Rede · Christian Dirschauer · 21.02.2024 Wir brauchen ein viel höheres Maß an Wertschätzung für die Pflegeberufe

„Genauere Prognosen und Bedarfsermittlungen sind wichtig – aber dadurch allein werden wir das Fachkräfteproblem kaum lösen“

Christian Dirschauer zu TOP 11 - Landesbericht zur Entwicklung der Gesundheitsberufe in Schleswig-Holstein (Drs. 20/1779)

Mit etwas Wohlwollen kann ich für den SSW sagen, dass wir beide vorliegenden Anträge unterstützen können. Denn beide verfolgen das Ziel, dem Fachkräftemangel in so wichtigen Bereichen wie der Pflege oder in Therapie- und medizinischen Berufen möglichst planvoll und strategisch zu begegnen. Dagegen kann man natürlich nichts einwenden. Die SPD beantragt zu diesem Zweck einen turnusmäßigen Bericht, der die wesentlichen Kennzahlen zum Ausbildung- und Fachkräftebedarf enthält und diese ins Verhältnis zur demografischen Entwicklung setzt. Die Koalition verweist dagegen auf den im letzten Sommer ins Leben gerufenen Pakt für Gesundheits- und Pflegeberufe. Auf diesen hat man sich bekanntlich schon im Koalitionsvertrag verständigt und das damit verbundene Ziel ausgerufen, zur Bearbeitung von Problemen der Gesundheits- und Pflegeberufe inter- und transdisziplinär zusammenarbeiten zu wollen. Über die Ergebnisse des Pakts soll dann regelmäßig im Sozialausschuss berichtet werden. 

Wenn auch nicht bahnbrechend, können beide Ansätze aber zumindest dabei helfen, den künftigen Bedarf an Ausbildungskapazitäten und Fachkräften genauer zu ermitteln. Man kann zumindest hoffen, dass damit die zukünftige Nachfrage nach Gesundheitsleistungen besser in Einklang mit der hierfür erforderlichen Fachkräftebasis gebracht werden kann. Das gilt allerdings in erster Linie für die Theorie. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt deutlich, dass nicht nur der Gewinn von Fachkräften, sondern auch ihre erfolgreiche Aus- und Weiterbildung und ihr Verbleib im jeweiligen Beruf von verschiedensten Faktoren abhängen. Hierzu zählen vermeintlich banale Dinge wie eine familienfreundliche Infrastruktur oder geeigneter, bezahlbarer Wohnraum. Oder ein gewisses Maß an Flexibilität, wenn es um Arbeitszeiten und Dienstpläne geht. Und natürlich spielen auch ganz grundlegende Rahmenbedingungen und nicht zuletzt eine angemessene Bezahlung eine wichtige Rolle. 

Obwohl beide Anträge also ihre Berechtigung haben, bewegen sie sich in sehr engen Grenzen. Denn genauere Prognosen und Bedarfsermittlungen sind wichtig. Aber dadurch allein werden wir das Fachkräfteproblem kaum lösen. Und weil der Mangel an Personal im Pflege- und Gesundheitsbereich nun mal nicht irgendwann zum Problem wird, sondern längst akut ist, brauchen wir aus Sicht des SSW weitreichendere und viel konkretere Maßnahmen. Wir müssen hier zum Beispiel endlich für attraktivere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sorgen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass in diesen Berufen auskömmliche Löhne gezahlt werden. Und wir brauchen vor allem auch ein ganz anderes Maß an Wertschätzung für all diejenigen, die in Therapie- oder medizinischen Assistenzberufen, in der Pflege, im Rettungsdienst oder als Hebammen arbeiten. 

Obwohl wir vom SSW wirklich fast ausnahmslos jeden Vorstoß begrüßen, der die Situation im Pflege- und Gesundheitsbereich in den Blick nimmt, muss ich hier einen grundsätzlichen und sehr wichtigen Kritikpunkt anbringen. Egal ob Ursprungs- oder Alternativantrag: Die Perspektive der pflegenden Angehörigen fehlt in beiden komplett. Wenn der Anspruch ist, wirklich alle zu involvieren, die an der Pflege beteiligt sind, dann muss doch die häusliche Pflege unbedingt dabei sein! Es sind doch die Angehörigen, die seit Jahren den Mangel an Fachkräften auffangen und den Kollaps des Pflegesystems verhindern. Gleichzeitig wissen wir doch alle, dass diese Gruppe weder ausreichend gehört noch unterstützt wird. Wenn wir die Probleme in der Pflege aber wirklich interdisziplinär angehen und die Pflege wirklich zukunftsfest aufstellen wollen, müssen wir alle an einen Tisch holen. Professionell Pflegende, Therapeuten, Ehrenamt und eben auch die häuslich Pflegenden. 

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