Tale · Lars Harms · 12.10.2017 Wer arm ist, muss umziehen - das ist nicht akzeptabel

Lars Harms zu TOP 22 - Bezahlbarer Wohnraum

„Wir brauchen bezahlbaren, guten Wohnraum für alle Mieterinnen und Mieter in Schleswig-Holstein.“

Die aktuellen Zahlen für den Kreis Schleswig-Flensburg zeigen in Sachen Wohnraumkosten nur eine Richtung: nach oben. Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Schleswig-Flensburg hat über 3.400 Immobilien-Kaufverträge aus dem letzten Jahr erfasst und ausgewertet. Immer mehr Familien legen sich demnach im Kreis ein Eigenheim zu, was zum Preisanstieg der Immobilien führt. Da sich die Quadratmeterpreise für Bauland jedes Jahr kräftig erhöhen, ist die Anzahl der gehandelten Baugrundstücke mit -7% leicht rückläufig. Im Vergleich: 2015 verzeichnete der Bericht einen Zuwachs von 35% bei den Grundstücken. Diese Situation in Landkreis Schleswig-Flensburg ist so oder so ähnlich im ganzen Land zu beobachten. Die niedrigen Bankzinsen scheuchen die Menschen geradezu ins Wohnungseigentum. 

Was dabei raus kommt, nennt der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen Donut-Dörfer: In der Dorfmitte zerfallen die Strukturen und außen drum wuchert ein Ring aus Einfamilienhäusern. Die Landesregierung scheint das ganz prima zu finden. Verdichteter Geschosswohnungsbau, der die Landschaft schont und darüber hinaus bezahlbare Wohnungen schafft, ist ihre Sache nicht. Sollte die Landesplanung sich wirklich aus diesem Bereich zurückziehen, drohen uns lauter verödete Autofahrerdörfer. Dort kann niemand mehr zurechtkommen, der keinen fahrbaren Untersatz sein Eigen nennt. 

Eigene Planung mag Bürgermeister froh machen, zerstört aber langfristig den ländlichen Raum, weil er einen ruinösen Wettbewerb zwischen den Dörfern um gut verdienende Häuslebauer ankurbelt. In die Röhre schauen dann alle, die nicht so gut bei Kasse sind. Das betrifft in galoppierender Weise Rentnerinnen und Rentner, die es schon jetzt in die Stadt zieht, weil es auf dem Land keinen adäquaten Wohnraum gibt. Fast 40.000 von ihnen sind auf Hartz IV angewiesen und stehen auf dem Wohnungsmarkt ganz hinten an. Dabei benötigen sie oftmals auch noch besondere Wohnungen, die barrierefrei sind oder einen altersgerechten Zugang haben. Ganz schlechte Karten also.

Wer arm ist, muss umziehen. Arme Menschen ohne finanzielles Polster konkurrieren mit Studenten und Feriengästen um knappen Wohnraum in den Städten. Die neue Landesregierung verschärft dieses Problem, wenn sie ausschließlich den Städten, die sowieso chronisch unterfinanziert sind, die Last des sozialen Wohnungsbaus aufbürdet. Die reichen Gemeinden im Speckgürtel sollen schalten und walten können, wie sie wollen, auch zu Lasten der Allgemeinheit. Das ist der falsche Weg. Wir wollen keine weitere soziale Entmischung. 

Schleswig-Holstein muss alle Regionen im Auge haben und ihnen Entwicklungschancen einräumen. Das gleiche gilt für unsere Städte, die immer mehr zu einem Tummelfeld von Spekulanten werden. Wir brauchen eine gemeindeübergreifende Planung, die gute Anreize schafft, aber auch klare Rahmenbedingungen vorlegt. Interessenausgleich funktioniert nur, wenn die Kommunen miteinander reden. Der Breitbandausbau zeigt doch, wie das geht. Die Nachbarn müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln, von der alle profitieren können. Ich würde mir wünschen, wenn gerade auch kleine Gemeinden genossenschaftlichem Bauen eine Chance geben würden, indem sie gemeinsam entsprechende Strukturen schaffen; entsprechende Beratung und Begleitung aus dem Innenministerium natürlich vorausgesetzt. Die ehrenamtlichen Strukturen der kleinen Gemeinden geraten bei solchen Vorhaben aber an ihre Grenzen. Sie können es schlichtweg nicht aus Bordmitteln leisten; aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.

Die Landesplanung muss steuern. Ansonsten übernimmt der Markt. Das wird die Wohnungsnot weiter verschärfen. Steuernd einzugreifen, ist nicht immer angenehm, aber nur so erhalten auch die unteren Einkommensgruppen den Zugang zu guten Wohnungen. Denn bei aller Diskussion dürfen wir nicht vergessen, dass auch ein unrenovierter Altbau unter die Kategorie bezahlbarer Wohnraum fällt. Was aber unser Ziel sein wollte, ist bezahlbarer, guter Wohnraum für alle Mieterinnen und Mieter in Schleswig-Holstein.

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