Tale · Flemming Meyer · 08.10.2008 Honorarreform 2009 – Auswirkungen auf Schleswig-Holstein

Eigentlich sollte man die Krisenrhetorik von Lobbyverbänden immer mit besonderer Vorsicht interpretieren. Was die Verhandlungsergebnisse der Honorarreform angeht, kann man allerdings auch als neutraler Beobachter nicht anders, als sich zwischen die Empörten einzureihen und die Hände über den Kopf zusammen zu schlagen. Fakt ist: Schleswig-Holsteins Ärzte werden 3,9% mehr erhalten. Das ist allerdings zusammen mit dem Bezirk Nordrhein die niedrigste Steigerung. Schleswig-Holstein liegt damit weit unterdurchschnittlich zu dem, was andere Regionen bekommen. Doch es ist nicht die ungerechte Erhöhung allein, sondern die Reform der Honorare. Diese Honorarreform wird uns noch teuer zu stehen kommen; und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens, faktisch haben die Sparsamen, also Schleswig-Holstein und die Ärzte des größten Bezirks, nämlich Nordrhein, dafür gesorgt, dass mehr verteilt werden kann. Sie profitieren aber im weit geringeren Maß davon als die Verschwender. Die Botschaft, die von diesen Verhandlungen ausgeht, ist fatal: Sparsamkeit lohnt sich nicht – das Verletzen von Budgetgrenzen aber sehr wohl. Damit ist das mühsam eingeführte Sparbewusstsein und Sparverhalten auf einen Schlag obsolet geworden. Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu prognostizieren, was uns erwartet: nämlich eine saftige Kostenexplosion. Das Suchen und Finden von Budgetlücken wird jetzt um sich greifen, gerade so, als ob die Portemonnaies der Versicherten gut gefüllt wären. Genau das sind sie aber nicht.
Zweitens, es ist zu befürchten, dass die Versicherten und die Wirtschaft des strukturschwachen Schleswig-Holstein die Honorare der Ärzte in anderen Ländern finanzieren werden. Die zuständigen Verbände der niedergelassenen Ärzte beziffern den Netto-Abfluss auf 80-100 Mio. Euro, allein für Schleswig-Holstein. Das ist eine Umverteilung, die regelrecht Wirtschaftskraft aus unserem Land abzieht. Die Besserfinanzierung der Kassenärzte im Osten geht voll zu Lasten Schleswig-Holsteins und des Bezirks Nordrhein. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie der Gesundheitsfonds mit seinem einheitlichen Beitragssatz diese Umverteilung weiter pervertieren wird. Ich möchte das einmal auf den Punkt bringen: Der angestellte Schlachter in Bredstedt finanziert mit seinem Krankenkassenbeitrag die Praxis eines Münchner Radiologen und hat nichts davon. Alle Grundsätze der Transparenz und der regionalen Steuerung sind damit außer Kraft gesetzt.
Drittens, in Schleswig-Holstein rechnen die Fachärzte fast jede fünfte Leistung über extra budgetierte Leistungsbereiche ab. Das soll in Zukunft kaum noch möglich sein. Damit sind eindeutig Einkommensverluste für die Fachärzte zu erwarten. Diese Honorarreform treibt damit die Fachärzte geradezu in die Arme der privaten Krankenversicherung, denn diese zahlen besser. Kassenpatienten werden dementsprechend noch länger warten müssen. Damit zementiert die Honorarreform den Weg in die Zwei-Klassen-Medizin. Die Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein hat es auf den Punkt gebracht: Bei dieser Honorarreform bleiben die Verlierer Verlierer, und die Gewinner bleiben Gewinner.
Viertens, Schleswig-Holstein wird für 2007-2009 nicht einmal den Inflationsausgleich erhalten. Ich erwarte darum eine Reihe betriebsbedingte Kündigungen in hiesigen Praxen. Nicht-medizinisches Personal wird entlassen werden. Das ist die Konsequenz einer ungerechten Reform, die allein von Drohgebärden weniger Ressortschefs abhängt. Außerdem bleibt zu bedenken, dass es in Zukunft auch für neue Ärzte wenig attraktiv sein wird, sich gerade in unserem Land anzusiedeln. Was sich sicherlich insbesondere in ländlichen Raum in Zukunft auswirken wird.
Fünftens wird es zu einer massiven Vertrauenskrise kommen. Wir können bereits heute bei vielen Umfragen eine eindeutige Tendenz ablesen: Kassenpatienten werden abgefertigt, zu Extrazahlungen genötigt und fühlen sich trotzdem nicht gesünder.

Mein Fazit: Diese Honorarreform ist keine Reform, sondern setzt neue Umverteilungsströme in Gang, die dem Gesundheitssystem und der gesundheitlichen Versorgung in Schleswig-Holstein schaden werden. Die Landesregierung hat deshalb zur Aufgabe, genau diesen Schaden von unserem Land fernzuhalten.

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