Tale · Flemming Meyer · 07.05.2009 Kein CO2-Endlager in Nordfriesland

Am 12. März 2009 haben die RWE-DEA und die Landesregierung in einer gemeinsamen Pressemitteilung verkündet, dass sie die Möglichkeiten der Einlagerung von klimaschädlichem CO2 aus Kohlekraftwerken in Nordfriesland, Ostholstein und der küstennahen Nordsee erkunden werden. Partner bei diesem Vorhaben sind die Universität Kiel, das IFM-GEOMAR sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Bis Ende 2009 sollen die seismischen Untersuchungen abgeschlossen sein und im Sommer 2010 wird gegebenenfalls eine Erkundungsbohrung durchgeführt werden. Sollten diese Voruntersuchungen erfolgreich sein, dann sollen die CO2 –Abfälle aus Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen künftig in flüssiger Form über eine 500-km-Pipeline nach Schleswig-Holstein fließen und hier in den Untergrund gepumpt werden. So weit die Ausgangslage.

Wir halten dieses Vorhaben aus zweierlei Gründen für falsch. Zum einen stellt sich, wie bei jeder Endlagerung von umweltschädlichen Substanzen die Frage, ob diese wirklich dauerhaft von Mensch und Natur ferngehalten werden können. Zum anderen ist die CO2-Speicherung auch aus energiepolitischen Gründen ein Holzweg.
CO2 ist grundsätzlich erst einmal eine giftige Substanz. Wie giftig, das lässt sich anhand von vulkanischen Kraterseen in Afrika beobachten. Zuletzt sind 1986 im Kamerun natürliche CO2-Vorkommen aus dem Nyos-See entwichen und töteten innerhalb kürzester Zeit alles Leben bis zu 20 Kilometer rund um den Kratersee. Es mag sein, dass in Schleswig-Holstein ein solcher GAU durch das plötzliche Entweichen großer Mengen von giftigem CO2 aus den geplanten Endlagern höchst unwahrscheinlich wäre. Trotzdem sprechen wir hier von einer giftigen Substanz und es stellt sich die berechtigte und entscheidende Frage: Kann das Gas durch die Einlagerung in Salzstöcken dauerhaft von Mensch, Tier und Klima ferngehalten und von anderen Prozessen im Untergrund getrennt werden? Die Diskussion um das unsichere Endlager Asse hat gezeigt, dass Salzstöcke sich nicht immer so verhalten, wie Kraftwerksbetreiber und Geologen es gern hätten. Wie bei anderen Endlagern geht es beim CO2 um eine Lagerung, die unüberschaubar viele Generationen sicher überdauern soll. Deshalb kann es auch nicht befriedigen, wenn der RWE-DEA-Chef darauf verweist, dass die Natur schließlich Erdgas über Jahrmillionen sicher gelagert habe. Es gibt eben doch einen Unterschied. Die RWE-DEA ist nicht Mutter Natur und sie wird es nie werden. Ein Eingriff durch den Menschen ist etwas anderes und keiner kann geologische Prozesse so lange voraussehen.

Diesen Erwägungen muss man den energie- und klimapolitischen Nutzen gegenüberstellen, den diese CCS-Technologie uns bringt – oder besser: nicht bringt. Denn die CO2-Endlagerung ist eine extrem teure Methode der CO2-Vermeidung. Sie verschlingt zudem selbst erhebliche Energiemengen, weil das CO2 erst einmal abgeschieden, verflüssigt, transportiert und eingelagert werden muss. Dafür muss dann bis zu 10 % mehr Kohle verbrannt werden. Es geht hier aber auch nicht zuerst darum, das Klima zu retten; die RWE-DEA verfolgt kurzfristige finanzielle Interessen und die bestehen darin, die RWE-Kohlekraftwerke möglichst lange am Laufen zu halten und neue zu bauen. Das vorrangige Ziel der CO2-Einlagerung ist also die Lebensverlängerung für eine veraltete Energietechnologie. Sie ist die Blutwäsche für Kohlekraftwerke, die in Zeiten des Klimawandels eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. Es ist aber eine Milchmädchenrechnung, das Klima über der Erde dadurch verbessern zu wollen, dass man den Klimakiller in den Untergrund pumpt. Das CO2 bleibt in der Umwelt.
Die RWE-DEA und ihre Unterstützer in der Politik werden natürlich einwenden, dass wir die Kohleverstromung noch für eine Übergangszeit brauchen, bis wir genug regenerative Energie erzeugen können. Das ist auch richtig. Aber durch Milliardeninvestitionen in CCS wird die Laufzeit der Kohlekraftwerke länger als nötig verlängert, wird der Bau neuer Kohlekraftwerke legitimiert und wird vor allem Geld gebunden, das in den Aufbau der nachhaltigen Energieerzeugung fließen sollte. So verhindert die CCS-Technologie sogar den Ausbau der regenerativen Energien. Alles in allem ist dies also ein absurdes System, das sich allenfalls aus der Sicht eines Kraftwerksbetreibers betriebswirtschaftlich begründen lässt. Vielleicht überzeugt es auch noch einen verarmten Finanzminister, der gierig auf die Konzessionsabgabe ist, die für die CO2-Speicherung fällig wird. Aber einen nachdenklichen Menschen und einen verantwortungsvollen Politiker, der alle Vorteile und Nachteile abwägt, kann dieser Weg nicht überzeugen.

Und deshalb sage ich ganz klar: Es kann nicht sein, dass die Nordfriesen und das Wattenmeer dafür herhalten müssen, dass die Energiekonzerne ein Problem mit ihren klimaschädlichen Abfallprodukten haben. Wir in Nordfriesland werden nicht den Boden unter unseren Füßen dafür hergeben, dass mit solchen fragwürdigen Technologien die Laufzeit der Kohleenergie länger als nötig verlängert wird. Der SSW fordert die Landesregierung auf, das Projekt für eine mögliche Speicherung von Kohlendioxid in Nordfriesland zu stoppen. Es liegt in ihrer Hand, dafür zu sorgen, dass der nordfriesische Untergrund und das Wattenmeer nicht zum Endlager für die Abgase der Kohlekraftwerke von RWE-DEA werden. Dieses Projekt wird vom Wissenschaftsministerium und vom Umweltministerium unterstützt und vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie genehmigt. Damit hat die Landesregierung genug Möglichkeiten in der Hand, das Projekt wieder zu stoppen. Am besten sofort.

Und noch ein letztes Wort: Gestern hat der Bundestag bereits in erster Lesung einen Gesetzentwurf zur "Regelung der Abscheidung, des Transports und der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid" beraten, mit dem die CO2-Lagerung in Deutschland geregelt werden soll. Da müssten selbst die Sympathisanten der CCS-Technologie stutzig werden. Es hinterlässt schon einen starken Nachgeschmack, dass die Bundesregierung den Energieversorgungsunternehmen bereits den Weg in die Endlagerung ebnet, bevor überhaupt Pilotprojekte stattgefunden haben.
Deshalb fordern wir die Große Koalition auf: Sorgen sie dafür, dass ihre Parteikollegen im Bundestag und der Bundesrat nicht noch schnell vor der Bundestagswahl ein Gesetz zur CCS-Speicherung durchdrücken und so eine Vorfestlegung im Sinne der Kraftwerksbetreiber treffen. Selbst der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung warnt vor vorschnellen Weichenstellungen und verweist darauf, dass derzeit noch viele technische, ökologische und finanzielle Fragen im Zusammenhang mit der CCS-Technologie ungeklärt sind. Da wäre es vollkommen falsch jetzt schon ein Gesetz zur Endlagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken zu beschließen.

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