Rääde · Flemming Meyer · 26.01.2012 Bericht zur Eigenverantwortlichkeit von Schulen

Nicht zufällig trägt das EU-Programm für lebenslanges Lernen den Namen des dänischen Pädagogen Grundtvig; es geht nämlich um die Ertüchtigung des Lernenden, der lernt, sich eigenverantwortlich Wissen anzueignen.
Angesichts der Fülle von Informationen, die ein moderner Erwachsener heute verarbeiten muss, ist derjenige klar im Vorteil, der sich Sortierregeln erarbeitet hat und diese täglich und selbständig anwendet. Das gilt auch für die Schulen. Erst langsam beginnt die traditionell zentralistisch ausgerichtete Schulverwaltung die Vorteile der Eigenverantwortung der Schulen zu erkennen und umzusetzen.
Aber wie so oft bei neuen Trends gilt es auch hier zu unterscheiden, was überflüssiger Schnickschnack ist und was wirklich den Schulen Vorteile bringt. Dem Bildungsausschuss liegt die Stellungnahme des Wissenschaftszentrums Berlin vor, nach der eindeutig gesagt wird, dass ein höherer Grad an Autonomie nicht automatisch positive Ergebnisse nach sich zieht. Wissenschaftliche Vergleiche legen nahe, dass gerade bei der Personalrekrutierung negative Folgen zu erkennen sind. Genaues Hinschauen lohnt sich also!
Der Bildungsminister bleibt allerdings in seinem Bericht eine abgewogene Beurteilung schuldig. Er lobt die neue Eigenverantwortlichkeit, die ja bereits seine Vorgängerin angestoßen hat, über den grünen Klee. Sie sei „wichtig“, lesen wir, „angemessen“ und „besser“. Die damit verbundenen Probleme der Umstrukturierung und Unterstützung werden nicht verschwiegen, aber nur am Rande gestreift, was bei einem Berichtsumfang von 12 Seiten auch nicht weiter verwundert.
Allerdings kann der Landtag vom Bildungsminister mehr erwarten, als die angekündigte Justierung der Schulaufsicht. Wenn es sich lediglich um einen geringe Anpassung handelt, ist es nicht der Rede wert. Wird sich allerdings die Aufgabenstruktur der Schulaufsicht verändern, möchte ich schon gerne wissen, wie das vonstatten gehen wird, in welchem Zeitrahmen und mit welchen Konsequenzen. Wir haben bereits jetzt teilweise große regionale Unterschiede, was beispielsweise die Abbrecherquoten betrifft. In diesem Zusammenhang verwehre ich mich gegen den Begriff der Risikoschüler, den der Minister auf Seite 9 zwar in Anführungszeichen setzt, der aber in einem bildungspolitischen Papier nichts zu suchen hat. Wer Schüler so abschreibt, dem ist zuzutrauen, dass es ihm eigentlich nur um die Leistungsschüler geht.

Die regionalen Unterschiede müssen wir im Auge behalten und da müssen wir gegensteuern. Eine neue Zuständigkeit der Schulaufsicht sehe ich in diesem Bereich überhaupt nicht, im Gegenteil. Das gleiche gilt für die Versorgung mit Lehrkräften der Minderheitensprachen. Es ist jahrlange, falsche Praxis, dass Referendare, die Friesisch in Flensburg studiert haben, nicht automatisch im Sprachgebiet eingesetzt werden. Das ist eine sinnlose Vergeudung an wertvollen und besonders knappen Ressourcen. Die Schulaufsicht fühlt sich nicht zuständig, weiß angeblich nichts von dem Problem und schaut ansonsten tatenlos zu, wie ein Friesisch-Lehrer nach dem anderen in den Ruhestand geht, ohne dass eine Nachfolge in Sicht wäre.
Gerade weil ich die Eigenverantwortung der Schulen als zentrales Ziel der Bildungspolitik einstufe, erscheint es mir wichtig, dass wir genau hinschauen und verhindern, dass über das Vehikel Eigenverantwortung andere Ziele umgesetzt werden.
Ein Blick auf die bisherigen Maßnahmen im Handlungsfeld Pädagogik, Lern- und Unterrichtsorganisation zeigt doch, wohin die Reise gehen soll; und zwar in Richtung Schulartentrennung. Hier ist Eigenverantwortung nur das neue Etikett für das Ende der gemeinsamen Beschulung.
Eigenverantwortung kann Gutes bewirken. Sie kann den Unterrichtsalltag beleben, die Schülerinnen und Schüler motivieren und Schulen die Möglichkeit geben, eigene Stärken und eigenes Profil zu entwickeln.
Dazu bedarf es genauer Zielvorgaben. Das Bildungsministerium muss sagen, was es von den Schulen erwartet; dazu gehören auch genaue Zielgrößen. Und es muss sagen, was es nicht kann: und zwar das Beamtenrecht eigenmächtig auslegen. Bei der überwiegenden Verbeamtung der Lehrkräfte ist also der Spielraum für Eigenverantwortung ziemlich begrenzt.

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