Tale · Flemming Meyer · 12.12.1996 Vereinfachung des Mietrechts

In Deutschland lebt die überwiegende Anzahl der Bürger in Mietwohnungen. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, daß man im Laufe der Zeit oftmals mit Geschichten konfrontiert wird, die vom Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern handeln und die bisweilen unglaublich sind. Das fängt oft schon bei der Anbahnung von Mietverhältnissen an. Dort, wo nicht viel Mietraum zur Verfügung steht, müssen sich potentielle Mieter bisweilen viel gefallen lassen. Da geschehen dann Dinge, wie im Fall meiner Mitarbeiterin, die mit einer Studienkollegin zusammenziehen wollte. „Mit zwei Frauen ist das ja so eine Sache,“ sagte der Vermieter. „Entweder haben die dann immer Männerbesuch, und wir sind ja schließlich ein ruhiges Haus - oder die sind „andersrum“ - und wir sind ja schließlich ein anständiges Haus.“ Soweit der Vermieter. Wenn man aus dem Staunen manchmal gar nicht herauskommt und wenn man sich öfter einmal fragt, wie das denn eigentlich möglich sein kann, gibt es hierauf sicherlich mehrere Antworten.

Eine der Ursachen dafür, daß wir uns immer wieder wundern müssen, ist aber mit Sicherheit die, daß das Mietrecht für die meisten von uns ein Urwald voller Vorschriften ist, in dem man sich in aller Regel zwischen den Paragraphen verläuft.
Selbst Mietrechtsexperten stöhnen über die Zeit, die sie brauchen, bis sie einzelne der Vorschriften überhaupt begriffen haben. Es kann also keine einfache Materie sein. Wenn sich die Fachleute schon schwer tun, wie soll sich dann der Bürger noch zurecht finden?

Der SSW hat sich in der Vergangenheit häufig über Ausdrucksformen innerhalb der deutschen Regelwerke beklagt. Uns leuchtet in vielen Zusammenhängen nicht ein, weshalb Regelungen in eine für die Allgemeinheit so schwer verständliche Sprache verpackt werden, wenn man es doch auch einfacher ausdrücken könnte. Unserer Auffassung nach sollte es im Grunde genommen eine der vornehmsten Zielsetzungen des Gesetzgebers sein, Vorschriften so zu formulieren, daß derjenige, der sich mit einer Regelung auseinandersetzen muß, in die Lage versetzt wird, diese auch zu verstehen.

Im Rahmen der Modernisierung der Verwaltung ist man deshalb unter anderem bestrebt, geltende Regelungen von Sprachungetümen zu befreien. Das macht es nicht nur den Bürgern, sondern auch den Angestellten und Beamten innerhalb der Verwaltungen leichter. Der Arbeitsaufwand wird mit klaren, einfach verständlichen Formulierungen geringer. Dagegen kann niemand von uns etwas einzuwenden haben.

In Schleswig-Holstein haben wir außerdem das Problem einer überlasteten Justiz. Es wäre in diesem Zusammenhang vorstellbar, daß sich auch im gerichtlichen Bereich vieles einfacher und unkomplizierter regeln ließe, wenn die Bürger ihre Belange nicht ständig delegieren müßten, sondern verstehen könnten, worin ihr Problem besteht. Hierin besteht ja häufig bereits ihre Schwierigkeit. Wenn sie die Möglichkeit erhielten, zu durchschauen, was im Einzelfall Sache ist, dann bräuchten sie vielleicht nicht immer den Rechtsbeistand und möglicherweise ließe sich die Prozeßflut auf diesem Wege eindämmen. Das würde der Justiz in Schleswig-Holstein mit Sicherheit nicht schaden.

Insgesamt kann der SSW eine Vereinfachung des Mietrechts daher nur begrüßen. Es wäre eine gute Sache, wenn wir dahin gelangen würden, daß Paragraphen gekürzt und so formuliert werden würden, daß sie verständlicher wären. Die Vorschrift zum Beispiel, in der es um die Kündigung wegen Eigenbedarfs geht, füllt in der Taschenbuchausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches ganze zwei Seiten. Sicherlich wäre die Allgemeinheit selbst mit solchen Veränderungen, wie sie jetzt diskutiert werden, immer noch weit davon entfernt, sich das Mietrecht mit all seinen Tücken eigenständig zu erschließen. Es ist aber ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung.

Daß gleichzeitig die Ablehnung bestimmter Mietrechtsänderungen durch die Landesregierung im Bundesrat erfolgen sollen, die bereits im Vorfeld benannt werden, halten wir für sinnvoll. Auf diesem Wege können wir der Landesregierung bereits jetzt eine Vorgabe erteilen und müssen uns in der konkreten Situation nicht mit halben Sachen begnügen.

Eine Miete auf Probe halten wir für äußerst unsozial. Darf dem Mieter, der mit zwei Kindern eingezogen ist, am Ende gekündigt werden, weil ein drittes Kind erwartet wird - und das so nicht vereinbart war?
Mieterhöhungen müssen unserer Meinung nach auch dann in Grenzen gehalten werden, wenn der Mieter Wohnung für einen Mietpreis erhalten hat, der weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Er muß zuverlässig wissen, in welchem Rahmen sich Mieterhöhungen bewegen können. Deshalb halten wir einen Wegfall der Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen nicht für vertretbar. Das gleiche gilt für eine Streichung des Mietwucher-Paragraphen. Sie wäre mit fatalen Konsequenzen für Mieter verbunden. Was die Eigenbedarfs-Kündigungsmöglichkeiten betrifft, so treten wir natürlich für die grundsätzliche Möglichkeit der Kündigung durch den Wohnungseigentümer wegen Eigenbedarfs ein. Wir meinen aber nicht, daß eine Erweiterung dieser Möglichkeit über die Belange von Familienmitgliedern des Vermieters hinaus sinnvoll wäre. Dies würde dem Mißbrauch dieser Form der Kündigung Tür und Tor öffnen.
Was die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen angeht, muß man feststellen, daß die Umwandlung an sich bereits wesentlich einfacher geworden ist. Auch in Altbauten ist die Aufteilung in Eigentumswohnungen mittlerweile unproblematisch. Um so mehr stehen wir aber dazu, daß der Kündigungsschutz in diesen Fällen aufrechterhalten werden muß.

Der SSW kann dem Antrag der SPD zur Vereinfachung des Mietrechts inhaltlich deshalb voll und ganz zustimmen.

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