Tale · Christian Dirschauer · 21.03.2024 Kindertagesbetreuung zukunftsfest aufstellen

„Spontane Herausforderungen durch eingeschränkte Betreuungsangebote gehören für viele Familien zum Alltag und sind damit längst ein Riesenproblem“

Christian Dirschauer zu TOP 45 - Den Personalbedarf für die Kitas berechnen (Drs. 20/1606(neu))

Kita und Kindertagespflege stehen in fast jeder Plenartagung auf der Tagesordnung. Und das ist auch gut so. Denn vermutlich spüren alle, die Kinder in Kita oder Tagespflege haben, wie hoch der Druck im System mittlerweile ist. Auch aus meiner ganz persönlichen Sicht frage ich mich immer öfter, wie die hier Beschäftigten ihren Arbeitsalltag überhaupt noch schaffen. ErzieherInnen, SPA’s oder Leitungskräfte stehen unter wirklich großem Druck und arbeiten viel zu oft an der Belastungsgrenze. Noch dazu ist ihr Arbeitsalltag von großer Unsicherheit geprägt. Denn sie wissen so gut wie nie, was der Tag bringt. Zum Beispiel weil krankheitsbedingte Ausfälle aufgefangen werden müssen oder weil andere unvorhergesehene Dinge die Abläufe durcheinanderwirbeln. Ich will deshalb deutlich sagen, dass der tägliche Einsatz all derjenigen, die dieses System trotz vieler Schwierigkeiten am Laufen halten, unsere größte Anerkennung verdient. 

Wer den SSW kennt wird wissen, dass wir auch aus der Opposition heraus nicht zur Dramatisierung neigen. Schon gar nicht bei einem so wichtigen Zukunftsthema wie der frühkindlichen Bildung. Und deshalb ist diese Kita-Lage-Beschreibung auch weder eine unglückliche Momentaufnahme noch eine regional begrenzte Beobachtung. Es handelt sich hier tatsächlich um einen fast flächendeckenden Dauerzustand. Die bittere Realität ist, dass spontane Probleme durch eingeschränkte Betreuungsangebote für fast alle Familien zum Alltag gehören. Es mangelt schlicht und einfach an ausreichendem Personal, um die rechtlichen Normierungen einzuhalten. Und weil ich weiß, dass viele Familien mit diesen oft sehr kurzfristig angekündigten Ausfällen in der Betreuung überfordert sind, ist das ein Riesenproblem und wie ich finde Grund genug, in eine verbindlichere Personalbedarfs- und Finanzplanung einzusteigen. 
Nicht mehr und nicht weniger fordern wir daher in unserem gemeinsamen Antrag mit der SPD. Wir wollen, dass die Landesregierung den Bedarf an Fachkräften in der Kindertagesbetreuung für die kommenden 10 Jahre berechnet. Und zwar möglichst bald und möglichst exakt. Denn auf dieser Grundlage muss eben auch errechnet werden, welche finanziellen Mittel für diesen Personalbedarf im selben Zeitraum nötig sind. Noch dazu muss möglichst genau und zeitnah dargestellt werden, wie die Finanzierung zukünftig aussehen soll und wer zum Beispiel welche Anteile in Aus- oder Fortbildung und im laufenden Betrieb übernimmt. Diese Berechnung ist aus unserer Sicht nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie zu mehr Sicherheit und Verlässlichkeit führt. Und darüber, dass wir mehr Sicherheit und Verlässlichkeit im Kitasystem brauchen, müssen wir hier hoffentlich nicht streiten. 

Ich habe es schon zum letzten Plenum gesagt: Die Tatsache, dass sich Kita-Debatten im Jahr 2024 fast ausschließlich um den Wunsch nach Verlässlichkeit drehen, ist zutiefst frustrierend. Statt über dringend notwendige Qualitätsverbesserungen reden wir darüber, dass Einrichtungen überhaupt in der Lage sein müssen, ihre Angebote im vollen Umfang aufrechtzuerhalten. Statt Diskussionen über dringend notwendige Verbesserungen bei der Inklusion zu führen, geht es vor allem um einen Alltag in Krippe, Kita und Kindertagespflege, der ohne Einschränkungen bei Gruppen bzw. Betreuungsplätzen und ohne Abstriche bei den Öffnungszeiten auskommt. So berechtigt dieser Wunsch der Betroffenen auch ist: Das ist doch zu wenig, wenn wir die Kindertagesbetreuung wirklich zukunftsfest aufstellen und möglichst allen Kindern gute Startchancen geben wollen. 

Ich will die Maßnahmen, die die Landesregierung zur Personalgewinnung und zur Fachkräftesicherung ergriffen hat, gewiss nicht unterschlagen. Es ist zum Beispiel gut und sinnvoll, dass die praxisintegrierte Ausbildung gestärkt wird. Und es ist auch absolut folgerichtig, dass insgesamt mehr Mittel ins Kitasystem fließen. Aber das ist angesichts der doch sehr angespannten Situation in den Einrichtungen auch bitter nötig. Doch ohne dem schriftlichen Bericht zu den zukünftigen Bedarfen vorgreifen zu wollen, werden wir absehbar noch mehr Mittel für die frühkindliche Bildung brauchen. Denn nicht nur eine hohe Kitaqualität hat ihren Preis, sondern vor allem auch die wichtige Arbeit der Fachkräfte. Außerdem macht die aktuelle Lage überdeutlich, dass wir endlich mehr Menschen für die Arbeit in einer Kita gewinnen müssen. Dies und der längere Verbleib der Fachkräfte im Job erfordert weitere Investitionen. Und wir müssen dringend auch in den Ausbau der Plätze und in die Absenkung der Elternbeiträge investieren. Nach unserer Auffassung dürfen wir uns auf gar keinen Fall vom Ziel der Beitragsfreiheit verabschieden. Denn die sichert Chancengleichheit und ist für uns absolut zentral.

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