Rääde · Flemming Meyer · 12.10.2006 Dänisches Fernsehen gehört zu Schleswig-Holstein

Stellen Sie sich vor, Sie lesen morgen in der Zeitung, dass Sie in vier Wochen kein ARD, kein ZDF und kein N3 mehr empfangen können. Dann wären Sie vermutlich schwer verärgert. Eben dies war die dänische Minderheit am 19. September. An diesem Tag gab die „Kabel Deutschland GmbH“ bekannt, dass die dänischen Fernsehprogramme DR1 und TV2 nach dem 15. Oktober aus dem Kabelnetz in Schleswig-Holstein entfernt werden – nach Aufforderung der öffentlich-rechtlichen Veranstalter Danmarks Radio und TV2.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen gehört heute zur informationellen Grundversorgung der Menschen. Dies gilt sogar in besonderem Maße für die dänische Bevölkerungsgruppe im Landesteil Schleswig. Das dänische Fernsehen ist eine kulturelle Hauptschlagader, die uns über die dänische Politik und die dänische Gesellschaft informiert; wir erleben aktuelle dänische Kultur und unsere Kinder sehen die dänischen Kindersendungen.  Dies ermöglicht uns einen dänischen Alltag in unserer deutschen Heimat. Dass dies umgekehrt auch für die deutsche Minderheit in Nordschleswig gilt, füge ich ausdrücklich hinzu.

Die Bedeutung des dänischen Fernsehens reicht aber über die dänische Minderheit hinaus. Insgesamt können heute noch rund 300.000 Haushalte in Schleswig-Holstein die dänischen Programme über Kabel empfangen. Viele Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung nutzen dieses Angebot, um sich über unser Nachbarland zu informieren und die dänische Sprache zu erlernen. Das dänische Fernsehen ist so zu einem wichtigen Element der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geworden. Seine Bedeutung ist umso größer, als die Kenntnis der dänischen Sprache und Kultur eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Zusammenwachsen der regionalen Arbeitsmärkte ist.

Leider gibt es zum Kabelfernsehen wenig Alternativen. Durch die Umstellung auf die digitale Verbreitungstechnik DVB-T ist das dänische Fernsehen ab 2009 nur im grenznahen Bereich per Antenne zu empfangen, und dort nicht einmal überall. – Dies ist ein zweites Problem, dem wir uns in naher Zukunft widmen müssen, wenn ein diesbezügliches Gutachten der ULR vorliegt. – Auch das Satellitenfernsehen ist keine Alternative zum Kabel, denn die dänischen Satellitensignale sind verschlüsselt und können nur Mittels einer Codekarte zum Preis von rund 260 Euro pro Jahr entschlüsselt werden. Vor diesem Hintergrund kann der aktuelle Streit zwischen Kabel Deutschland und den dänischen Sendern verheerende Folgen haben.

Auf die komplexen Ursachen des Konflikts kann ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht detailliert eingehen. Nur soviel: Seit 2003 hat keiner von beiden Geld vom anderen gesehen. Die Kabel Deutschland fordert eine kleinere Summe für die Verbreitung der dänischen Programme. Die dänischen Sender wollen eine größere Summe. Sie sind der Ansicht, dass der deutsche Kabelnetzbetreiber sie von urheberrechtlichen Forderungen freihalten muss, die dadurch entstehen, dass eingekaufte Spielfilme, Sportveranstaltungen oder Dokumentationen auch in Deutschland gesehen werden können. Dies wäre aber wesentlich mehr, als Kabel Deutschland für andere ausländische Programme zahlt. Indem sie die Entfernung ihrer Programme aus dem deutschen Netz verlangt haben, haben die dänischen Sender jetzt die Verhandlungen abgebrochen. Damit haben Danmarks Radio und TV2 den Schwarzen Peter an sich gezogen, das ist klar.

Der SSW hat sich deshalb gemeinsam mit der dänischen Kulturorganisation SSF an die dänische Regierung und an dänische Parlamentarier gewandt. Wir haben in kurzer Zeit breite Unterstützung für unser Anliegen gewinnen können. Die dänische Politik hat parteiübergreifend Danmarks Radio und TV2 klar gemacht, dass sie nur eine Einigung mit Kabel Deutschland akzeptieren wird. Der politische und öffentliche Druck hat die dänischen Sender dazu bewegt, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dies ist ein erster Erfolg. Jetzt kommt es darauf an, dass beide Seiten kompromissbreit sind und schnell eine dauerhafte Lösung vereinbaren.

Damit kommt jetzt die Landesregierung ins Spiel, denn auch sie trägt in dieser Sache eine Verantwortung. In der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen hat Deutschland  sich verpflichtet, den freien, direkten Empfang von Fernsehsendungen aus dem Nachbarland zu gewährleisten. Die Minderheit erwartet daher, dass die Landesregierung sich aktiv für diesen freien Empfang einsetzt.  Sollte dieses nicht geschehen, dann hat die Bundesrepublik nebenbei bemerkt auch keine Begründung dafür, dass sie eine andere Verpflichtung der Sprachencharta nicht erfüllt: nämlich jene, die Einrichtung mindestens eines Fernsehkanals in den Regional- oder Minderheitensprachen sicherzustellen.

Auch in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 wird ausdrücklich empfohlen, „dass die dänische Minderheit im Rahmen der jeweils geltenden Regeln für die Benutzung des Rundfunks angemessen berücksichtigt wird.“ Und schließlich sieht das Landesrundfunkgesetz unter anderem vor, dass die Kabelnetzbetreiber vorrangig Programme einspeisen müssen, die „ortsüblich“ sind. Dies sind Programme, die per Antenne empfangen werden können, was – zumindest noch – für die dänischen Programme gilt.

Es gibt für den Ministerpräsidenten also viele gute Gründe, sich in diese Frage zu engagieren. Er muss sozusagen zu Lande und in der Luft seines dazu beitragen, dass das dänische Fernsehen dauerhaft im deutschen Kabelnetz bleibt und auch künftig im ganzen Landesteil Schleswig per Antenne empfangbar ist.

Das dänische Fernsehen ist eine kulturelle Nabelschnur für die dänische Minderheit und ein Motor für die deutsch-dänische Verständigung im Grenzland. Deshalb muss die Landesregierung in diesem Konflikt ihr volles Gewicht einsetzen und deshalb freut es uns, dass der gesamte Landtag sich unsere Initiative zueigen gemacht hat.

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