Tale · Lars Harms · 24.03.2022 Kommunikative Fehler und Defizite in der Personalführung

 „Was die Rolle der im Untersuchungszeitraum tätigen Innenminister betrifft können wir feststellen, dass es von den Ministern abwärts keine politische Vereinnahmung oder Steuerung der Polizeiführung gegeben hat.“

Lars Harms zu TOP 51 - Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode (Drs. 19/3684)

Ausgangspunkt unserer Untersuchung war ein nur drei Menschen betreffender Konflikt. Daraus wurde eine stetig anschwellende und mehrjährige Auseinandersetzung, die zunächst die Polizei vereinnahmte, dann Staatsanwaltschaften, Gerichte und schließlich den Untersuchungsausschuss. Im Laufe der Jahre dürften mehrere hundert Menschen in tausenden von Arbeitsstunden mit diesem Fall und seinen Folgen beschäftigt gewesen sein. Obwohl diese Eskalation mit guter Führung durch Vorgesetzte hätte vermieden werden können, wurde hier fast klassisch aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Wir können von Glück sagen, dass wir schon vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses eine Untersuchung des ehemaligen Innenministers Buß vorliegen hatten. Die Analysen und Schlussfolgerungen dieses Berichts haben sich bestätigt. Ohne diesen Bericht wäre die Arbeit noch aufwändiger geworden. Auch deshalb haben wir jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, der es ermöglichen soll, in Zukunft einen Ermittlungsbeauftragten vor Beginn der Arbeit eines Untersuchungsausschusses einsetzen zu können. Auf Bundesebene und in Baden-Württemberg hat man mit solchen Ermittlungsbeauftragten sehr gute Erfahrungen gemacht.

Unsere Polizistinnen und Polizisten sind Menschen, die in ihrem Dienstalltag mit vielfältigen und auch eigenen Konflikten, Ängsten oder Traumatisierungen konfrontiert sind. Wer sich offen dazu bekennt und etwa die Hilfe und Begleitung von Konfliktberatern, Mediatoren oder Psychologen in Anspruch nimmt, ist kein Versager, sondern hat das Verständnis und die Unterstützung seiner Kolleginnen und Kollegen und insbesondere seiner Vorgesetzten verdient. In diesem Zusammenhang steht als Folge eines nicht gelösten Konflikts der Vorwurf des Mobbings im Raum. Ob Mobbing stattgefunden hat, konnten wir nicht feststellen. Mobbing scheint dabei ein rechtlich schwierig einzuordnender Begriff zu sein und Mobbing- oder Gerichtsverfahren für Mobbingbetroffene eine große und zusätzlich belastende Hürde. Wesentlich ist deshalb, den Verlust des gewohnten dienstlichen Umfeldes der Leidtragenden etwa durch Umbesetzungen zu vermeiden und bei Bedarf eine Wiedereingliederung voranzutreiben. Hierbei dürfte es vorwiegend darum gehen, die Einflussmöglichkeiten von Personalräten auszubauen und insgesamt aufzuwerten – sei es was die rechtlichen, qualifikatorischen und handlungspraktischen Möglichkeiten der Personalvertretung betrifft. Mit einem Mehr an Aufmerksamkeit und Empathie, sowie Wissen im Umgang mit psychischen Belastungen, hätte sich eine Eskalation wie in unserem Fall bereits im Vorwege vermeiden lassen. So sollte es für die Polizeiführung und dabei insbesondere für die Leitungsebene der Polizeiabteilung selbstverständlich sein, sich kooperativ ihren Mitarbeitern gegenüber zu verhalten und sich auch für den Umgang mit psychischen Belastungen zu qualifizieren. Was Mobbing betrifft, sollte die Qualifizierung obligatorisch sein.

Eine der Ursachen für den Ursprungskonflikt zwischen den beiden Abteilungen des LKA, oder genauer gesagt, eine sich konflikthaft bis in die höchsten Führungsebenen hocheskalierende Meinungsverschiedenheit zwischen Mitarbeitern zweier Dezernate, war der Wildwuchs von Kommunikationssträngen innerhalb des LKA. Es ist leicht nachvollziehbar, dass konspirative Gespräche zwischen Mitarbeitern, Flurfunk der Mitarbeiter untereinander oder situativ Handgestricktes von Vorgesetzten wenig Orientierung geben können. Für eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit muss es klare, auf der Führungsebene abgestimmte, für alle Mitarbeiter nachvollziehbare und schriftlich fixierte Regelungen und Anweisungen gegeben. Wo etwas noch nicht geregelt ist oder wo Unklarheiten bestehen, hat die Führungsebene die Mitarbeiter einzubeziehen, sie zu unterstützen und im Zweifel auch vor Fehlinterpretationen zu schützen. Was die Anfertigung von Vermerken betrifft, sind diese nicht nur grundsätzlich, sondern immer anzufertigen. Vermerke müssen die wesentlichen Informationen enthalten und gleichzeitig muss der Schutz von Personen gewährleistet sein. Dies ist selbst in einem so sensiblen Ermittlungsbereich wie bei der Rockerkriminalität möglich. 

Zur Bekämpfung der Rockerkriminalität ist der Einsatz von V-Personen oft nicht zu vermeiden. Deswegen kommt der VP-Führung innerhalb des LKA eine besondere Bedeutung zu. Für diese Tätigkeit gibt es eine spezielle Ausbildung, die Beamten müssen demokratisch und von der Persönlichkeit her gefestigt und nicht manipulierbar sein und zudem über eine gehörige Portion Mut verfügen. In ihrer Funktion sind sie Dienstleister der ermittelnden Abteilung beziehungsweise der leitenden Ermittler. Auch wenn der Einsatz von V-Personen oft kritisch betrachtet wird, verdient die gefahrvolle Arbeit der VP-Führung unseren Respekt. Allerdings muss bei all dem klar sein, wer bei der Durchführung von Ermittlungen den Hut aufhat: Das sind die untersuchungsleitende Staatsanwaltschaft und die Vorgesetzten der Ermittler und Ermittlerinnen.  

Bei den Ermittlungen im Subway-Verfahren sind Fehler gemacht worden. Man muss wohl feststellen, da ist einiges nicht gut gelaufen. Aber Fehler können passieren, selbst in einem gut organisierten und hochprofessionellen Arbeitsumfeld wie bei der Polizei. Diese Fehler müssen erkannt, innerhalb der Polizei transparent aufgearbeitet und bei zukünftigen Einsätzen und polizeiintern abgestellt werden. 

Was die Rolle der im Untersuchungszeitraum tätigen Innenminister betrifft können wir feststellen, dass es von den Ministern abwärts keine politische Vereinnahmung oder Steuerung der Polizeiführung gegeben hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass im Jahr 2010 versucht wurde, Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren zu verschleiern oder dass im Jahr 2017 durch einen Austausch der Polizeiführung Leute fertig gemacht werden sollten. 

Mit diesem Ausschuss konnten wir einen tieferen Einblick in die Aufgaben, Strukturen und die Menschen in der Polizei gewinnen, die sich Außenstehenden sonst meist nicht erschließen. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine solche Konflikteskalation nicht wiederholen wird. Es ist über eine zu lange Zeit hinweg zu viel Kraft und Zeit verschwendet und unnötig viel Porzellan zerschlagen worden. Trotzdem denke ich, können wir positiv in die Zukunft blicken, was unsere Polizei betrifft, weil sich die Ausbildung der Polizeianwärter- und Anwärterinnen in den letzten Jahren qualitativ erheblich weiterentwickelt hat, sowohl was etwa die Vermittlung ethischer Ausbildungsinhalte und Praktiken als auch die Einbeziehung von Erkenntnissen der neueren Polizeiforschung betrifft. Außerdem durften wir im Ausschuss bei den Anhörungen und in Gesprächen selbstbewusste, engagierte und fachlich versierte Beamte erleben, die tagtäglich ihren oft schwierigen Dienst leisten und sich dennoch von Turbulenzen nicht beirren lassen. Und das ist für mich die wichtigste Erkenntnis, die ich aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses gewonnen habe.

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