Tale · Flemming Meyer · 20.02.2002 Rundfunkstaatsvertrag und digitales Fernsehen

Es gilt das gesprochene Wort.

Die Medienpolitik in der Bundesrepublik ist föderal organisiert - und das ist gut so. Der politi­schen Struktur steht aber eine zunehmend marktförmig organisierte Medien- und Kommu­ni­ka­tionswirtschaft gegenüber, die schon seit langem jenseits der nationalen Grenzen operiert. Des­­halb wird schon seit einer Weile nach einem neuen Weg zwischen staatlicher Über­regulierung und marktwirtschaftlicher Verantwortungslosigkeit gesucht. Es sollen Struk­tu­ren und Entschei­dungen gebündelt werden, ohne das föderale Prinzip zu zerstören. Denn aus dem neuen Steuerungs­bedingungen ergibt sich eben nicht gleich naturwüchsig eine weite­re Zentra­lisierung der Medien­politik, sondern dass die Stärken einer strukturell und inhaltlich regional geprägten Medien­politik unter neuen Rahmenbedingungen gesehen werden müssen.

Wir teilen also nicht die Auffassung, dass lediglich eine stärkere Beschränkung auf Kernkompe­tenzen und Richtlinienentscheidungen die Ant­wort auf die Herausforde­rungen sind. Wer die zentrale Bedeutung der Mas­sen­medien in der Demo­kratie erkennt, kann es in der Medien­politik nicht lediglich mit einer Regulierung eines Marktes und etwas Ju­gend­schutz bewenden lassen.

Die Medien haben sich zu einem der heißesten Märkte entwickelt, und das muss nicht von sich aus schon ein Nachteil sein. Mehr Vielfalt durch Wettbewerb ist ja gerade einer der Ziel­set­zun­gen. Aber die Kehrseite der globalisierten Medaille wird uns auch gegenwärtig wieder ver­deutlicht. Ein ameri­kanischer Unternehmer übernimmt beinahe große Teile des Kabel­netzes und will dort allein die Vermarktung von Programmen übernehmen, während sich sein australisch-britischer Geschäfts­­­partner Murdoch aufmacht, sich wich­tige Teile des Kirch-Imperiums unter den Nagel zu reißen – das wiederum Herzstücke der bundesdeutschen Medien in einer Hand vereint. Da fällt es schwer an die Vielfalt in der Marktwirtschaft zu glauben. Rupert Murdoch ist gar die Gewaltenteilung lästig; er missbraucht seine mediale Macht, um massiven Einfluss auf die Politik zu nehmen - rühmt sich gar, durch seine einflussreichen Medien, die britische Wahl entschieden zu haben. Angesichts einer solchen Macht­­konzentration, die es wenigen Menschen erlaubt zu bestim­men, was die öffent­liche Wahrheit ist, muss die Demo­kratie dem Grenzen setzen. Gerade angesichts der Globa­­­li­sierungs­­­tendenzen in diesen Märkten muss die Politik die Demokratie vertei­digen. Sie muss einer Wiedergeburt von Citizen Cane oder Alfred Hugenberg durch Medienpolitik von vorn­herein vorbeugen.

Der SSW hat bereits bei der Verabschiedung des letzten Rundfunkstaatsvertrags in Verbin­dung mit der Einführung neuer Regeln für die Medienkonzentration ange­merkt: Wir können nicht akzep­tieren, dass in der Medienpolitik mit dem Argu­ment der Globalisie­rung zuneh­mend wirt­schafts­politischen Argumenten abso­luten Vorrang gewährt wird. Wir meinen, dass die Rege­lungen in Fragen der Konzentration falsch sind. Es bleibt dabei, dass wir nicht eine auf Markt­anteile beruhende Konzentrations­kontrolle unter­stützen, wir können immer noch nicht die 30 %-Grenze akzeptieren, und es gibt weiterhin zu viele Mög­lich­keiten, die Intentio­nen des Medien­kartell­rechts zu unter­laufen. Deshalb haben wir trotz allem auch Probleme mit den dies­bezüg­lichen Bestimmungen im vorliegenden Rundfunkstaatsvertrag.

Die Wahl der richtigen Struktur fällt aber offensichtlich nicht nur in Sachen Konzentrations­kontrolle schwer. Auch in Sachen föderaler Struktur der Medienaufsicht in Deutschland gibt es eine unheilige Tendenz dazu, die Arbeit in wenigen zentralistischen Gremien zu organi­sieren. Generell haben wir auch keine Einwände dagegen, dass die Arbeit dadurch effektiver wird, dass neue Zuständigkeiten geschaffen und Gremienarbeit umorganisiert wird. Die Verbesserung der Koordination darf aber nicht auf Kosten der föderalen Einfluss­möglich­keiten erfolgen. Wir halten es mit dem Vorsitzenden des Medienrates, der eingefordert hat, den Föderalis­mus in der Medien­poli­tik zu achten und den pluralen Gremien der Landesmedienanstalten umfassenden Einfluss zu gewähren.

Wir dürfen in der Medienpolitik nicht das Regionale auf dem Altar einer globalisierten Medien­wirtschaft opfern. Und wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, nur durch Zentrali­sierung und Konzentration die Effizienz zu steigern. Wir brauchen ein starkes regionales Element.

Das gilt nicht nur organisatorisch in der Medienaufsicht, sondern auch technisch - nämlich wenn es um die länder­übergreifende Planung des digitalen terrestrischen Fern­sehens geht. Auch diese kann durchaus zu Lasten der Vielfalt gehen. Die Möglich­keiten von regio­nalem und lokalem Fern­sehens dürfen auf jeden Fall nicht geschmälert werden.

Wir haben übrigens in Verbindung mit der Umstrukturierung des N3-Videotextes - bei der die leicht zu­gäng­­liche Trennung der Nachrichten nach Bundesländern aufgegeben wurde - bereits zur Kennt­nis genommen, dass der SSW offensichtlich als einzige in dieser Hinsicht für die konse­quente Wahrung der Identität des Bundeslandes Schleswig-Holstein eintritt. Wir werden uns auch weiterhin für bürgernahe, lokale und regio­nale Medien ein­setzen, weil diese nicht nur populär sind, sondern auch positive Effekte für eine bürgernahe Demokratie haben.

Gerade bezüglich kleiner Anbieter spielt die Frage der Chancengleichheit bei der Digitalisierung eine Rolle. Die digitale Technik kann die Vielfalt der kleinen, örtlich begrenzten Programme einschränken, weil diese in mehrerer Hinsicht nicht mit der neuen Tech­nik mithalten können. Für das digitale Radio haben uns deutliche Notrufe erreicht, dass die ganz Kleinen nicht werden folgen kön­nen. Es stellt sich die Frage, ob wir auch in Zukunft kleinen nicht-kommerziellen Sendern einen Platz sichern können. Das mag zwar nicht auf dem globalisierten Medienmarkt von Interesse sein. Im Interesse einer demokratischen Medien­politik ist es aber allemal.

Das Prinzip der Vielfalt durch Wettbewerb und Chancengleichheit im Zugang gilt aber ebenso für die Nutzer wie für die Anbieter. In Verbindung mit der Einführung des DVB-T werden wir vor allem auch darauf Gewicht legen müssen, dass ein sozialverträglicher Umstieg stattfindet. Dieser Gesichtspunkt wird von der Landes­regierungen ja auch klar im Rahmen der sogenannten „ange­messenen Bedingungen“ gesehen. Wir meinen, dass die sozialen Aspekte eindeutig höher gewer­tet werden müssen als wirtschaftliche Interessen der Geräteindustrie oder andere Stand­ort­argu­mente. Dazu gehört, dass die neuen digi­talen Fernseher oder Set-Top-Boxen keine billigen Ange­legenheit sind. Es mag hier nicht mehr um so viele Menschen gehen, die sich dieses nicht leisten können. Aber es geht gerade um jene, denen wir von der Politik unbedingt ein Minimum an Zugang zu Informationen sichern müssen.

Mit dem digitalen terrestrischen Fernsehen wird eine neue Technologie eingeführt, deren Um­setzung die potentielle Gefahr birgt, dass nicht alle mithalten können. Deshalb muss u. a. der paral­­­lele Be­trieb von analogen und digitalen Kanälen – der sog. Multicastbetrieb – so lange wie möglich statt­­­finden. Und deshalb müssen die Landesregierungen vor allem erreichen, dass die sog. Set-Top-Boxen – als „Übersetzer“ zwischen digitalem Sender und analogen Fern­sehern – für Jeder­­mann und Jederfrau erschwinglich werden. Die Regierung ist aufgefordert, in diesem Punkt zu beweisen, dass sie es mit der sozialen Verantwortung in der Informa­tions­gesellschaft ernst nimmt.

Ein anderer Aspekt, der abgeklärt werden muss, sind die gesundheitlichen Implikationen des digi­talen terrestrischen Fernsehens. Es kann ja im Prinzip mit dem Telefonieren mit Mobil­tele­fonen ver­glichen werden. Deshalb wäre es schon interessant zu wissen, welche Strahlen­belastung sich aus dem Fernsehen mit einer Stabantenne am Empfangsgerät ergibt. Darauf wird im Bericht der Landesregierung überhaupt nicht eingegangen.

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