Tale · Lars Harms · 16.07.2015 Vorratsdatenspeicherung: Für Symbolpolitik steht der SSW nicht zur Verfügung

Lars Harms zu TOP 14 - Gesetzentwurf zur Aufhebung der Ermächtigung zum Abruf von Vorratsdaten

Lassen Sie mich eines klar stellen, auch wenn daran eigentlich kein Zweifel mehr bestehen sollte: Der SSW lehnt eine anlasslose, massenhafte Vorratsdatenspeicherung in Deutschland konsequent ab. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das ist Beschlusslage unserer Koalition, und das haben wir  auch – mit Ausnahme der CDU - gemeinsam hier im hohen Hause beschlossen.

Aus Sicht des SSW sollen Telefonanbieter Bestands- und Verkehrsdaten nur in Art, Umfang und Dauer speichern dürfen, wie dies für die Kundenverwaltung, Rechnungsstellung und eventuelle Reklamationen nötig ist. Und selbstverständlich soll unsere Polizei auch weiterhin die Möglichkeit haben, diese Daten abzurufen, wenn hierdurch im Einzelfall eine konkrete Gefahr für Leib und Leben abgewendet werden kann. 

Die auf Bundesebene geplante Vorratsdatenspeicherung geht auch uns deutlich zu weit. Gleichwohl sollten wir uns nichts vormachen: Sie wird kommen. 

Bei der vorgeschlagenen Änderung zum Landesverwaltungsgesetz ist es wichtig,

zwischen zwei wesentlichen Sachverhalten zu unterscheiden: Nämlich der Strafverfolgung einerseits und der Abwehr von Gefahr für Leib und Leben andererseits. 

In Sachen Strafverfolgung gibt es für uns keinen Zweifel. Die anlasslose Speicherung der Verkehrsdaten von Millionen von Menschen aus der bloßen Vermutung heraus, der eine oder andere könnte zukünftig einmal kriminell werden, ist ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Menschen und durch nichts zu rechtfertigen. 

Die Erhebung und der Abruf zu diesem Zweck gehört deshalb untersagt, wenn wir uns weiterhin eine Gesellschaft wünschen, die auf Vertrauen statt auf Misstrauen basiert. Und hier kann ich zumindest für den SSW klar sagen: Das tun wir. 

Doch was ist mit der Gefahrenabwehr – und nur um die geht es ja bei der angesprochenen Regelung im Landesverwaltungsgesetz. 

Wollen wir wirklich unseren eigenen Polizeibehörden den Zugriff auf Daten verwehren, die nach dann geltender Rechtslage erhoben werden, wenn es darum geht, ein Menschenleben zu retten? 

Ich meine. Nein! 

Ich möchte nicht einer Mutter gegenüber stehen, dessen Tochter unter Androhung des Suizids verschwunden ist, und ihr sagen müssen: „Sorry. Wir hätten da evtl. eine Möglichkeit herauszufinden, wo sie sich aufhält, aber wir haben beschlossen, diese Möglichkeiten nicht zu nutzen.“ Das ist ein Punkt, wo ich lieber sage: „Sorry, Herr Breyer. Aber wenn diese Möglichkeit besteht, ob wir nun wollen oder nicht, dann sollten wir nicht ausschließen, diese im Einzelfall bei gegebener Unerlässlichkeit auch zu nutzen.“ Denn sollte eine eingeschränkte Art der Vorratsdatenspeicherung tatsächlich Rechtens sein, kann man eigentlich in Falle der Gefahrenabwehr nicht auf das Nutzen dieser Daten verzichten. Denn auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit – auf Leben - ist ein Grundrecht, das es abzuwägen gilt. Und genau an diesem Grundsatz, dass Grundrechte miteinander abgewogen werden müssen, hangeln Sie sich bewusst vorbei. So funktioniert das aber nicht in unserem Rechtssystem. Insofern ist ihr Antrag in der Sache für uns nicht zustimmungsfähig. 

Doch auch formal gesehen macht es wenig Sinn, an Gesetzesverweisen herumzudoktern, die noch auf dem OP-Tisch liegen. Der in ihrem Antrag genannte Paragraf ist in 2010 durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden. Das ist ja gerade auch ein Teil der Beratungen zur Vorratsdatenspeicherung, die wir derzeit führen.  Die Vorratsdatenspeicherung bedarf einer Neuregelung auf Bundesebene, da sie in bisheriger Form verfassungswidrig und daher unzulässig ist. Der genannte Paragraf wird also über kurz oder lang verändert werden müssen. Wenn eine konkrete Neuregelung vorliegt, da bin ich nicht im Zweifel, dass wir uns dann hier im Hause eingehend damit auseinandersetzen werden, ob, wo und in welcher Form eine Anpassung unseres derzeitigen Landesrechts zu erfolgen hat.  

Die Piraten wollen nun den zweiten Schritt vor dem ersten machen. 

Erst einmal muss der § 113 a Telekommunikationsgesetz geändert werden und dann kann man sich ansehen, ob der Verweis darauf in dieser Form noch Gültigkeit haben soll oder nicht. Sie wollen hier noch einmal Symbolpolitik machen, um ihre ablehnende Haltung gegenüber der Vorratsdatenspeicherung herauszustellen. Für Symbolpolitik steht der SSW aber nicht zur Verfügung. Wir arbeiten hier sauber. Erst sollten wir sehen, was im künftigen Telekommunikationsgesetz steht und dann können wir entscheiden, ob bei uns Änderungen notwendig sind.

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: <link http: www.landtag.ltsh.de aktuell mediathek index.html _blank external-link-new-window>www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html

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