Rääde · Flemming Meyer · 11.05.2007 Auswirkungen der Rente mit 67 in Schleswig-Holstein und Umsetzung der „Initiative 50plus“ auf Landesebene

Der Beschluss der Bundesregierung, das Renteneintrittsalter schrittweise bis 2030 auf 67 Jahre zu erhöhen, hat einmal mehr zu starker Kritik an der Großen Koalition in Berlin geführt. Die Gegner kommen bei weitem nicht nur aus der so genannten linken Ecke, rührt doch diese Rentenreform wieder einmal an den sozialpolitischen Grundwerten der Bundesrepublik Deutschland. Einer dieser Grundwerte bestand aus der simplen Annahme, dass wer ordentlich gearbeitet hat und jahrelang in die Rentenkasse eingezahlt hat, sich auch zur rechten Zeit mit einer Rente zur Ruhe setzen kann, von der er auch wirklich Leben kann.

Dabei bestreitet kaum einer, dass unser Rentensystem angesichts des demographischen Wandels und auch wegen des Geburtenrückgangs reformiert werden muss. Was die Bundesregierung allerdings als Erhalt der Rentenversicherung als zentrale Säule der Lebensstandardsicherung im Alter verkauft, ist völlig unzureichend. Ich will das gerne im Einzelnen erläutern. So wird laut Bericht der Landesregierung die Entlastung der Rentenversicherung durch die Einführung der Rente bis 67 mit nur 2 Mrd. Euro zu Buche schlagen. Das ist angesichts von dann im Jahr 2030 weit über 20 Millionen Rentnern eine äußerst bescheidene Entlastung der Rentenversicherungskassen. Dafür sind die Folgen für die Betroffenen leider umso gravierender – insbesondere bei im Arbeitsleben einkommensschwachen Gruppen. 

Darüber hinaus soll laut Bericht das durchschnittliche Rentenniveau – das so genannte Sicherungsniveau vor Steuern – bis 2030 auf 43, 5% des Bruttogehaltes sinken. Dies ist eine glasklare Rentenkürzung seitens der Bundesregierung. Allerdings setzt dieses Rentenniveau sogar voraus, dass man ein lückenlose Beitragseinzahlungsbiografie und somit dauernde Beschäftigung vorweisen kann. Angesichts der heutigen vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse dürften es sehr viele Arbeitnehmer nicht schaffen, 45 Jahre ununterbrochen in Arbeit zu sein und damit das bescheidene Rentensicherungsniveau zu erreichen.

Das gleiche gilt für die Möglichkeiten der Arbeitnehmer, zusätzliche betriebliche und private Vorsorge für die Absicherung im Alter zu nutzen. Zwar hat die Bundesregierung durch die Rentenreform von 2001 zum Beispiel mit der Riesterente bereits für staatliche Anreize für den Auf- und Ausbau einer freiwilligen kapitalgedeckten Altersvorsorge gesorgt. Ob in Schleswig-Holstein flächendeckend mit hohem Kapitalaufwand „geriestert“ wird, weiß die Landesregierung allerdings nicht. Auf Bundesebene sind die zahlen aber erschreckend niedrig. Denn auch für diese zweite Säule der Altersvorsorge gilt, dass es einen großen Teil von Arbeitnehmern gibt, die sich dieses schlicht und einfach nicht leisten können, weil sie nicht genug verdienen. Dies ist eines der zentralen Probleme der heutigen Rentenpolitik und macht sie für große Gruppen der Bevölkerung äußerst unglaubwürdig, weil sie eben doch nicht in den Genuss einer privaten Zusatzrente kommen.

Das heißt, die Formel Grundversorgung durch gesetzliche Rente und Lebensstandarderhalt durch private Rente funktioniert nicht. Die gesetzliche Rente wird auf niedrigstes Niveau zurechtgestutzt und eine zusätzliche private Sicherung können sich nur wenige wirklich leisten. Somit ist die Rentenreform unverantwortlich und in höchstem Maße unsozial.

Der SSW wollte auch wissen, wie die Landesregierung die Auswirkungen der Erhöhung des Rentenalters für die Beschäftigten in besonders gesundheitsgefährdenden Branchen einschätzt. In vielen körperlich anstrengenden Berufen sind die Menschen doch schon froh, wenn sie überhaupt bis 65 Jahre durchhalten können. Die Landesregierung sieht sehr wohl das Problem und verweist darauf, dass die angestrebte Verlängerung der Erwerbsarbeitsdauer nur dann verwirklicht werden kann, wenn es den Betrieben gelingt, für die Beschäftigen Voraussetzungen zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, gesund das Rentenaltrittsalter zu erreichen. Das mag zwar für einige Branchen möglich sein, aber aus meiner Sicht wird es im Handwerk kaum umsetzbar sein. Wie soll man zum Beispiel die Maurerarbeit so gestalten, dass man bis 67 auf dem Bau arbeiten kann?

Die Erhöhung des Rentenalters verschärft also die vorhandenen Probleme unseres Rentenversicherungssystems und wird dazu führen, dass bei älteren Arbeitslosen noch mehr Beitragszeiten fehlen. Die Erhöhung des Rentenalters baut aber darauf, dass die Unternehmen ältere Arbeitnehmer beschäftigen wollen. Zurzeit sind ca. 1,2 Millionen Personen im Alter von über 50 Jahren arbeitslos und  in naher Zukunft ohne reale Aussichten auf einen Arbeitsplatz. Dass ist ein Skandal und eine katastrophale Verschwendung von menschlichen Ressourcen. Neben dem persönlichen Schicksal der Betroffenen ist dies auch aus volkswirtschaftlicher Sicht eine völlig fatale Entwicklung was man an den beginnenden Facharbeitermangel bereits ersehen kann.  

Auch wenn der Bericht zeigt, dass sich in Schleswig-Holstein die Erwerbsquote der 55- bis 65-jährigen erhöht hat, sind immer noch weit über die Hälfte nicht in Arbeit. Die Bundesregierung will mit der „Initiative 50plus“  die Beschäftigungssituation der Betroffenen verbessern. Sieht man sich die einzelnen Vorschläge dieser Initiative an, die ja im Bericht aufgeführt sind, dann bleiben aber erhebliche Zweifel daran, dass man mit diesen Vorschlägen, ältere Arbeitslose aus dieser neuen Armutsfalle heraus halten kann.

Weder der Kombilohn, der unter den derzeitigen Bedingungen nur zu Mitnahmeeffekten führen wird, noch die Eingliederungszuschüsse sind der Weisheit letzter Schluss. Allenfalls Maßnahmen und Initiativen zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen können die Arbeitnehmer fit für die Zukunft machen. Aber dies wird von den Verantwortlichen völlig verkannt.

Zwar scheint die Landesregierung sich auch darüber im Klaren zu sein, dass die „Initiative 50 plus“ nur zu einem kleinen Teil zur Verbesserung der Beschäftigungssituation der älteren Arbeitnehmer in Deutschland führen kann. Allerdings zeigt sie keine vernünftige Alternativen auf. Im Bericht wird nur deutlich gemacht, dass man womöglich zeitnah weitere Handlungsansätze in Betracht ziehen muss, weil es sonst vielleicht zu einer faktischen Rentenkürzung kommen kann.

Wenn dies so in der Landesregierung gesehen wird, hätte ich mir gewünscht, dass man seinen Einfluss auf seine Parteigenossen in Berlin in dieser wichtigen sozialpolitischen Frage viel stärken deutlich gemacht hätte um die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre zu verhindern. Denn nun hat man das Kind in Brunnen geworfen und scheinbar gibt es noch keine klaren Vorstellungen wie man es denn da wieder raus holen kann. Wenn dazu Bundeswirtschaftsminister Glos jetzt schon laut über die Rente ab 70 nachdenkt, dann zeigt es nur, wie sehr Spitzenpolitiker die Verbindung zur Realität verlieren können.

Anstatt dieses Flickwerks auf Kosten der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner hätte man endlich einmal eine grundlegende Rentenreform durchführen müssen, die jeden Menschen in der Bundesrepublik eine ausreichende Grundrente und nicht nur eine Grundsicherung auf Hartz IV-Niveau garantiert. Dass dies nur mit einer Finanzierung durch Steuern möglich ist, sagt sich von selbst.  Auch fehlen dieser Reform die notwendigen flexibleren Lösungen, die individuell auf die jeweilige Lebens- und Arbeitssituation der älteren Generation eingeht.

Mit der Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahren hat die Große Koalition in Berlin also erneut bewiesen, dass sie das Wort Reform nur als sozialen Rückschritt buchstabieren kann.

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