Tale · Lars Harms · 11.07.2014 Pflegende müssen endlich auf Augenhöhe mitreden und mitbestimmen können

Im Grunde haben wir das Für und Wider einer Pflegekammer hier im Landtag ausführlich diskutiert und entsprechende Beschlüsse gefasst. Zu glauben, dass wir durch den vorliegenden Antrag der FDP nun plötzlich zu neuen Erkenntnissen kommen würden, wirkt gelinde gesagt ein wenig naiv. Da kann man auch noch so oft das Wort „Zwangsmitgliedschaft“ benutzen oder von Beiträgen reden, die zwangsweise erhoben werden. Nebenbei bemerkt: Ich bin schon ein bisschen verwundert, wenn man mir sagt, dass eine Pflichtmitgliedschaft und eine Zwangsmitgliedschaft das Gleiche sei. Denn wir sprechen ja nicht ohne Grund von Schulpflicht statt von Schulzwang und von Wehrpflicht statt Wehrzwang oder von bürgerlichen Ehrenpflichten anstelle von Ehrenzwängen. Aber für die Stimmungsmache hört sich der Begriff „Zwang“ natürlich besser an - denn wer will sich schon gerne zu etwas zwingen lassen?

 


 

Unser Beschluss, in Schleswig-Holstein eine Pflegekammer einzuführen, ist in verschiedenen Kreisen auf starken Widerstand gestoßen. Vor allem der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um gegen die Einrichtung einer Pflegekammer zu argumentieren. Das ist vollkommen legitim. Doch gerade dieser Verband hat  mich nicht überzeugt. Erinnere ich mich doch an deren Pressekonferenz im Landeshaus zu diesem Thema. Hier begründeten sie ihren Widerstand gegen eine Pflegekammer mit der Sorge um das Wohl ihrer Angestellten. Zitat: „Wir brauchen gute und zufriedene Mitarbeiter“. Eins muss ich klar sagen: Wenn sich Arbeitgeber als die besten Arbeitnehmervertreter darstellen, werde ich zumindest sehr hellhörig. Als sie sich dann noch gegen die Perspektiven der Weiter- und Fortbildung aussprachen - Zitat: „Das können wir intern in unseren eigenen Häusern besser. Die haben alle verschiedene Ansprüche“, wurde ich erst recht skeptisch. 

 


 

Mittlerweile hat der BPA ein Papier beziehungsweise eine Diskussionsvorlage zur Alternative zur Pflegekammer vorgelegt. Gerade die Beteiligung der unterschiedlichen Pflegefachkräfte scheint dem Verband besonders wichtig. Dies macht sehr deutlich, dass auch der BPA die Teilhabe und Mitwirkung der Pflegekräfte zumindest für ausbaufähig hält. Ich finde es allerdings reichlich spät, wenn erst zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahren Alternativen auf den Tisch gelegt werden. Das beweist aber zumindest, dass alleine die Diskussion um eine Pflegekammer vieles in Gang gesetzt hat. Das werte ich als ersten Erfolg.

 


 

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: Wir haben die Entscheidung für eine Pflegekammer einzig und allein deshalb mitgetragen, weil wir uns davon eine Aufwertung der Pflege versprechen. Wir haben hier in Deutschland nun mal ein Kammersystem. Ärzte, Apotheker oder Psychotherapeuten vertreten mit Hilfe einer Kammer geschlossen und wirkungsvoll ihre Interessen. Unter diesen Bedingungen braucht es ganz einfach eine entsprechende Institution für die professionell Pflegenden. Ich wüsste nicht, was ihnen sonst ein echtes Arbeiten auf Augenhöhe ermöglichen kann. Die Pflegekammer wird die Profession Pflege gegenüber anderen medizinischen Heilberufen stärken und Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen. Und SPD, Grüne und SSW erwarten von ihr nicht zuletzt auch einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung der Pflege. 

 

Ich habe es oft gesagt: Über das Instrument Pflegekammer kann man durchaus streiten. Das  ein Kammersystem nicht gerade das Leibgericht des SSW ist, dürfte auch kein Geheimnis sein. Es mag ergänzende oder sogar alternative Wege geben. Aber über das Ziel sind wir uns doch wohl hoffentlich einig. Wir müssen die Pflege im Gesundheitssystem insgesamt aufwerten. Wir müssen den vielen professionell Pflegenden im Land ein Arbeiten auf Augenhöhe ermöglichen. Und wir müssen darauf hinarbeiten, dass ihnen ein weit höheres Maß an Wertschätzung entgegengebracht wird, als bisher. Dafür braucht es nicht nur mehr in der Lohntüte. Nein, die Menschen in der Pflege müssen endlich auch das Gefühl kriegen, dass sie gehört und ihre Interessen ernst genommen werden. Und genau das wird eine Pflegekammer leisten.

 


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