Tale · Flemming Meyer · 09.10.2002 Nachträgliche Unterbringung rückfallgefährdeter Straftäter

„Wenn wir nur unseren Gefühlen folgen, haben wir bald keinen Rechtsstaat mehr – dafür aber vermutlich die Todesstrafe.“



Eigentlich kann ich da anfangen, wo ich bei der ersten Lesung aufgehört habe. Damals schloss ich nämlich meinen Redebeitrag mit den Worten: Der nächste Ruf nach wei­te­ren Ver­schär­fungen wird nicht ausbleiben; die CDU wird weiterhin nach jeder einzel­nen Tat nach neuen Gesetzen rufen – und den Menschen vorgaukeln, dass dadurch die Verbrechen ver­hindert wer­den.

Eben dieses durften wir in den letzten Tagen erleben, als die CDU eine Ver­bin­dung zu aktuellen Mordfällen herstellten. Der Vater der in Neumünster ermor­de­ten Jenni­fer soll gesagt haben, dass solche Leute auf ewig weggesperrt gehören. Ich kann sehr gut ver­ste­hen, dass er dieses sagt, wenn ein Rückfalltäter seine Tochter er­mordet. Von Poli­ti­kern er­war­te ich aller­dings, dass sie sich nicht von persönlicher Betrof­fenheit und Emotionen leiten las­sen. Das kann manchmal verdammt schwer sein, zugegeben. Aber ein humaner Rechts­staat for­dert, dass Rechtspolitik mit kühlem Kopf gemacht wird. Wenn wir nur unseren Gefühlen fol­­gen, haben wir bald keinen Rechtsstaat mehr – dafür aber vermutlich die Todes­strafe.

In einem Rechtsstaat darf man Menschen nicht einsperren, weil sie zukünftig vielleicht eine Straftat begehen könnten. Wenn wir Ausnahmen von diesem grundlegenden Prinzip machen, dann nur in einer strengen Abwägung von Nachteilen und Vorteilen.

Ausnahmen gibt es bereits. Wenn ein (potentieller) Täter psychisch Krank ist, kann er ein­ge­wie­sen werden, um die Umwelt vor ihm zu schützen. Wenn bei nicht psychisch-kranken Straf­­tätern erkennbar ist, dass sie rückfällig werden, kann im Gerichtsverfahren eine Siche­rungs­ver­wah­rung angeordnet werden. Im Juni hat der Bundestag zudem beschlossen, dass Gerichte auch eine Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt aussprechen können. Wir mei­nen, dass dieses genug ist. Unter Abwägung der verschiedenen Interessen kommen wir des­halb zu dem Schluss, dass wir keine Ände­rung brauchen, wie die CDU sie vorgeschlagen hat.

Denn wir reden hier ja nicht nur von den wenigen Tätern, die rückfällig geworden sind. Auch wenn jeder einer zu viel ist: Bundesweit geht es vielleicht um 3 Fälle pro Jahr, die überhaupt für die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Frage kommen. Wir reden ebenso von vielen Men­schen, die wirk­lich lebenslang ein­ge­sperrt werden können, obwohl sie nie wieder etwas be­gangen hätten. Zudem zeigen die meisten spektakulären Fälle von Rückfalltätern, dass es sich bei den Hoch­gefährlichen in der Regel gerade nicht um Täter handelt, die vorher mit Folgetaten geprahlt haben oder durch fehlende Anpassung in der Haft aufgefallen sind. Es waren Menschen, die gute Führung zeigten und nicht auffällig waren. Diese erreicht man ohnehin nicht mit einer derartigen Änderung.

In diesem Sinne könnte die nachträgliche Siche­rungs­­verwahrung zwar Stimmungen beru­hi­gen, die Politiker und Medien vorher selbst geschürt haben. In der Sache aber würde sie kaum mehr als eine Scheinsicherheit bringen. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Wer dies den Leuten vorgaukelt, schafft selbst immer neue Sicherheitsbedürfnisse. Deshalb kommen wir bei der Abwägung zu dem Ergebnis, dass die CDU-Änderung auf Landesebene viel schaden und wenig nützen würde.

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