Tale · Flemming Meyer · 08.07.2010 Sicherungsverwahrung

Nach dem Bekanntwerden eines schlimmen Verbrechens erleben wir immer wieder den Dreiklang von öffentlicher Betroffenheit, Unsicherheit und dem Ruf der Scharfmacher nach härteren Strafen.
Während Betroffenheit und Unsicherheit bald schon durch andere Neuigkeiten überlagert werden, ist die Spirale der Strafverschärfungsforderungen nachhaltig und gefährlich. Genau hier ist die Forderung nach nachträglicher Sicherungsverwahrung einzuordnen. Sie soll zwar Stimmungen beruhigen, die Politiker und Medien vorher selbst geschürt haben, aber in der Sache selbst bringt sie lediglich Scheinsicherheit. Absolute Sicherheit gibt es nämlich gar nicht. Wer dies den Leuten vorgaukelt, schafft selbst immer neue Sicherheitsbedürfnisse.
Darum spricht sich der SSW dafür aus, die nachträgliche Sicherungsverwahrung abzuschaffen. Abgesehen von seiner fatalen Wirkung auf das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger hat sie als Instrument auch unter Beachtung aller rechtlichen Rahmenbedingung keinen sinnvollen Anwendungsbereich. Denn Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Tat begehen, kommen in die Forensik. Wir reden aber, und genau darüber urteilte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im letzten Jahr, über voll schuldfähige Menschen. Bei diesem Personenkreis kann sich das Gericht, das die Haftstrafe verhängt, bereits in seinem Urteil die Sicherungsverwahrung vorbehalten, falls die Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt des Urteils nicht zweifelsfrei festzustellen ist. Das ist richtig und gut so. Die Sicherungsverwahrung ist im deutschen Strafrecht eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie soll dazu dienen, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen.
Im Gegensatz zu der normalen Strafhaft knüpft die Sicherungsverwahrung jedoch einzig an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Allgemeinheit an. Diese Gefährlichkeit muss im Wege einer Prognose festgestellt werden und sich zuvor in einer besonders schweren Straftat geäußert haben.
Es wird die Freiheit entzogen, und zwar einzig zum Schutze der Allgemeinheit vor diesem Menschen. Darum müssen hier hohe Anforderungen gestellt werden, bevor dies so entschieden wird. Nachträglich dieses anzuordnen, bedeutet: keine Klarheit - weder für den Täter noch für die Gesellschaft. Die Möglichkeit der Resozialisierung geht verloren, wenn der Täter nicht weiß, wie lange er einsitzen wird.
Was soll dann die elektronische Fußfessel?
Schuldfähigen Tätern eine Fußfessel anzulegen, erscheint nur auf den ersten Blick sinnvoll, weil die Betroffenen genau wissen, was sie riskieren, wenn sie gegen ihre Auflagen verstoßen und sie daher bereits aus Eigeninteresse die Auflagen erfüllen werden. Trotzdem bleibt das Unbehagen, auf ein technisches System zu vertrauen, das manipuliert werden kann und dessen Daten vergleichsweise einfach zu veröffentlichen sind.
Nach unser aller Erfahrung gibt es keine sichere Datenverarbeitung. Die Ortung der Fußfessel und die Berechnung der Daten bezüglich verbotener Orte wie Schulen oder Kindergärten ist nichts anderes als EDV – und die ist hackbar! Schon manchem Experten wurde sein angeblich todsicheres System von einem Schüler gehackt. Das wird bei der kriminellen Energie der Täter sicherlich auch schnell erledigt sein und dann gaukelt die manipulierte Fessel den Behörden einen völlig falschen Aufenthaltsort des Täters vor.
Darüber hinaus zeigt jedes Navigationsgerät in einem Auto, wie fehlbar ein GPS-gesteuertes System sein kann. Es kann sich manchmal um mehrere Kilometer vertun. In einer Großstadt wäre ein derartiger Rechenfehler an einer Fußfessel katastrophal.
Daneben ist die Datensicherheit der Fußfessel keineswegs gewährleistet. Wie zahlreiche Fälle in den USA belegen, wurden dort ganz gezielt die genauen Adressen der Fußfesselträger den Medien zugespielt, damit diese eine öffentliche Kampagne gegen den Täter lostreten konnten. Dieses Kesseltreiben gilt es zu vermeiden.
Das alles spricht gegen die Einführung der Fußfessel, die der Justizminister, sicherlich auch aus finanziellen Erwägungen heraus, präferiert. Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung ist ihm, wie vielen seiner Justizministerkollegen schlichtweg zu teuer.
Aber: unabhängig davon, wie wir ideologisch zur Fußfessel stehen, ob man sie ablehnt oder befürwortet, wir müssen sie zunächst auf ihre Tauglichkeit testen. Die ersten Versuche in Hessen sind dazu nicht aussagekräftig, schließlich ging es dort nicht um Schwerverbrecher. Die Justizminister sollten darum erst einmal die Ergebnisse eines Feldversuchs unter Alltagsbedingungen abwarten, bevor sie gesetzliche Regelungen auf den Weg bringen.

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