Tale · Lars Harms · 20.02.2020 Mehr Forschung zum Brandverhalten statt Halbwissen und Aktionismus

Wir sollten auf die Brandschutzexperten aus der Praxis hören: Erst wenn wir wissen, wie sich die neuen Fahrzeugtypen im Brandfall konkret verhalten, können wir ggf. auch die entsprechenden Verordnungen sinnvoll anpassen.

Lars Harms zu TOP 24 - Für effektiven Brandschutz in Garagen und Parkhäusern – Brandrisiken von elektrisch oder durch Gas betriebenen Kraftfahrzeugen in der Neufassung der Garagenverordnung berücksichtigen (Drs. 19/1999)

Medienwirksam sorgen Nachrichten und Videos von brennenden E- oder Hybridautos immer mal wieder für Aufregung. Und es ist ja auch unstrittig, dass der Umgang mit brennenden Elektrofahrzeugen Pannendienste und Feuerwehren vor neue Herausforderungen stellt. Dennoch muss ich den vorliegenden Antrag der AfD nun aus verschiedenen Gründen zerpflücken:

Voranstellen möchte ich, dass es bedauerlich ist, den Eindruck zu erwecken, Elektro- und Hybridautos seien quasi „unsichere Brandbomben“. Dies ist mitnichten der Fall. Es gibt wohl bei weitem nicht so viele Elektroautobrände, wie es die Medienberichterstattung und auch dieser Antrag suggeriert. Aussagekräftige Statistiken zu Bränden von E- oder Hybridautos, auch und insbesondere im Vergleich zu konventionellen Verbrennungsmotoren, gibt es zwar noch immer nicht. Doch in Artikeln und Interviews lautet der allgemeine Tenor von Experten aus der Branche – wie dem Deutschen Feuerwehrverband und dem ADAC – dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass diese neuen Fahrzeugtypen leichter und häufiger in Brand geraten. Im Gegenteil: Man geht von einem vergleichbaren bis deutlich geringeren Brandrisiko aus. Und scheinbar unmotiviert auftretende Garagenbrände, um die es ja in diesem Antrag geht, stellen davon eine nochmals extrem seltener auftretende Einzelfallmenge dar. Natürlich sollte man ein Feuer im Parkhaus fürchten, keine Frage. Aber diese Furcht sollte für alle Autos gelten – da ja alle Autos in Brand geraten können.

Nun war es ja leider schon immer so, dass Kritiker neuer Technologien diese diffamieren, indem sie die absoluten Worst-Case-Szenarien beschwören. Auch im vorliegenden Antrag lesen wir von Kontrollverlust, Giftgaskonzentration und Explosionsgefahr. Was aber wissen wir denn konkret über das Brandverhalten von E- und Hybridautos? Wir wissen durch die wenigen Brandfälle im Freien, dass diese in der Tat brandintensiv und löschmittelintensiv sind. Wir wissen auch, dass Sicherheitsprobleme grundsätzlich auf drei Arten entstehen können: Durch mechanische Einwirkungen, etwa bei einem Unfall, elektrisch, etwa durch Überladen, und thermisch, also durch zu viel Hitze oder Kälte. Das Entzündungsrisiko ist extrem gering, dennoch muss man natürlich darauf vorbereitet, geschult und ausgerüstet sein. Und das sind unsere Feuerwehren ja grundsätzlich schon – sie machen einen fantastischen Job und haben auch die wenigen Elektroautobrände unter Kontrolle bringen können.

All dessen sind sich ja auch die Hersteller durchaus bewusst, daher bauen sie mehrere voneinander unabhängige Sicherheitsmechanismen ein und forschen kontinuierlich an weiteren Verbesserungen. Und Forschung ist hier auch das maßgebliche Stichwort, denn: Während sich die AfD an dieser Stelle ausklinkt und nun also vorpreschend die Garagenverordnungen ändern und auch direkt neuerlassen will, fordern Brandschutzexperten aus der Praxis zunächst einmal mehr Forschung zum eigentlichen Brandverhalten. Diese Reihenfolge ergibt auch mehr Sinn, denn erst wenn die Rettungskräfte wissen, wie sich die neuen Fahrzeugtypen im Brandfall ganz konkret verhalten, können sie ihre Ausrüstung sowie die Löschtechniken noch zielgenauer anpassen. Und sinnvollerweise können wir auch erst dann ggf. über eine entsprechende Anpassung der Garagenverordnung nachdenken.

Denn auch wenn wir uns den vorliegenden AfD-Antrag nun im Detail anschauen, so werden renommierte Brandschutzexperten in aktuelleren Interviews und Artikeln, etwa in der WiWo oder auf golem.de, doch mit etwas anderen Maßnahmenvorschlägen zitiert – sie fordern beispielsweise Brandabschnitte statt lediglich Rauchabschnitte. Vor allem aber: Erst mehr Forschung, dann Vorschriftenanpassung.

Tatsache ist doch: Die modernen Autos von heute sind wie Tablets auf Rädern, es gibt immer mehr Elektronik, immer mehr Software, ein immer komplexer werdendes Innenleben. Ein Restrisiko bleibt da immer – für alle Fahrzeugtypen. Aber davon dürfen sich Pioniere natürlich nicht entmutigen lassen. Von daher sollte man an dieser Stelle erst einmal weitere Untersuchungen und Tests abwarten, bevor man mit Halbwissen an einer Verordnung herumdoktert. Mit dem vorliegenden Antrag bliebe es bei wenig sinnvollem Aktionismus, daher lehnen wir diesen ab.

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