Rääde · Christian Dirschauer · 21.03.2024 Das Ergebnis eines monatelangen Koalitions-Streits

„Im Rahmen des Prozesses sollten Chancen und Konfliktpunkte besprochen werden, Synergien ausgelotet und gemeinsame Leitlinien erarbeitet und Lösungen vorbereitet werden. In einem fairen und wechselseitigen Dialog sollte dieser Prozess ablaufen, so war es vorgesehen. Dass die Idee eines Nationalparks bereits im laufenden Konsolidierungsverfahren sein jähes Ende fand, ist der CDU zu verdanken.“

Christian Dirschauer zu TOP 1A + 13 - Regierungserklärung „Aktionsplan Ostseeschutz 2023“ sowie Bericht zum geplanten Ostseeschutz (Drs. 20/2012 + 20/1944)

Der Nationalpark ist tot, lang lebe der Ostseeschutz 2030. Das ist das Ergebnis des monatelangen Streits innerhalb der Koalition. Am Dienstag hat die Landesregierung ihren Aktionsplan zum Schutz der Ostsee vorgelegt. Die Reaktionen darauf können unterschiedlicher nicht sein. Den einen geht der Schutz nicht weit genug, anderen wiederum sind die Restriktionen zu scharf. Aber so ist es eben mit politischen Kompromissen. Inwieweit dieser Kompromiss ausreichen wird, die Ostsee effektiv zu schützen, wird die Zukunft zeigen. Eins war aber von vornherein klar, wir müssen mehr für die Ostsee tun, als nur den Status Quo zu erhalten.
Als SSW haben wir den Konsultationsprozess zum Nationalpark Ostsee seinerzeit grundsätzlich begrüßt und konstruktiv begleitet.  Denn in so einer wichtigen Frage, ist eine frühe Beteiligung aller Akteure tatsächlich unabdingbar. Im Rahmen des Prozesses sollten Chancen und Konfliktpunkte besprochen werden, Synergien ausgelotet und gemeinsame Leitlinien erarbeitet und Lösungen vorbereitet werden. In einem fairen und wechselseitigen Dialog sollte dieser Prozess ablaufen, so war es vorgesehen. Dass die Idee eines Nationalparks bereits im laufenden Konsolidierungsverfahren sein jähes Ende fand, ist der CDU zu verdanken. Einen fairen Umgang von den Prozessbeteiligten zu erwarten ist das eine, sich dann aber selbst nicht daran zu halten, ist das andere. Aus Respekt vor den Beteiligten und dem Verfahren, haben wir uns dafür eingesetzt, den Prozess ordentlich zu Ende zu bringen. Das Ergebnis war ein überwiegendes Nein zum Nationalpark, aber mehr Schutz für die Ostsee. Das war somit die Hausaufgabe an die Landesregierung und das Ergebnis liegt uns nun vor.
Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 bleibt die Koalition hinter den Zielen eines Nationalparks zurück. Gleichwohl sehen auch wir in den geplanten Schutzgebietsausweisungen mit den entsprechenden Restriktionen eine Chance, um den gefährdeten Lebensräumen sowie den Ruhezonen gefährdeter Tierarten deutlich mehr Schutz zukommen zu lassen. Damit kommt Schleswig-Holstein nicht nur seinen eigenen Strategien nach, sondern folgt auch internationalen Richtlinien, die umfassendere Schutzmaßnahmen fordern. Abzuwarten bleibt nun, wie diese konkret ausgestaltet werden. 
Mit der Ausweisung zusätzlicher und strengerer Schutzgebiete ist aber nicht alles untersagt. Das heißt, touristische Belange oder bestimmte Freizeitaktivitäten wurden durchaus berücksichtigt und sind auch in weiten Teilen weiter erlaubt. Das begrüßen wir durchaus, denn für unsere touristischen Standorte hing der Nationalpark wie ein Damoklesschwert über ihnen und sorgte für Unsicherheit. 
Zu Schaffen macht mir jedoch die Frage, wie es mit unserer traditionellen Fischerei entlang der Küste weitergehen soll. In den streng geschützten Gebieten soll der Ausschluss jeglicher Fischerei erfolgen. Außerhalb der streng geschützten Gebiete soll eine verpflichtende Evaluierung der bestehenden freiwilligen Vereinbarungen zur Stellnetzfischerei eingeführt werden. 
Das kann für viele unserer Fischer, die eine handwerkliche Fischerei ausüben, den betrieblichen Tod bedeuten. Das kann so nicht gewollt sein. Hier muss ein Ausgleich gefunden werden, es muss Kompensationen für diese Betriebe geben. Die handwerkliche Fischerei entlang unserer Ostseeküste ist ein traditioneller Erwerb, der zu Schleswig-Holstein gehört. Die Fischerei gehört auf´s Meer und nicht ins Museum. Wir erwarten, dass die Landesregierung hier den Dialog mit der Fischerei sucht. Unsere Fischereibetriebe haben häufig genug bewiesen, dass sie gewillt sind, ihren Teil für den Meeresschutz zu leisten. Im Dezember des letzten Jahres hat die Leitbildkommission unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ihren Abschlussbericht und ihre Empfehlungen zur Zukunft der Ostseefischerei vorgelegt. Das klar formulierte Ziel ist; mit bestimmten Maßnahmen die Ostseefischerei zukunftsfest zu machen. Das darf nicht konterkariert werden. 
Den Ansatz eines Verbotes der Industriefischerei in der schleswig-holsteinischen Ostsee begrüßen wir durchaus. Denn es macht für mich schon einen Unterschied zu unserer handwerklichen Fischerei. Enttäuscht bin ich jedoch, dass sich die Landesregierung in puncto Muschelfischerei in der Flensburger Förde nicht näher äußert. In der Flensburger Förde wurde die Muschelfischerei in den dänischen Hoheitsgewässern aus naturschutzfachlicher Sicht unlängst verboten. Hier hätte die Landesregierung die Möglichkeit gehabt, dem Gleich zu tun. Aber die Chance ist noch nicht vertan.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen des Ostseeschutzes ist die Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die erhöhte Nährstoffbelastung, gerade durch Nitrat- und Phosphoreinträge, zu massiven Problemen in der Ostsee führt. Erhöhtes Algenwachstum und Sauerstoffmangel sind auf diese Einträge zurückzuführen. Das müssen wir in den Griff bekommen. Mit der strengeren Düngeverordnung sind wir bereits auf einem guten Weg. Aber wir müssen hier weiter ran. Daher begrüßen wir ganz grundsätzlich das Ziel die Einträge um 10% bis 2030 und weitere 10% bis 2035 zu senken. Demnach soll die Gewässerschutzberatung für die Landwirtschaft flächendeckend fortgesetzt und ausgebaut werden. Auch sollen Zielvereinbarungen für zusätzliche Maßnahmen mit der Landwirtschaft erfolgen. Im Rahmen von Vertragsmodellen will die Landesregierung die Landwirtschaft dabei unterstützen. Ob dies aber wirklich ausreicht, ist die eine Frage. Und ob die Landesregierung hierfür wirklich genug Mittel bereitstellt, die Andere.
Dieses Engagement von Seiten der Landesregierung gegenüber der Landwirtschaft wünsche ich mir für unsere Fischereibetriebe. 
Wenn wir über die Reduktion von Nährstoffeinträgen reden, dann kommen wir nicht umhin, auch auf die kommunalen Klärwerke zu schauen. Auch die Einleitung entsprechender Einträge aus Kläranlagen muss gegebenenfalls angegangen werden. Klar ist, dort wo es Probleme mit Einträgen gibt, muss entsprechend nachgerüstet werden. Die Umsetzung einer entsprechenden Abwasserrichtlinie muss sodann mit den kommunalen Spitzen geeint und auf den Weg gebracht werden.
Auch die Bergung von Altlasten und Müll sind Bestandteil des Aktionsplanes. Wie in allen anderen Bereichen, sind uns die Probleme hinlänglich bekannt. Gerade die Munitionsaltlasten in unseren Gewässern bewegen uns in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten. Rund 300.000 Tonnen konventionelle und ca. 5.000 Tonnen chemische Munition befinden sich verteilt auf dem Grund der Ostsee. Das davon ausgehende Gefährdungspotential durch Giftstoffe ist hinlänglich nachgewiesen. Auch hier liegen Forschungs- und Untersuchungsergebnisse seit langem vor. Nur rangetraut hat sich bisher niemand. Der Bund wird sein Pilotvorhaben zur Bergung der Munition in der Lübecker Bucht starten, es bleibt jedoch abzuwarten, wann das konkret passieren wird. Das Land steht in Finanzierungsverhandlungen mit dem Bund, aber für den Start hat der Bund hier 100 Millionen Euro zugesagt. Teil des Aktionsplanes ist nun, zusätzlich eine Spendenplattform einzurichten, auf der Privatpersonen selbst einen fairen Beitrag zur Bergung der Munitionsaltlasten leisten können. Diese Art der Teil-Finanzierung zur Munitionsbergung und Entsorgung hat mich doch überrascht, denn wir sehen weiterhin den Bund hier in der Pflicht, dies zur regeln und zu finanzieren.
Ein weiteres großes Problem sind die Plastikfunde in der Ostsee. Von Geisternetzen bis Mikroplastik haben wir es hier mit einem weltweiten Problem zu tun. Mikroplastik wurde bereits in Krebsen, Muscheln und Fischen nachgewiesen. Jede Minute landet mehr als eine LKW-Ladung Plastik in den Ozeanen. Und die Gefahr, dass es letztendlich auf unserem Teller landet, ist nicht länger von der Hand zu weisen. Dieses Problem ist nicht mit dem Aktionsplan zu lösen, hier müssen ganz andere Maßnahmen erfolgen. Und wir brauchen hier auch ein Umdenken der Industrie. 
Auch weil die öffentliche Diskussion um einen möglichen Nationalpark für viel Unruhe in der Bevölkerung gesorgt hat, halten wir es für wichtig, auch die Kommunikation nach außen, besser zu gestalten. Die Einrichtung einer „Integrierten Station Ostsee“ begrüßen wir daher ausdrücklich, denn dort muss es darum gehen, neben der Naturschutzaufgabe, auch die Bildungs- und Informationsangebote an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen. Aber dafür müssen eben auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.
Mit der Umsetzung des Aktionsplans Ostseeschutz 2030 wartet ein ordentliches Stück Arbeit auf alle Beteiligten. Der Prozess ist gerade in Gang geschoben. Die Umsetzung der unterschiedlichen Maßnahmen erfolgt schrittweise und auf den unterschiedlichen Ebenen. Für uns bedeutet das aber auch, dass alle umzusetzenden Maßnahmen ständig evaluiert werden müssen, um gegebenenfalls auch im laufenden Prozess gegenzusteuern. Für den SSW kann ich sagen, dass wir diesen Prozess auch weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten werden. 
In der Pressekonferenz äußerte Ministerpräsident Günther abschließend, dass der Aktionsplan Ostseeschutz 2030 mit gesundem Menschenverstand erstellt wurde. Wenn das so ist, Herr Günther, dann frage ich mich: wie war alles andere vorher denn zu bewerten?

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