Tale · Lars Harms · 06.03.2019 Kein anonymisierter Filter, der die Freiheit im Netz massiv einschränkt

Lars Harms zu TOP 25 - Upload-Filter (Drs. 19/1311)

„Upload Filter als Mittel der Urheberrechtssicherung sind falsch. Vernünftige Abkommen zwischen Verwertungsgesellschaften und den großen Plattformen wären sicherlich der bessere Weg.“

(Nr. 065-2019) In diesem Monat wird das Europäische Parlament endgültig über das neue Urheberrechtgesetz im Netz entscheiden. Bereits am Wochenende kam es zu großen Demos. Immer mehr junge Menschen, für die das Netz zum Alltag gehört, protestieren für die Freiheit im Netz. Viele Menschen fürchten, dass die Urheberrechtsreform die Kreativität der Nutzer blockieren oder behindern wird.
Um es vorweg zu schicken: freie Mitarbeiter von Verlagen, Musiker, Designer, Filmschaffende und viele andere haben bislang in Sachen Honorar oftmals das Nachsehen. Allzu unbekümmert wird geistiges Eigentum im Netz missachtet. Die Rechteinhaber schauen dann in die Röhre. Da ihre Kreativität ihre Lebensgrundlage ist, ist das durchaus existenzgefährdend. Doch das, was uns jetzt vorliegt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Das ist Urheberrechtsschutz mit der Brechstange. 
Ich bin nämlich, so wie viele Experten, überzeigt, dass die großen Plattformen wie YouTube und Co nur mittels automatisierter Upload Filter zukünftig die gesetzlichen Bedingungen des neuen europäischen Urheberrechts gewährleisten können. Vernünftige Abkommen zwischen Verwertungsgesellschaften und den großen Plattformen wären aber sicherlich der bessere Weg. 

Wenn wir schon beim Weg sind: Leider befinden sich auch die regierungstragenden Fraktionen auf dem Holzweg. Ich möchte auch begründen, warum ich das meine:  Ein Parlament soll die Entscheidung eines anderen Parlamentes, das die Entscheidung im Übrigen noch gar nicht getroffen hat, bedauern. Das ist der Kern des vorliegenden Antrags. Aber per Resolution eine Entscheidung eines frei gewählten Parlamentes mit erhobenem Zeigefinder zu kritisieren, ist zumindest unglücklich. Dass dann die EU im Antrag in Sachen Freiheit in einem Atemzug mit Russland und China genannt wird, passt dann auch nicht wirklich. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag gestellt, der ganz klar ist: Das EU-Parlament wird gebeten, die Richtlinie so nicht zu beschließen und die Bundesregierung wird aufgefordert, sich über die EU-Kommission und im Rat der EU gegen die Richtlinie in der derzeitigen Form zu wenden.

Denn eines ist klar: Diese europäische Urheberrechtsreform ist falsch! 
Erstens: Das Netz lebt von der Kreativität und dem Publikationsrecht seiner Nutzer. Noch vor einer Generation gab es kaum Möglichkeiten des globalen Austausches in großen Foren. Da musste man sich schon besuchen. Heute kommunizieren wir über Bilder und Sequenzen, die ein Einzelner in einen neuen Kontext setzt und die dann in den sozialen Medien kommuniziert. So entwickelt sich ein kreativer Austausch über mehrere Zeitzonen und Sprachen hinweg. Nicht das meiste Geld oder die größte Zeitung entscheiden, worüber diskutiert wird, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden durchs Internet und den Austausch im Web selbst zu Sendern. So soll es bleiben.
Zweitens: Derzeit kursiert ein Ausschnitt aus dem Film Pulp Fiction, in der die Waffenpolitik der Trump Regierung kritisiert wird. Ein Upload Filter würde hier eine Urheberrechtsverletzung erkennen und löschen. Damit wird Kritik und Kommunikation verhindert. Ein Upload-Filter kann gar nicht die Kritik oder die Inhalte bewerten; er ist auf das Erkennen von Urheberrechtsverletzungen programmiert. Damit würden Millionen Botschaften gelöscht und die Kritik gleich mit. Übrigens haben sich unter anderem deswegen Filmverbände und Sportligen ans EU-Parlament gewandt, weil sie ein Monopol und ein Preisdiktat der großen Plattformen fürchten. Sie wollen, dass Sport und Filme aus dem Geltungsbereich der Urheberrechtsreform herausgenommen werden. 
Drittens: Gerade die Gruppen, die einen erschwerten Zugang zu offiziellen Medien haben, nutzen soziale Medien als wichtige Informations- und Veröffentlichungskanäle. Ein Upload Filter würde zur berühmten Schere im Kopf führen. Bevor ein Inhalt gepostet wird, stellt man sich die Frage, ob damit eventuell ein Urheberrecht infrage gestellt wird. Um sich Arbeit zu sparen, reagiert man dann schon präventiv auf Urheberrechtsverletzungen. Damit beschneiden wir uns selbst. Demokratietechnisch ist das ein völlig falscher Weg!
Viertens: Ein Upload Filter kann nur funktionieren, wenn er ausreichend Vergleichsmaterial hat. Welche Datenmengen da im Hintergrund gesammelt werden müssten, ist bislang noch völlig unklar; auch die Datensicherheit ist offen. Klar ist dagegen, dass der Stromfresser Internet noch einmal kräftigen Stromdurst entwickeln wird. Das ist ökologisch gesehen völlig falsch.
Zusammen gefasst ist klar: Upload Filter als Mittel der Urheberrechtssicherung sind falsch. Die Bundesregierung sollte über die EU-Kommission noch einmal neue Vorschläge einspeisen. Alles ist besser als ein anonymisierter Filter, der die Freiheit im Netz massiv einschränkt.

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