Rääde · Flemming Meyer · 11.07.2007 Änderung des Tariftreuegesetzes


Ich bin froh, dass die Beratungen zu unserem Gesetzentwurf doch noch zu einem für die Beschäftigten und Unternehmen guten Ende geführt haben. Wir sind zwar nicht hoch zufrieden – das wären wir erst, wenn alle unsere Änderungsvorschläge angenommen worden wären – aber wir sind zumindest so zufrieden, wie es die Rahmenbedingungen einer Großen Koalition zulassen. Wiederum auf Initiative des SSW ist es gelungen, für mehr Wettbewerb, fairen Wettbewerb und vernünftige Rahmenbedingungen für die Beschäftigten zu sorgen. Und das ist nach wie vor dringend notwendig. Bevor ich nun auf die neuen Änderungen des Tariftreuegesetzes eingehe, möchte ich aber nochmals in Erinnerung rufen, was wir über den vorliegenden Kompromiss hinaus, beantragt hatten.

Da ist zu allererst die Aufnahme der Dienstleistungen in den Geltungsbereich des Tariftreuegesetzes. Immer mehr Dienstleistungen unterliegen den gleichen Bedingungen wie die Bauwirtschaft oder der ÖPNV. Deshalb ist es notwendig, dass dieser Bereich mit in das Tariftreuegesetz aufgenommen wird. In der Anhörung zum Gesetz hat die Gewerkschaft Verdi noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig dieser Bereich ist und dass wir inzwischen auch hier von Dumpingkonkurrenz für unsere Unternehmen sprechen können. Auch die Dienstleistungen sind keine Insel der Glückseligen mehr, sondern sie unterliegen genauso den grenzüberschreitenden Auswirkungen, wie andere Wirtschaftszweige auch. Deshalb können auch hier bei uns auswärtige Dienstleister zu Dumpinglöhnen anbieten, die unsere Unternehmen nicht mitmachen können, weil sie an Tarife gebunden sind. Unsere Unternehmen wollen auch tarifgebunden bleiben, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Wer also die Dienstleistungen aus dem Tariftreuegesetz heraushält, der schwächt auch die Tarifautonomie in dieser Branche.

Das Thema Dienstleistungen hat aber noch eine weitere Facette. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen lässt seit knapp anderthalb Jahren zu, Bauleistungen als Teil von Dienstleistungen zu definieren, sofern sie den geringeren Anteil eines Gesamtauftrages ausmachen. Wird also unter Regie eines Unternehmens sowohl gebaut als auch das gebaute Objekt vermietet oder verpachtet und darüber hinaus betreut, dann muss man eine langfristige Rechnung aufstellen. Betrachtet man die Einnahmen und Ausgaben eines solchen Projektes langfristig – über mehrere Jahrzehnte – würden die Bauleistungen den geringeren Teil der Gesamtmaßnahme ausmachen. Und schwupp, schon braucht man bei den Bauleistungen nicht mehr die Tariftreue anwenden. Dieses Problem wird auch von vielen anderen gesehen und wir wollten hier eine Gesetzeslücke rechtzeitig schließen. Leider konnten wir die anderen Kollegen noch nicht davon überzeugen. Wahrscheinlich muss erst ein Unternehmer bei einem Großprojekt diesen Trick bei uns anwenden, damit wir handeln. Wir hätten gerne schlimmeres schon vorher verhindert.

Wir haben außerdem noch vorgeschlagen, dass wir den repräsentativen Tarifvertrag als maßgeblich festschreiben - also den Tarifvertrag, der für die meisten Beschäftigten vor Ort angewendet wird. Hintergrund ist, dass wir wollen, dass die Tarifautonomie gestärkt wird. Wir wollen nicht, dass man sich nach und nach aus den Tarifverträgen verabschiedet. Die Aufnahme des repräsentativen Tarifvertrages hätte dazu geführt, dass wir eine Tendenz zu Flächentarifverträgen unterstützt hätten, die sicher auch zu einer wettbewerblichen Vergleichbarkeit innerhalb einer jeweiligen Branche in Schleswig-Holstein geführt hätte. Wir wissen alle, dass es zum Beispiel in der Bauwirtschaft durchaus verschiedene Tarifverträge auf engstem Raum in unserem Land gibt und dass die bisherige Formulierung, dass der am „Ort der Leistungserbringung“ geltende Tarif zu zahlen ist, bisher im Prinzip alle Tarife umfasst hat – auch die niedrigen. Mit der Einführung des repräsentativen Tarifvertrages könnte langfristig eine Abwärtsspirale aufgehalten werden, die so sicherlich von uns allen nicht gewollt ist. Auch hier hätten wir lieber gehandelt, als zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Die Ideallösung kommt aber nicht, sondern die Große Koalition hat sich auch hier auf einen Kompromiss geeinigt. Es sollen jetzt nicht mehr die allgemein vor Ort gültigen Lohn- und Gehaltstarife gelten. Sondern es soll nur noch „ein“ Tarif gelten, der vor Ort für ein bestimmtes Gewerbe angewendet wird. Damit hat man zwar positiverweise die Bindung an das jeweilige Gewerbe noch verstärkt, obwohl dies in der Praxis nie umstritten war, aber man hat leider eben auch festgelegt, dass jeder Tarif gelten kann, wenn nur nachgewiesen werden kann, dass er vor Ort gezahlt wird. Das ist – freundlich formuliert – nur noch die zweitbeste Lösung. Das ist besser als nichts, aber wesentlich schlechter als das, was wir vorgeschlagen haben. Ein Kompromiss, eben.
Wir werden sehr genau beobachten müssen, wie sich diese neue Regelung in der Praxis auswirkt. Wenn sie dazu führt, dass die Tarife auf niedrigstes Niveau purzeln, dann müssen wir diese Neuregelung wieder abändern.

In unserem Ursprungs-Gesetzentwurf haben wir auch beantragt, die zeitliche Begrenzung des Gesetzes völlig aufzuheben. Wir haben in den vergangenen mehr als 4 Jahren feststellen können, dass das Gesetz wirkt und nicht zu spürbaren Mehrkosten führt. Als Land haben wir sogar das Gegenteil erleben können. Trotz Tariftreue sind die Vergaben im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs für uns als Land preiswerter denn je gewesen. Eine Vielzahl von Kommunen hat das Gesetz freiwillig angewandt, weil sie ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die vor Ort Steuern zahlen, im Blick haben. Und natürlich auch, weil sie die Steuereinnahmen durch fest beschäftigte Arbeitnehmer in ihrer Kommune und Region im Auge haben. Wirtschaftlich gesehen, ist die Tariftreue ein Erfolg und wird auch von den Unternehmen mit getragen. Selbst die bisher kritischen Vertreter der Busunternehmen – egal ob öffentliche oder private – haben uns zur Tariftreue aufgefordert. Die Bauunternehmer haben dies schon früher getan und sich ebenfalls für den Erhalt des Gesetzes eingesetzt.

Alle haben gute Erfahrungen mit dem Tariftreuegesetz gemacht: Das Land, die Kreise und Kommunen, die Unternehmen, die Beschäftigten und die Gewerkschaften. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich nur logisch, die einzige zeitliche Begrenzung, die in einem Landesgesetz verankert ist, aufzuheben. Zumal ein Landtag natürlich jederzeit wieder ein Gesetz beschließen, ändern oder aufheben kann. Deshalb war es für uns auch aus parlamentarischer Sicht klar, dass die Begrenzung weg muss. Man kann ja durchaus weitere Evaluationen vornehmen, wenn man seiner Sache nicht sicher ist. Aber das Gesetz auslaufen zu lassen, wäre unerträglich für die Beschäftigten und die Unternehmen gewesen. Herausgekommen ist in dieser Frage allerdings auch wieder nur ein großkoalitionärer Kompromiss. Das Gesetz läuft nun zum 31.12.2010 aus. Stellen Sie sich deshalb schon einmal darauf ein, dass der SSW wieder am Anfang der neuen Wahlperiode den Antrag stellen wird, die Befristung des Tariftreuegesetzes aufzuheben. Das sind wir den Menschen und Unternehmen im Land schuldig.

Allerdings hat es natürlich für uns nicht nur Kompromisse gegeben, sondern auch einen handfesten Erfolg. Wie wir es 2002 schon vorgeschlagen haben und wie es auch jetzt wieder in unserem Gesetzesentwurf stand, wird nun doch auch der ÖPNV in den Geltungsbereich des Gesetzes übernommen. Auch in den nächsten Jahren wird es immer wieder zu Ausschreibungen und Vergaben im ÖPNV-Bereich kommen und da ist es wirklich ein riesiger Fortschritt, dass wir den Beschäftigten und den Unternehmen hier Wettbewerbschancen geben. Es geht nicht darum, hier einen Markt nach Außen abzuschotten, sondern es geht darum, den Unternehmen, die hier tätig sind, gleiche Startchancen einzuräumen. Wir wollen, dass die beste Qualität und die beste Organisation im Ausschreibungsverfahren siegt.

In diesem Zusammenhang weiß ich durchaus die Kompromissbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD zu schätzen, sich mit unserem Gesetzesentwurf ehrlich auseinander zu setzen. Hier möchte ich mich insbesondere bei den Kollegen Callsen und Arp und auch bei den Kollegen Schröder und Schulze bedanken. Wer sich nämlich die Bedenken, die mancher Kollege in der ersten Lesung unseres Gesetzesentwurfes ausgesprochen hat, ansieht, der kann ermessen, dass die Hürde für eine Einigung doch recht hoch war. Inzwischen sind aber viele Fragen auch geklärt.

So konnte inzwischen für alle geklärt werden, dass das Konnexitätsprinzip eben nicht für die Anwendung der Tariftreue im kommunalen Bereich gilt. Die öffentlichen Aufgabenträger können, müssen aber nicht das Gesetz anwenden. So war es schon im bisherigen Gesetz geregelt und so wird es auch weiterhin sein. Und damit greift natürlich auch nicht die Konnextität.
Weiter wurden auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hatte schon deutlich gemacht, dass Tariftreue ein rechtskonformes Instrument ist. Aber nun hat es das Bundesverfassungsgericht auch noch einmal endgültig deutlich gemacht: Die Tariftreuegesetze auf Landesebene sind nicht nur verfassungsgemäß, sondern sie entsprechen auch ausdrücklich den politischen Vorgaben auf europäischer Ebene. Und hierbei kann ich mir nicht verkneifen, auch einmal deutlich zu machen, dass die EU-Gesetzgebung häufig sozialer und nachhaltiger angelegt ist, als die bundesdeutsche Rechtsordnung.

Kostensteigerungen in markantem Ausmaß hat es ebenfalls nicht gegeben. In Gegenteil, bei den richtig großen Maßnahmen hat es sich sogar erwiesen, dass trotz der Tariftreue preiswertere und qualitativ hochwertigere Leistungen erbracht wurden als bisher. Gleichzeitig hatten steuerzahlende Unternehmen und Beschäftigte aber auch eine Chance erhalten, am Wettbewerb teilzunehmen und diesen auch zu gewinnen.
Und auch zu einem höheren bürokratischen Aufwand ist es in der Vergangenheit nicht gekommen, wie uns auch von Seiten des Ministeriums versichert wurde. Die Ausschreibung und das Bieten für einen Auftrag ist so komplex, dass die Einforderung der Tariftreue da nun wirklich nicht ins Gewicht fällt.

Alles in allem hätten wir uns natürlich lieber ein noch umfassenderes Tariftreuegesetz gewünscht, das dann auch die Anregungen der Grünen zur Schiffsbereederung mit aufgenommen hätte. Aber ich sehe auch, dass das, was uns heute vorliegt, das Maximum war, was unter den derzeitigen Umständen erreichbar war. Wir freuen uns, dass die eben angesprochenen unklaren Fragestellungen jetzt endgültig geklärt sind und sind froh, dass das Gesetz – wie von uns gefordert - jetzt auch den ÖPNV umfasst und zumindest bis zum 31.12.2010 verlängert worden ist. Hierfür möchte ich nochmals den beteiligten Kolleginnen und Kollegen danken, denn ich weiß schon, dass es in einer solchen Frage nicht selbstverständlich ist, eine Initiative der Opposition aufzugreifen und umzusetzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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