Tale · Flemming Meyer · 16.09.2011 Streikrecht neu gestalten

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen in den Jahren 2008 und 2009 festgestellt, dass das Streikrecht nicht für den öffentlichen Dienst insgesamt eingeschränkt werden dürfe, sondern nur für bestimmte Gruppen. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen Beamten und sonstigen Angestellten des öffentlichen Dienstes unzulässig, da sie häufig dieselbe Arbeit machen, heißt es weiter.

Das Verwaltungsgericht Kassel sieht das genauso und hat kürzlich eine Klage einer Lehrerin in Sachen Streikrecht positiv beschieden. Nur Beamten mit hoheitlichen Aufgaben darf nach Auffassung des Gerichts das Menschenrecht auf Streik verwehrt werden. Allen anderen darf es nicht versagt werden. Das ist auch der Kern des vorliegenden Antrags.

Das Beamtenrecht ist schon lange nicht mehr sakrosankt in Stein gehauen, sondern ist bereits im Zuge der Föderalismusreform gründlich überarbeitet worden. Dieser Prozess ist aber längst nicht abgeschlossen. Dass jetzt über die europäische Ebene diese Modernisierung vorangetrieben wird, ist ausdrücklich zu begrüßen. Das Berufsbeamtentum als Institution ist in Deutschland so tief verwurzelt, dass aus Berlin oder den Bundesländern keine ernsthaften Bestrebungen zu erwarten sind, den Beamtenstatus zu verändern.

Wir sollten uns allerdings nicht auf den Weg der Modernisierung des Beamtenrechts beschränken, sondern bereits vorher tätig werden und mittelfristig Beamte ausschließlich in hoheitlichen Bereichen einsetzen, also die Zahl der Beamten reduzieren. Beamten sollten die Ausnahme bleiben und nicht die Regel. In allen nicht-hoheitlichen Bereichen reichen Angestellte zur Aufgabenerfüllung völlig aus. Der Einwand, dass durch die Schulpflicht der Unterricht gewährleistet werden muss und das ginge nun einmal nur durch ein faktisches Streikverbot der Lehrerinnen und Lehrer, hat bereits das Kassler Gericht verworfen. Lehrkräfte müssen nicht zwangsläufig Beamte sein, was dem Land auch noch enorme Pensionskosten sparen würde.

Der Antrag der Linken enthält konkret auch die Forderung, alle laufenden Disziplinarverfahren gegen die am Bildungsstreik beteiligten Lehrerinnen und Lehrer einzustellen - mit allen damit zusammenhängenden Rechten hinsichtlich möglicher Beförderungen oder der Übernahme von Leitungspositionen.

Bei aller Sympathie für diese Perspektive wird die Aufforderung ins Leere laufen, wenn nicht Vorab geklärt ist, wie weiter mit dem Kasseler Urteil verfahren wird. Denn fest steht, dass der Beamtenbund kein Interesse daran hat, dass die Grenzen zwischen Angestellten und Beamten weiter verwischt werden. Dort verweist man interessanter Weise darauf, dass laut Bundesverfassungsgericht die Menschenrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung wie ein einfaches Gesetz zu behandeln sei und damit unter der Ebene der Verfassung stehe.

Dennoch steht für den SSW fest, dass die hier in diesem Hause vorgetragene Meinung des Bildungsministeriums zum Streikrecht verbeamteter Lehrkräfte nicht einfach stehen bleiben kann. Diese Position ist längst nicht mehr in Beton gegossen. Das ist der entscheidende Punkt.

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