Rääde · Flemming Meyer · 26.01.2006 Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt und in der Eider-Treene-Sorge-Region

Wieder einmal haben wir eine emotionale Debatte um den Vogelschutz auf Eiderstedt bekommen. Der Anlass ist aber eigentlich ein Anlass von dem man meinen sollte, dass er Anlass zur Freude gäbe. Immerhin soll das Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt von 19.800 auf 2.800 Hektar verkleinert werden. Dass hätte eigentlich in der Region Eiderstedt für Jubelbekundungen führen müssen – hat es aber nicht. Vor Ort ist man oft immer noch der Meinung, dass man auf die Meldung eines Vogelschutzgebiets ganz verzichten könne. Diese Sichtweise hat der SSW immer bezweifelt und vor diesem Hintergrund begrüßen wir eine erhebliche Verkleinerung des Schutzgebiets ausdrücklich.

Bei der Ausweisung von Flächen ist es ganz egal, ob man nun für oder gegen staatlichen Naturschutz ist. Ob man Betroffener ist oder nicht. Die Ausweisung eines Vogelschutzgebiets richtet sich nach rein naturschutzfachlichen Kriterien. Und die werden erfüllt werden müssen und anhand dieser Kriterien muss dann auch ausgewiesen werden. Wenn dann ein kleines Schutzgebiet herauskommt, das nicht größer als andere Vogelschutz- und FFH-Gebiete ist, dann kann man als Region zufrieden sein – auch wenn der einzelne Betroffene in diesem Rest-Gebiet natürlich mit Recht Hilfe von der Landesregierung erwarten darf.

Ein Punkt zog sich durch die gesamte Diskussion zu diesem Thema. Die Ausweisung des Vogelschutzgebietes wurde zwar öffentlich diskutiert, aber die Weichen wurden immer wieder durch interne Arbeitsgruppen gestellt. Mit Recht wurde dies in den letzten Jahren gegenüber der alten Landesregierung kritisiert. Aber auch diesmal war dies wieder einmal der Fall, dass man lieber ohne die breite Bevölkerung entscheiden wollte. Das, was die CDU  immer kritisiert hatte, wird jetzt von ihrem Minister genauso gehandhabt. Eine Arbeitsgruppe vor Ort hat unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten, diskutiert und Vorschläge gemacht und man hat sich von Seiten des Umweltministeriums in geschlossenen Runden mit der Arbeitsgruppe abgestimmt.

Die breite Öffentlichkeit ist bis heute nicht von dem Verfahren oder auch nur von dem konkreten Ergebnis der Arbeit offiziell informiert worden. Selbst wir hier im Landtag können heute nur spekulieren, was Grundlage für die Ausweisung des Gebietes ist. Offizielle Papiere liegen mir und liegen der Region Eiderstedt bis heute nicht vor. Deshalb können wir heute auch nur spekulieren, ob die Meldung, so wie sie geplant ist, wirklich rechtlich durchstehen kann.

Dabei ist nicht die Frage entscheidend, ob der grüne Umweltminister Steenblock seinerzeit nur 2.000 Hektar auf Eiderstedt ausweisen wollte, um Konflikte zu umgehen, und er dann sogar erst einmal ganz auf eine Ausweisung verzichtete, um das Problem erst einmal auszusitzen. Ebenfalls egal ist es, ob Eiderstedter Landwirte in der Diskussion über eine großflächige Gebietsausweisung zeitweise durchaus mit 10.000 oder 11.000 Hektar einverstanden gewesen wären. Entscheidend ist einzig und allein, ob wir die Brüsseler Vorschriften so umsetzen, dass wir sie zufrieden stellend erfüllen und keine Strafzahlungen zu erwarten haben.

Geht man noch einmal an den Ausgangspunkt zurück, so kann man einerseits erkennen, wie schwierig die Materie sein kann und wie unsicher auch das heutige vorläufige Ergebnis noch ist. Am 3. April 2003 verschickte die EU-Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert wurde, Vogelschutzgebiete auszuweisen. Auch Schleswig-Holstein sollte hierbei seine Aufgaben erfüllen. Es wurde noch einmal deutlich gemacht, dass Anhang 1-Arten zu schützen sind und dass auch für Zugvögel Schutzflächen ermittelt werden sollten. Im Schreiben wird dann noch einmal deutlich gemacht, welche rechtliche Verpflichtung Schleswig-Holstein hat, Schutzgebiete einzurichten und es wurde auch an Beispielen deutlich gemacht, welche Arten zu schützen sind. Für Eiderstedt wurden die Trauerseeschwalbe als Brutvogel und die Uferschnepfe und der Kiebitz als Zugvögel explizit genannt. An diesen Vogelarten konnte man so ohne weiteres nicht vorbeikommen, das war im Vorwege klar.

Neben dem Aufforderungsschreiben und dessen Inhalt spielte auch die Frage des Ermessensspielraums eine wichtige Rolle in der Diskussion. „Jeder Mitgliedsstaat entscheidet über seine fachlichen Grundlagen und Konzepte nach eigenem Ermessen und wählt die geeignetsten Gebiete nach ornithologischen Kriterien aus.“, das war der Grundsatz der in Rede stand. Hatte man sich einmal für eine Art der Flächenermittlung entschieden, galten nur noch naturschutzfachliche Erwägungen.

Es gibt also nur ein Ermessen, ob oder ob nicht ausgewiesen werden wird; die Größe der auszuweisenden Fläche ergibt sich dann anhand der Kriterien. Dies hat ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004 ganz deutlich dargelegt. Es wurde immer wieder bezweifelt, ob es notwendig sei, beispielsweise die Nonnengans oder den Goldregenpfeifer auf Eiderstedt mit schützen zu müssen, obwohl beide zu schützende Anhang 1-Arten sind. Das Auswahlkonzept der alten Landesregierung wurde immer wieder, mit Recht, hinterfragt. Die Nonnengans kommt zum Beispiel nur deshalb verstärkt im Binnenland vor, weil deren natürliche Gebiete im Vorland nach Beendigung der Vorlandbeweidung für sie als Lebensraum nicht mehr nutzbar sind. Außerdem findet man sie nicht nur auf Eiderstedt. Andererseits ist Eiderstedt das Gebiet mit der zweitgrößten Goldregenpfeiferdichte nach dem Wattenmeer. Will man also den Goldregenpfeifer, der als Brutvogel bei uns schon ausgestorben ist und nur noch als Zugvogel vorhanden ist, erleben, so muss man nach Eiderstedt fahren. Das Auswahlkonzept der ehemaligen Landesregierung war also zwiespältig; aber auf jeden Fall hätte man hier auch mehr eingrenzende Kriterien nutzen können, ohne dass eine Anmeldung zu klein geworden wäre.

Nun haben wir eine sehr kleine Fläche, die angemeldet werden soll und haben das gleiche Problem wieder – nur mit anderem Vorzeichen. Die Frage, ob der Goldregenpfeifer doch noch berücksichtigt werden muss, ist dabei noch das geringste Problem. In einer Pressemitteilung des Umweltministers vom 18. Januar, in der die Ausweisung für Flächen zum Trauerseeschwalbenschutz als unumgänglich bezeichnet werden, steht zu lesen: „Andere Wiesenvögel, wie die Uferschnepfen und der Kiebitz, deren Anmeldung von der EU-Kommission ebenfalls als zu gering angemahnt worden sind, sollen durch die ausgewählte Gebietskulisse mit erfasst werden.“ Das heißt, dass die Trauerseeschwalbe alleiniges Kriterium war und dass die beiden anderen angemahnten Vogelarten so mal eben nebenher mit geschützt werden sollen.

Ob das wirklich bei der EU durchsteht, ist ungewiss. Dann ist da noch zu lesen, dass die geplanten Flächen durch weitere Flächen ergänzt werden sollen. Folgendes Zitat aus der Pressemitteilung: „Dabei handelt es sich um Flächen, die von einzelnen Landwirten ausdrücklich auf freiwilliger Basis zusätzlich benannt worden sind.“ Um es klar zu sagen, die Wünsche von Landwirten, egal ob sie sich ein Gebiet wünschen oder nicht, sind kein naturschutzfachliches Kriterium. Im Gegenteil, genau eine solche Vorgehensweise lehnt die EU ab. Auch hierzu empfehle ich noch einmal das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004.

Wir können also feststellen, dass noch erhebliche Unsicherheiten bestehen, ob dieses Konzept des Umweltministers so durchstehen kann. Das einzige, was wir wissen ist, dass sich die ausschließliche Betrachtung auf die Trauerseeschwalbe, die Uferschnepfe und den Kiebitz beschränken kann, die zusätzliche Berücksichtigung des Goldregenpfeifers zumindest nicht verkehrt wäre und dass die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben von 2003 immer wieder geschrieben hat, dass sie grundsätzlich bei der Gebietsmeldung auf die IBA-Listen Bezug nimmt.

Damit ist der räumliche Bereich, in dem ein Vogelschutzgebiet liegen könnte, ziemlich genau umrissen. Im Norden und Nordwesten von Eiderstedt befindet sich eine rund 10.000 Hektar große IBA-Fläche und innerhalb dieser Fläche ist ein Vogelschutzgebiet auszuweisen, dass die eben genannten Vogelarten schützt. Dabei, auch dass geht aus dem Mahnschreiben der EU-Kommission hervor, muss keinesfalls die gesamte Fläche ausgewiesen werden, sondern nur der Teil der dafür notwendig ist, damit die am geeignetsten Gebiete hierfür ausgewiesen werden. Ob dieses Kriterium mit 2.700 Hektar erfüllt wird, ist noch nachzuweisen. Deshalb stehen wir als SSW auch weiterhin dazu, dass sowohl der einzelne Betroffene als auch die Umweltverbände eine Klagemöglichkeit eingeräumt bekommen müssen, damit die Flächenausweisung gegebenenfalls noch überprüft werden kann.

Losgelöst von der Diskussion um die Größe der Flächen, die ausgewiesen werden sollen, stellen sich aber noch andere Fragen. Zuallererst, wissen wir noch immer nicht, welchen Schutzstatus die zukünftigen Vogelschutzgebiete erhalten werden. Der Landwirtschaftsminister strebt zwar an, dass ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wird, aber wir alle wissen, dass dies eigentlich nur bei FFH-Gebieten ausreichend ist und bei Vogelschutzgebieten ein höherer Schutzstatus vorgesehen ist. Im Mahnschreiben der EU-Kommission sind nur Naturschutzgebiete, Nationalparks und Biosphärenreservate als angemessene Schutzkategorien genannt. Schon im April 2004 hat der SSW hier im Landtag gefordert, vor Ausweisung der Schutzgebiete verbindlich zu klären, welcher Schutzstatus von der EU in den betroffenen Gebieten verbindlich anerkannt wird und wie dieser Schutzstatus verbindlich umgesetzt werden soll. An dieser Forderung halten wir fest. Bevor das Gebiet ausgewiesen wird, muss man genau wissen, was auf uns und auf die betroffenen Menschen zukommt. Nur die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets anzustreben ist dabei zu wenig.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass geklärt wird, welche privaten Maßnahmen noch rechtlich erlaubt sein werden. Maßnahmen im besonderen öffentlichen Interesse werden auch in Vogelschutzgebieten zukünftig machbar sein. Das heißt, die Infrastrukturmaßnahmen, die geplant sind, werden wohl auch durchgeführt werden können. Schwieriger wird es aber mit Privatinvestitionen sein, da diese im Regelfall ja nicht mit einem besonderen öffentlichen Interesse begründet werden können. Auch hier muss vor Ausweisung des Gebietes Klarheit herrschen, worauf man sich einlässt.

Es wird aber in jedem Fall zu Einkommenseinbußen bei der Landwirtschaft kommen. Deshalb ist es notwendig, dass die Landesregierung Programme auflegt, die das Einkommen der Landwirte ergänzen können und die für zielgerichteten Naturschutz in diesen Regionen sorgt. Auf Eiderstedt sind diese Programme gerade einkassiert worden und nur noch bestehende Maßnahmen werden derzeit aus den alten Programmen unterstützt. Wir brauchen aber für die betroffenen Betriebe Planungssicherheit und wir müssen ohnehin Maßnahmen einleiten, die dazu dienen den Schutzzweck in den Vogelschutzgebieten zu erfüllen. Deshalb nützt es nichts, wie bisher den Kopf in den Sand zu stecken, sondern die Landesregierung muss hier schnellstmöglich den Betroffenen zur Seite springen und finanziell attraktive Programme auflegen.

Sollte auch das nicht ausreichend sein, gibt es für einzelne Betriebe nur noch einen Weg: sie müssen dann aus dem Vogelschutzgebiet herausgenommen werden. Es ist also auch die Vorbereitung eines Flurbereinigungsverfahrens dringend notwendig, damit Betriebe aussiedeln können. Damit kombiniert, muss darüber nachgedacht werden, ob die Stiftung Naturschutz und andere hier Flächen zum Zwecke des Naturschutzes aufkaufen können und diese dann beispielsweise als Flächen für extensive Beweidung preisgünstig zurück verpachten können. Der aussiedelnde Landwirt hätte einen Verkaufserlös, der verbleibende Landwirt könnte wirtschaftlich überleben und eine Nische besetzen und die Stiftung hätte sichere Einnahmen und eine für den Naturschutz gesicherte Fläche.

Ich glaube, so schön emotional man auch eine Flächendebatte führen kann; es ist auch wichtig jetzt die konkrete Umsetzung von Vogelschutzgebieten zu planen und dabei die Interessen der Menschen vor Ort nicht zu vergessen.

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