Rääde · Flemming Meyer · 17.03.2010 Bedarfsgerechte Regelsätze für Erwachsene und Kinder

Im Rahmen der letzten Landtagssitzung haben wir uns bereits mit den Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang Februar beschäftigt. Zwar ist seitdem - und seit der mitunter sehr emotional und sicher nicht ohne Polemik geführten Debatte über unseren Sozialstaat - einige Zeit vergangen. Über die Bedeutung des Urteils kann es meiner Meinung nach trotzdem nicht den geringsten Zweifel geben: Die Regelleistungen für bedürftige Erwachsene und Kinder müssen auf der Basis einer bedarfsorientierten Neuberechnung angehoben werden. Wenn Untersuchungen nun einmal zeigen, dass Kinder aus Hartz IV – Familien aufgrund zu geringer Tagessätze nicht einmal die Chance auf eine ausgewogene Ernährung haben, verbietet sich die „ergebnisoffene“ Diskussion über finanzielle Konsequenzen aus dem Urteil.

Fakt ist, dass das Verfahren zur Regelbedarfsermittlung neu geordnet werden muss. Als Grundlage dieser Berechnung müssen wir – geboten durch das Sozialstaatsprinzip – neben dem physischen Existenzminimum auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe beachten. Dies gilt für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche genau so. Schaut man auf die bisherige Handhabung und Ermittlung der Regelsätze für Kinder, wird die stümperhafte Berechnung der Leistungen leider besonders deutlich. Die unterschiedlichen Entwicklungsphasen und besonderen Bedarfe, zum Beispiel im Bereich der Schulbildung oder der Betreuung, finden bisher einfach keine besondere Berücksichtigung.

Der ungenaue und überhastet erarbeitete Erlass zur Härtefallregelung aus dem Berliner Ministerium macht das Dilemma der Flickschusterei und der Reförmchen ohne Weitsicht wieder einmal deutlich. Vertauschte Verben und andere Formfehler machten das Lesen und das Verstehen fast unmöglich. Die Umsetzung des Erlasses und die Anwendung der Härtefallregelung läuft bisher alles andere als reibungslos. Im Ergebnis müssen nun Menschen mit berechtigtem Anspruch auf solche Leistungen zur Deckung ihrer atypischen Bedarfe auf ihr viel zu geringes Budget zurückgreifen. Existenzielle Bedeutung der beantragten Leistung hin oder her.

Der SSW sieht sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in seinen Forderungen nach einer stärkeren Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen bestätigt. Die Erhöhung der Leistungen als Folge des Urteils ist die einzig mögliche Konsequenz und bedeutet für die nahe Zukunft eine zumindest etwas gerechtere Sozialpolitik. Auch wenn die verlorene Würde von vielen Arbeitssuchenden auch hierdurch nicht zurückgegeben werden kann. Eine wirklich gerechte und nach meiner Meinung dringend nötige Folgerung aus dem Verfassungsgerichtsurteil ist ein Mindestlohn und eine konsequente Entlastung unterer und mittlerer Einkommen von Steuern und Abgaben.

Das Urteil aus Karlsruhe muss schon zu Beginn des kommenden Jahres zu konkreten Änderungen führen. So viel ist klar. Doch auch eine wirklich bedarfsorientierte Neuberechnung und die daraus resultierende Erhöhung der Regelsätze wird das tiefer liegende Problem nicht lösen. Leider werden auch diese Änderungen im Rahmen von Hartz IV nicht mehr sein als eine weitere Reaktion auf steigende Armutszahlen, auf prekäre Lebensverhältnisse und zunehmende soziale Ausgrenzung. Bloße Justierungen an einem offensichtlich kranken System Hartz IV und immer neue Schnellschüsse aus der Defensive heraus genügen aber schon heute nicht mehr. Vor allem die Kinder sind die Leidtragenden dieser verfehlten Politik. Jedes 5. ist von einem konkreten Armutsrisiko bedroht. Die mangelnde Differenzierung zwischen verschiedenen Altersgruppen und den entsprechenden entwicklungsbedingten Bedürfnissen ist ein wichtiger Punkt. Das aber in viel zu vielen Fällen selbst die Absicherung des körperlichen Existenzminimums nicht gewährleistet ist, muss uns allen zu denken geben. Hier muss sich sehr schnell etwas ändern.

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