Tale · Flemming Meyer · 21.02.1996 Landesjugendhilfeplan

Langsam machen wir uns wirklich lächerlich. Da machen wir ein Jugendförderungsgesetz und schreiben in § 56 vor, daß die Landesregierung einen Landesjugendhilfeplan aufstellen soll, der dem Landtag „in der Regel zur Mitte einer Legislaturperiode vorzulegen“ ist. Jetzt hat die Landesregierung zum Ende der Wahlperiode einen „Bericht Landesjugendhilfeplanung“ vorgelegt, der offensichtlich die Funktion eines Landesjugendhilfeplanes übernehmen soll. Und der Sozialausschuß empfiehlt, diesen Bericht ohne ein Wort der Aussprache durch das Parlament zu schleusen.

Vielleicht wäre das nicht ganz so katastrophal, wenn wir hier den perfektesten Jugendhilfeplan aller Zeiten vorliegen hätten. Aber nun ist es leider so, daß der Bericht Landesjugendhilfeplanung berechtigterweise massive Kritik der Jugendverbände auf sich gezogen hat. Die Jugendarbeit in freier Trägerschaft wird kaum berücksichtigt. Die Aktivitäten der Kreise und Städte als Kernzellen der Jugendarbeit im Lande wird nicht behandelt. Die Beschreibung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein ist unzulänglich und beschränkt sich auf Allgemeinplätze in nahezu klischeehaftem Soziologendeutsch. Die Interessen Jugendlicher wurden nicht erhoben, und die Verfasser haben offenbar noch nicht festgestellt, daß Schleswig-Holstein zu einem Großteil aus ländlichen Regionen besteht.

Daß von der nicht im Jugendring organisierte Jugendarbeit keine heftige Reaktion kam, liegt wohl auch nur daran, daß sie keine starke Interessenvertretung hat. Die Jugendarbeit, die in freien Initiativen und anderen Verbänden stattfindet, ist nämlich ebenfalls ausgespart worden.

Es wäre doch das Mindeste gewesen, im Sozialausschuß diese Probleme zu erörtern und die Betroffenen dazu zu hören. Das passierte aber überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil stellten SPD, CDU und FDP fest, daß es zwar Diskussions- und Anhörungsbedarf gibt, daß man das aber dem kommenden Landtag überlassen will.

Es gibt den Begriff der Diskontinuität - zu Deutsch „ein Mangel an Zusammenhang“. Er bedeutet, daß wir den Landtag der 14. Wahlperiode zu nichts verpflichten können. Auch nicht durch einen Appell, wie er im SPD-Änderungsantrag vorgesehen ist. Das wissen natürlich auch alle Kolleginnen und Kollegen. Und damit kommen wir zum Kern: Es ist ein Skandal, wenn die Fraktionen die Verantwortung für den Landesjugendhilfeplan ins Nichts abschieben; nur weil ihre Wahlkampfkalender es nicht zulassen, die Zeit bis zur Landtagswahl für Landtagsarbeit zu nutzen.

Meine Damen und Herren, es ist schon lange überfällig, daß Sie sich gewaltig zusammenreißen, denn es hat ja noch viel mehr als den Jugendhilfeplan betroffen.

Ich habe einen Entschließungsantrag vorgelegt, um dem Landesjugendhilfeplan noch die Chance zu geben, in diesem Parlament gebührend behandelt zu werden. Immerhin haben Sie sich doch noch dazu überwinden können, Redezeit anzumelden, was das Mindeste ist.

Wir sind es den Jugendlichen und den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der Jugendverbände und der freien Jugendarbeit schuldig, daß wir uns konstruktiv mit ihrer Arbeit auseinandersetzen, und sie in unsere Planung der Jugendhilfe integrieren. Dazu reicht der vorliegende Landesjugendhilfeplan aber nicht aus. Er darf so nicht als Vorgabe für die Jugendpolitik in Schleswig-Holstein stehen bleiben. Sicher, es gibt auch Bereiche des Planes, die den Namen Jugendhilfeplanung verdienen. Fast vorbildlich ist der Abschnitt über die Kindertagesstätten. Aber im Allgemeinen gilt, daß der Bericht Landesjugendhilfeplanung eine Beschreibung ist - keine Bestandsaufnahme und auch kein Plan. Ich kann daher auch nicht für die Fortschreibung des Planes sein, wie es der SPD-Antrag vorgibt, da der vorliegende Bericht als Landesjugenhilfeplan nicht akzeptabel ist.

Die Mängel haben wohl alle erkannt. Ich begrüße auch die Selbsterkenntnis der Berichtsverfasser, daß die Verbände, die Interessen der Jugendlichen und die Jugendarbeit der Kreise und Kommunen im Plan zu berücksichtigen wären. Aber bis endlich ein neuer, akzeptabler Plan vorliegt, darf dieser mangelhafte Bericht nicht als oberstes Leitbild und Vorbild für die Jugendhilfeplanung im Lande stehen bleiben.

Ich möchte deshalb der Landesregierung vorschlagen, den vorliegenden Bericht Landesjugendhilfeplanung umzubenennen in „Erster Jugendhilfebericht der Landesregierung“. Den haben wir zwar nicht bestellt, aber dann wird das Etikett wenigstens dem Inhalt entsprechen und kein Schaden anrichten.

Ich fordere die Landesregierung dazu auf, mit der Arbeit für einen Landesjugendhilfeplan zu beginnen, der die genannten Mängel des Berichts beseitigt und ebenfalls die vielen nicht-institutionalisierten Ansätze in der Jugendarbeit miteinbezieht.

Es wäre beschämend, wenn Sie, meine Damen und Herren, als Landtag der 13. Wahlperiode wirklich für diesen Bericht als Landesjugendhilfeplan einstehen wollen. Es ist allemal besser, noch ein paar Jahre auf einen guten Jugendhilfeplan zu warten, als zu verantworten, daß dieser Bericht als äußerst unzulängliches Vorbild der Jugendhilfeplanung im Lande bestehen bleibt.

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