Beschlüsse des Koalitionsausschusses in die mittelfristige Finanzplanung eingearbeitet werden. Dieser Prozess soll vor Ende des Jahres abgeschlossen sein, weil vorgesehen ist in der Dezembertagung des Landtages dem Plenum eine überarbeitete Finanzplanung und ein Konzept für den Schuldenabbau vorzulegen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es noch völlig offen ist, ob die abstrakten Zahlen des Koalitionsausschusses überhaupt in konkrete Handlungen übersetzt werden können. Daher sage ich: Dieser Antrag ist nicht in erster Linie Finanzpolitik; sondern politische Propaganda. Er soll im kommenden Landtagswahlkampf den Eindruck verhindern, dass Peter Harry Carstensen beim Sparen nichts erreicht hat.

Es gehört zu den Webfehlern der Großen Koalition, dass die CDU und die SPD zu gemeinsamen konzeptionellen Reformen nicht in der Lage sind. Dazu sind die Vorstellungen viel zu weit auseinander. Dieser Beschluss ist nur deshalb zustande gekommen, weil die Sozialdemokraten im Bund und in Schleswig-Holstein momentan geschwächt sind. Peter Harry Carstensen hat einer gelähmten SPD überzeugend mit Neuwahlen drohen können und sie so gezwungen, zentrale finanzpolitische Positionen aufzugeben. Die Unterschrift des SPD-Kollegen unter diesem Antrag wurde unter massivem Druck geleistet. Dass dies ein gelungener Auftakt zu einem zukunftsweisenden Reformprozess ist, kann niemand ernsthaft glauben.

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