Tale · Flemming Meyer · 25.09.1996 Kernkraftwerk Krümmel

Der SSW fordert schon seit Jahrzehnten den Ausstieg aus der Atomenergie. Seit 1988 haben wir in Schleswig-Holstein endlich eine Landesregierung die dieses Ziel unterstützt. Um so mehr bedauern wir, daß die rechtlichen Bedingungen des Atomgesetzes in Deutschland einen Ausstieg auf landesebene weitgehend ausschließen.
Selbstverständlich befürwortet der SSW, daß die Regierung strengste Sicherheitsforderungen an die Betreibergesellschaften stellt. Das gilt für Krümmel genauso wie für Brünsbüttel und andere Atommeiler. Die Frage der Sicherheit bei Atomreaktoren muß immer Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit haben. Wenn es irgendwie rechtlich möglich ist, die Kernkraftwerke abzuschalten, dann soll es die Landesregierung versuchen.
Daß wir den Ausstieg aus der Atomenergie vollziehen müssen ist für den SSW außer Frage. Die möglichen Gefahren und Risiken der Atomenergie sind allgemein bekannt. Schon heute ist nicht möglich vertretbare Endlager für den gefährlichen Atommüll aus der Bundesrepublik zu finden.
Wir müssen aber erkennen, und das ist an sich ein Paradox, daß man die Kernkraftwerke durch ständig neue technische Auflagen dauerhaft sehr schwer vom Netz bekommen kann. Entweder erfüllen die Betreiber die strengeren Sicherheitsanforderungen. Oder sie setzen vor Gericht durch, wieder ans Netz gehen zu dürfen. Man kann hoffen, daß das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Genehmigungsverfahren in Krümmel neue Möglichkeiten der Stilllegung von Atommeilern geben wird. Die bisherigen Erfahrungen lassen aber befürchten, daß sich unter dem Strich nichts ändern wird.
In ihrem Bericht zur Lage der Energieversorgung in Schleswig-Holstein 1995 hat die Landesregierung es deutlich gesagt: „Es muß daher eine parlamentarische Mehrheit in der Bundesrepublik gewonnen werden, um durch ein Kernenergieabwicklungsgesetzt die Nutzung der Kernenergie in Deutschland zu beenden“. Wir hoffen, daß sich zur gegebenen Zeit eine neue Bundesregierung, dann auch zur einer Gesetzesänderung durchringen wird.
Darüber hinaus muß das immer noch gültige „Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft“ vom 13. Dezember 1935 endlich geändert werden. Dieses alte Reichsgesetz, daß noch heute die Monopolstellung der großen Energiekonzerne und somit auch der Atomindustrie gegenüber dezentralen Energieversorgern absichert, wurde in den 70´ er Jahren durch die SPD-Regierung leider nicht abgeschafft. Mein Vorgänger, Karl Otto Meyer, hat in den Jahren 1985 und 1989 mittels Bundesratsinitiativen vergebens versucht, dieses zu ändern.
Um eine Wende in der Energiepolitik durchzusetzen, fehlen darüber hinaus unserer Meinung nach überzeugende Konzepte, wie man die Energieversorgung im Lande ohne Atomkraft sichern will. 1994 hatten die Atomkraftwerke einen Anteil von ca. 80% an der Stromerzeugung. Diese Größenordnung zeigt, daß wir in dieser Frage noch einen weiten Weg zu gehen haben.
Der SSW tritt für eine verstärkte Förderung der dezentralen Energieversorgung mit der Energiebedarfsdeckung durch Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung ein. Die sogenannte „Fernwärme-Modellstadt“ Flensburg darf nicht weiter das nahezu einzige positive Beispiel im Lande sein. Wie weit man in der Fernwärme kommen kann, zeigt das Beispiel Dänemark, wo es eine Ausbauquote von fast 50% gibt. Auch die Energieeinsparung und das Stromsparen müssen zusammen mit der Effizienzsteigerung der Energieumwandlung weiter gefördert werden. Regenerativen Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie oder Biogas sollten noch intensiver als bisher genutzt werden. In Rahmen ihrer Möglichkeiten ist die Landesregierung auf dem richtigen Weg. Was fehlt ist ein bundesweites Energiekonzept
Einen Anmerkung zur der immer wieder gemachten Aussage Atomkraftwerke seien rentabler als andere Energieformen möchte ich noch machen: Seit Mitte der 80-ziger Jahre versuchte die Thatcher-Regierung die Energiewirtschaft Großbritanniens zu privatisieren. Dies gelang relativ leicht, da es sich größtenteils um Monopolbetriebe handelte. Es gab allerdings eine wesentliche Ausnahme: Es fand sich kein privater Investor für die britische Atomindustrie. Den Investoren war das wirtschaftliche Risiko möglicher Umweltbelastung durch den Betrieb von Atomkraftwerken und deren Entsorgung einfach zu groß. Das müßte eigentlich den Anhängern der freien Marktwirtschaft besonders in der F.D.P. zu denken geben.
Wenn die Atomkraft tatsächlich die billigste Art ist, Strom herzustellen, warum wird dann die Atomindustrie in Deutschland seit vielen Jahren indirekt mit Milliardenzuschüssen subventioniert? Ein Beispiel: Ein Wasserkraftwerk mit einer jährlichen Stromproduktion von einer Million kWh ist auf eine Haftungssumme von zwei Millionen DM versichert. Dagegen muß ein deutsches Atomkraftwerk mit einer jährlichen Stromproduktion von sieben Milliarden kWh lediglich mit einer Haftungssumme von einer halben Milliard DM versichert sein. Das ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der erneuerbareren Energieanlagen. Denn dieser Industriesektor muß für seine Produktion aus Wasser, Wind oder Biomasse die volle Haftung übernehmen. Würde der Gesetztgeber wie bei erneuerbarer Energieanlagen die volle Haftung auch für Atomanlagen verlangen, müßten diese sofort abgeschalten werden. Das Risiko eines Atomkraftwerkes kann nämlich überhaupt nicht kalkuliert werden und deshalb auch von der privaten Wirtschaft nicht versichert werden. In Deutschland hat der Gesetzgeber deshalb, die Oberhaftungsgrenze eines Atommeilers auf 1 Milliarde DM beschränkt. Hiervon haftet die Betreibergesellschaft nur für die Hälfte des Betrages. Die Resthaftung wird vom Staat übernommen. Auf dieser Grundlage zu behaupten der Atomstrom sei billiger, als andere Formen der Stromerzeugung, ist also bestenfalls Augenwischerei.

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