Rääde · Flemming Meyer · 15.08.1996 Bericht zur Unterrichtssituation an den Schulen

Der Bericht zur Unterrichtssituation ist für den SSW nicht besonders ermutigend. Die Einsparpolitik im Bildungsbereich, die in den nächsten Jahren noch weiter um sich greifen soll, tut weh. Wir haben kein Verständnis dafür, daß ausgerechnet der Bildungsbereich für so umfangreiche Einsparungen herhalten muß.

Die Unterrichtsversorgung soll trotz steigender Schülerzahlen auf angemessenem Niveau gehalten werden. Was ist das „angemessenene Niveau“? Mir ist klar, daß dies auf die bereits in der Regierungserklärung angesprochene Erhöhung der Klassenfrequenz hinausläuft. Dafür können wir auf keinen Fall sein. Die Vergrößerung der Klassenfrequenzen steht in einem krassen Mißverhältnis zu den bildungspolitischen Zielsetzungen des SSW. Unser Modell einer ungeteilten Schule, in der Schüler so lange wie möglich gemeinsam unterrichtet werden können, verträgt sich mit großen Klassen nicht. Wir wollen erreichen, daß Hochbegabte mit Minderbegabten, daß Nichtbehinderte mit Behinderten gemeinsam lernen können. Gegen eine Ausgrenzung wenden wir uns ganz entschieden. Die Erfahrung zeigt, daß Kinder dadurch in der Lage sind, viel besser mit ihren Altersgenossen auch im Erwachsenenleben zurecht zu kommen. Das Erlernen sozialen Verhaltens ist für uns eine Hauptzielsetzung, auf die in einer Welt, in der die vielen unterschiedlichen Menschen in Frieden miteinander leben können sollen, nicht verzichtet werden kann. Auch Hochbegabte, die die CDU in der letzten Legislaturperiode in ganz besonderer Weise fördern wollte, sollten nicht ausgegrenzt werden. In einem Klassenverband, in dem die unterschiedlichsten Begabungen repräsentiert sind, lernen auch sie, wie man auf Menschen eingehen kann, die anders veranlagt sind. Das ist eine Erfahrung, die sie isoliert nicht machen können und es ist eine Erfahrung, die sie bestimmt nicht dümmer werden läßt, sondern deren Profit nicht unterschätzt werden darf.

Abgesehen von einem minimalen Rückgang bei Gesamt- und Berufsbildenden Schulen hat sich die Relation von Schülerinnen und Schülern je Stelle erhöht. Dies, obwohl die stundenweise Beschäftigten in dieser Rechnung miteinbezogen worden sind. Das ist ein Anlaß zur Sorge.

Der Anstieg der Klassenfrequenzen in der Grundschule ist beunruhigend. Daß die von Sonderschullehrkräften erteilten Unterrichtsstunden für Ingegrationsmaßnahmen zusätzlich unter Grundschulen ausgewiesen wurden belegt, daß der Anstieg tatsächlich sogar noch höher ist. Besonders in der Grundschule soll ja mit der Integration behinderter und nichtbehinderter Kinder in noch viel entschiedenderem Maße fortgesetzt werden. Der Rückgang der Schülerzahlen an den Sonderschulen, der auf die Ausweitung der integrativen Maßnahmen zurückzuführen ist, ist sehr erfreulich. Eine solche Integration ist aber nicht erfolgsversprechend, wenn man nicht bereit ist, die Klassen so klein zu halten, daß Integration überhaupt noch machbar und für die Lehrer realisierbar ist. Wie soll das praktisch von statten gehen? Mit großen Klassen sind Pädagogen doch überhaupt nicht in der Lage, diese Aufgabe in fruchtbarer Weise zu meistern. Eine Integration kann nur funktionieren, wenn der Lehrer für den einzelnen Schüler mehr Zeit übrig hat. Er muß sich dem Einzelnen umfassender widmen können. Ich bezweifle, daß der im Schulgesetz vorgeschlagene Weg zu mehr Integration sich ohne weiteres bei der Bildung größerer Klassen realisieren läßt. Wenn der Weg zu größeren Klassen beschritten wird, kann eine Integration unserer Auffassung nach erfolgreich nicht stattfinden.

Für bedauerlich halte ich es, daß der Ländervergleich dafür herhalten muß, Klassenfrequenzen als pädagogisch durchaus vertretbar zu bezeichnen. Das muß in der Konsequenz ja heißen, daß eine Anzahl von 40 Schülern in einer Klasse vertretbar ist, wenn sie nur unter dem Länderdurchschnitt liegt oder diesem vergleichbar ist.
Es wird eine Kürzung des Unterrichts von 500 Stellen in Aussicht gestellt. Unter diesen Umständen kann man meiner Auffassung nach nicht von Qualitätssicherung sprechen. Ob der schulartfremde Einsatz von Gymnasiallehrern an Grundschulen sinnvoll ist, möchte ich in diesem Zusammenhang bezweifeln.

Im Angestelltenverhältnis haben mehr Lehrer befristete Verträger erhalten. Warum bauen wir das nicht weiter aus, um den Bedarf zu sichern? Vom Angestelltenstatus für Lehrer hatte der SSW sich vor allem versprochen, daß er zu einer Abdeckung des vorhandenen Bedars führen würde. Schließlich ist jahrelang nach dem Motto - einmal Beamter - immer Beamter aus Angst des Rückgangs der Schülerzahlen niemand eingestellt worden. Der dadurch bedingte Unterrichtsausfall war nicht zu vertreten. Wir fragen uns jetzt natürlich, warum wir die Möglichkeit, Lehrer im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, unterstützt haben. Sie führt offenbar nicht zu mehr Orientierung am aktuellen Bedarf. Der Landesrechnungshof betont in seinem Bericht die Notwendigkeit der Schaffung von 500 zusätzlichen Stellen in den kommenden Jahren. Wenn der Landesrechnungshof außerdem betont, daß sich die Unterrichtsversorgung auf einem niedrigen Stand befindet, dann ist das für mich ein Alarmsignal.

Zum Antrag der CDU Fraktion möchte ich sagen, daß der Landesrechnungshof eine umfassende Kritik übt. Dem Rechnungshof kommt es zum Beispiel darauf an, daß bei der Finanzierung von Modellvorhaben veränderte Maßstäbe angelegt werden. Eine Kritik, die ich übrigens sehr gut nachvollziehen kann. So gesehen werden wir in der kommenden Zeit immer wieder in den Bemerkungen nachschlagen müssen. Was den Bericht zur Unterrichtssituation selbst angeht, erwartet der SSW, daß die durch den Landesrechnungshof geäußerte Kritik bei der Erstellung des nächsten Berichts zur Unterrichtssituation Berücksichtigung findet. Ich halte es für eine zu teure Investition, sofort die Erstellung eines veränderten Berichts zu verlangen. Das ist die Sache wirklich nicht wert. Ich bin deshalb nicht bereit, dem Antrag zuzustimmen.

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