Press release · 21.01.2006 Nordstaat: Zwei Nackte eröffnen kein Textilgeschäft

Der SSW lehnt einen „Nordstaat“ ab. Auf dem SSW-Sonderparteitag heute in Schleswig warnte die SSW-Landtagsabgeordnete Anke Spoorendonk die Landesregierung vor Überlegungen, die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg zu fusionieren: „Die Befürworter des Nordstaates denken technokratisch nur in Verwaltungskategorien und vergessen, dass es hier um Bürger, um demokratische Institutionen und um Identität geht.“ Die Vorsitzende der SSW-Landtagsgruppe befürchtet zudem, dass die Wirtschaftspolitik in einem Nordstaat noch stärker auf die Metropolregion Hamburg fokussiert und den Norden Schleswig-Holsteins ganz aus dem Blick verliert.

„In den vergangenen Monaten mehren sich die Stimmen, die einen Nordstaat fordern. Vor allem prominente Vertreter der CDU – wie Landtagspräsident Kayenburg und Wirtschaftsminister Austermann – wollen den Zusammenschluss mit Hamburg. Der regierende Bürgermeister von Hamburg will ihn sogar möglichst schnell und auch unser Kieler Regierungschef hat schon ähnliches verlauten lassen. Nach der Landtagswahl überraschte Peter Harry Carstensen mit der Aussage, dass er sich vorstellen könne, der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu sein. Derselbe Mann, der vor der Wahl noch gesäuselt hat, seine Braut heiße Schleswig-Holstein. Da lag ja zuerst der Verdacht nahe, dass hier ein Heiratsschwindel vorliegt.  Aber diese Woche hat Carstensen nun wieder deutlich gesagt, dass er keinen Nordstaat will.  Was soll man jetzt glauben?

Unser Kurs ist da klarer: Der SSW lehnt die Gründung eines „Nordstaates“ aus zwei oder mehreren Bundesländern ab. Wir sagen ja zu einer starken Zusammenarbeit der norddeutschen Länder bei konkreten Verwaltungsaufgaben. Wir sagen aber nein zu einer Fusion der Bundesländer, weil sie verheerende wirtschaftspolitische Konsequenzen  für den Norden hätte. Denn eines ist klar: Die Wirtschaftspolitik ist schon heute zu stark auf die Metropolregion Hamburg konzentriert. Dies würde sich in einem Nordstaat noch verstärken. Als „Juniorpartner“ in einem solchen Gebilde hätte Schleswig-Holstein eine schwächere Ausgangsposition und könnte noch weniger regionale Interessen im nördlichen Landesteil berücksichtigen.

Befürworter des Nordstaats argumentieren vor allem damit, dass Schleswig-Holstein angeblich zu klein ist, um seine Aufgaben als Bundesland ordentlich erledigen zu können. Ein größeres Land kann eine modernere, schlankere Verwaltung haben, glauben sie. Aber wenn die Größe von Estland ausreicht, um EU-Mitglied und Vorzeigeland in Sachen Bürokratieabbau und schlanken Staat zu werden, weshalb sollte Schleswig-Holstein dann zu klein sein, um als Bundesland zu funktionieren?

Auch das Argument, dass dadurch finanzpolitische Probleme behoben werden können, ist nicht viel mehr als ein Witz. Der SSW hat es schon vor meiner Zeit im Landtag gesagt: Zwei Nackte eröffnen doch kein Textilgeschäft. Das, was sich noch einsparen lässt, können wir auch durch eine starke Zusammenarbeit und Arbeitsteilung der Landesregierungen und Landesbehörden erreichen.

Und es gibt noch ein Argument gegen eine norddeutschen Fusion: Aus demokratischer Sicht ginge in einem Nordstaat die Bürgernähe verloren, die immer noch unsere Landespolitik von der Bundespolitik unterscheidet. Eigentlich ist es doch ein Witz: Einerseits wird dem SSW von den großen Parteien vorgeworfen, dass wir die Identität der kleinen Ortschaften zerstören, wenn wir Kommunen mit mindestens 8.000 Einwohnern fordern. Andererseits wollen Politiker aus denselben Parteien Schleswig-Holstein in ein Norddeutsches Megabundesland eingliedern. Das ist absurd.
Ein noch größerer Witz ist es, dass konservative Schleswig-Holsteiner die Grenzen unseres Landes in Frage stellen, wo sie doch immer auf die Einheit Schleswig-Holsteins so viel gelegt haben. Dass gerade die Partei der dänischen Minderheit für den Erhalt Schleswig-Holsteins kämpfen muss, ist eine Ironie der Geschichte.

Die Befürworter des Nordstaates denken technokratisch nur in Verwaltungskategorien und vergessen, dass es hier um Bürger, um demokratische Institutionen und um Identität geht. Genau hier liegt der Fehler bei der Nordstaat-Debatte und bei der Verwaltungsstrukturreform der Landesregierung: Es geht eben nicht nur um Verwaltung, es geht zuerst um Demokratie.
Für uns gilt bei den Ländern das gleiche, wie bei den Kommunen: Der SSW setzt sich für ein skandinavisches Prinzip der Bürgernähe ein. Wir wollen handlungsfähige und leistungsstarke dezentrale Einheiten, bei der Verwaltung und Politik auf einer Ebene stattfinden. Wir wollen eine bürgernahe Demokratie und die erreicht man nicht, indem man immer größere Verwaltungseinheiten schafft und dabei die Kontrolle durch Politik und Bürger abhängt.“

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