Tale · Jette Waldinger-Thiering · 22.09.2021 Wir müssen allen jungen Menschen eine berufliche Perspektive geben

„Aus meiner Sicht gibt es kaum eine wichtigere Aufgabe, als Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Perspektive für die Aufnahme einer Ausbildung zu geben. Für den SSW steht fest, dass gerade junge Leute eine echte Chance auf ein selbstbestimmtes Leben, auf gute Bildung und ein selbsterzieltes Einkommen brauchen.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 45 - Jugendberufsagenturen (Drs. 19/2623 (neu) und 19/2811)

Auch wenn der vorliegende Bericht nicht mehr ganz druckfrisch ist, bleibt die zentrale Botschaft natürlich bestehen: In den 5 Jahren seit ihrer Einführung bei uns im Land haben die Jugendberufsagenturen längst ihren Wert unter Beweis gestellt. Die organisatorische Zusammenführung der Agenturen für Arbeit, der Jobcenter, der Jugendämter und der Schulen ist zielführend. Diese enge Vernetzung und Zusammenarbeit der relevanten Akteure hilft dabei, mehr junge Menschen zu erreichen und sie vor Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu bewahren. Das zeigt nicht nur der Blick in Stadtstaaten wie Hamburg, die hier eine längere Tradition haben, sondern wird auch bei uns zunehmend deutlich. 

Aus meiner Sicht gibt es kaum eine wichtigere Aufgabe, als Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Perspektive für die Aufnahme einer Ausbildung zu geben. Für den SSW steht fest, dass gerade junge Leute eine echte Chance auf ein selbstbestimmtes Leben, auf gute Bildung und ein selbsterzieltes Einkommen brauchen. Und der vorliegende Bericht zeigt: Dabei macht die vertrauensvolle, fallbezogene Zusammenarbeit im Rahmen einer Jugendberufsagentur oftmals den entscheidenden Unterschied. Denn hier übernehmen die verschiedenen Akteure gemeinsam Verantwortung, statt sie sich im Zweifel gegenseitig zuzuschieben. Diese Kultur wollen wir vom SSW unbedingt weiter voranbringen. 

Wie wir wissen, hat sich die Zahl der Jugendberufsagenturen seit der letzten Debatte zum Thema im Jahr 2017 nahezu verdoppelt. Mittlerweile gibt es sie in 10 Kreisen und kreisfreien Städten mit insgesamt 20 Standorten. Diese Entwicklung sehen wir als großen Erfolg, und wir werden auch den weiteren Ausbau dieser Angebote unterstützen. Für uns ist klar, dass wir vielfältige Möglichkeiten brauchen, um möglichst alle jungen Menschen in ihrer Lebenswelt abzuholen und optimal zu fördern. Neben den Jugendberufsagenturen beziehungsweise neben Arbeitsverwaltung, Jugendhilfe und Schulen müssen hier auch Wirtschaft und Kommunen so eng wie möglich zusammenarbeiten. Und zwar bestenfalls flächendeckend. 

Wie wichtig dieser gemeinsame Einsatz ist, zeigt nicht zuletzt die mit über 8 Prozent noch immer viel zu hohe Quote der Schulabbrecher. In meinen Augen ist es ein Riesenproblem, dass jedes Jahr über 1000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Noch dazu stecken viel zu viele junge Leute in der Warteschleife von berufsvorbereitenden Maßnahmen fest. Und wir können davon ausgehen, dass Corona diese Situation nicht gerade entschärft. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Gründe für diese Biografien. Aber die Zahlen zeigen, dass es noch längst nicht gelingt, allen jungen Menschen eine echte Perspektive zu geben. Für den SSW folgt daraus vor allem eins: Wir müssen alle miteinander noch eine Schippe drauflegen, damit noch mehr junge Menschen passgenau beraten und Abbrüche von Schul- oder Ausbildungsgängen verhindert werden.

Auch vor dem Hintergrund der im Bericht erwähnten Evaluation der Jugendberufsagenturen muss ich auf einen Punkt hinweisen: Die Effekte dieser Arbeit mögen schwer messbar sein. Aber unsere Zwischenbilanz fällt überwiegend positiv aus. Doch selbst wenn die Einrichtung von Jugendberufsagenturen in allen Kreisen und kreisfreien Städten gelingt, sind damit längst nicht alle Probleme gelöst. Soll heißen, dass unsere Erwartungen zwar hoch - aber nicht himmelhoch sein dürfen. Allein schon, weil die Ressourcen nun mal stark begrenzt sind. 

Es liegt auf der Hand, dass eine dauerhafte finanzielle Unterstützung entscheidend für den Erfolg und die Etablierung dieser Einrichtungen ist. Deshalb sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir die wertvolle Arbeit der Jugendberufsagenturen langfristig absichern können. Auch deshalb werden wir ihre weitere Entwicklung als Teil des Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung kritisch begleiten. Klar ist, dass uns die knapp 8 Prozent Steigerung bei den neu geschlossenen Ausbildungsverträgen im Vergleich zum Vorjahr nicht reichen können. Dies zeigt, dass es noch viel zu viele junge Menschen ohne Chance auf einen Ausbildungsplatz und eine eigenständige Zukunft gibt. Und das müssen wir dringend ändern.

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