Rääde · Flemming Meyer · 21.02.2003 Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung

Es gibt einen alten Kniff unter Politikern: Man redet ein Problem herbei, das gar nicht existiert, und nachher behauptet man dann, man hätte das Problem gelöst. Eben so verhält es sich mit dem berühmten Brief des Sozialministeriums, der angeblich die Ursache für den vorliegenden Antrag ist. Im September 2002 war auf den Internetseiten des Landkreistages ein Schreiben veröffentlicht, welches aus dem Sozialministerium stammte. Dieses Schreiben war jedoch weder ein Schreiben der Ministerin noch offizielle Meinung des Ministeriums.

Die Verunsicherung, die dieses Schreiben auslöste, führte aber zu erheblichen Sorgen bei den Betroffenen. Da der Brief kein offizielles Schreiben des Ministeriums ist, bestand aber eigentlich kein wirkliches Problem. Der Kollege Kalinka konnte sich aber in eine Pressemitteilung selbst feiern, weil es seiner Ansicht nach nur dem besonderen Einsatz und dem Antrag der CDU-Fraktion zu verdanken war, dass dieses Schreiben zurückgezogen wurde. Dass dieses dem Ministerium Recht leicht gefallen war, weil der Brief von vornherein überhaupt nicht die Position der Regierung wiedergab, hat der Kollege natürlich unterschlagen.

Dass trotzdem große Probleme in der Eingliederungshilfe bestehen, ist allen Beteiligten bekannt. Die Kosten der Eingliederungshilfe sind in der gesamten Bundesrepublik in den letzten Jahren rasant gestiegen - bundesdurchschnittlich um ca. 4,5 %, in Schleswig-Holstein innerhalb eines Jahres sogar um ca. 9 %. Angesichts dieser Kosten hat die Politik ein Problem. Wir sind uns aber in der Politik vollkommen einig, dass dieses auf keinen Fall zum Problem der Betroffenen werden soll. Denn der Kostenanstieg ist sicherlich auch eine Folge einer besseren Politik für Menschen mit Behinderung, die wir alle unterstützt haben.

Bis heute ist aber noch nicht einmal abgeklärt, was dazu führt, dass die Kosten in den letzten Jahren so steigen und weshalb Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht über dem Bundesdurchschnitt liegt. Deshalb ist es heute noch viel zu früh Aussagen darüber zu treffen, wie wir mit den steigenden Kosten umgehen sollen. Die Fraktionen sind darüber unterrichtet worden, dass das Sozialministerium und die Kommunen sich zusammengetan haben, um diese Fragen zu durchleuchten. Bis diese Analyse der Ein­­gliederungshilfe vorliegt, sollte die Politik sich mit vorschnellen Lösungen zurückhalten.

Eine der Gründe für den Kostenanstieg – das kann man schon heute sagen – ist, dass die Menschen mit Behinderung heute erfreulicherweise viel älter werden als früher. Auf diese Entwicklung müssen wir neue Antworten finden. Es erscheint etwas zu einfach, wenn jetzt einfach nach mehr Plätzen in Wohnheimen gerufen wird, wie dieses auch der vorliegende CDU-Antrag es tut. Es gibt Alternativen zum Neubau, und die sollten ausgelotet werden.

Die Mürwiker Werkstätten in Flensburg sind dazu übergegangen, verstärkt ambulante Wohnformen für die älteren Menschen mit Behinderung zu nutzen. Diese Entwicklung halten wir für richtig. Zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung gehört auch, dass ihnen andere Möglichkeiten des Wohnens geboten werden, soweit ihre Art der Behinderung es zulässt. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, aber es gehört zu den Fortschritten der letzten Jahrzehnte, dass wir heute wissen, dass Menschen mit Behinderung gerade nicht nur in „ Heimen“ zu leben haben, sondern eine angemessene Unterbringung mit den entsprechenden Hilfen benötigen. Dies gilt auch für diejenigen, die in Einrichtungen arbeiten.

Die Maßstäbe für ein humanes Leben und die Lebensumstände der Menschen mit Behinderung haben sich in den letzten Jahrzehnten gewaltig zum Besseren verändert. Das spiegelt sich auch in den jüngst verabschiedeten Gesetzen wie dem SGB IX oder den Landesgleichstellungsgesetz wider. Deshalb ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Kosten steigen. Damit müssen wir auch leben, wenn wir den Menschen mit Behinderung ein menschenwürdiges Leben bieten wollen.

Trotzdem entbindet es uns nicht aus der politischen Verantwortung. Angesichts steigender Kosten muss die Politik sich Gedanken darüber machen, wo die Strukturen verbessert werden können. Natürlich muss angesichts der steigenden Ausgaben dabei auch darauf gesehen werden, wie die Mittel effizienter eingesetzt werden können. Darüber müssen sich die Betroffenen aber keine Sorgen machen. Niemand muss befürchten, dass er oder sie zukünftig Leistungen verliert, auf die man heute einen Rechtsanspruch hat. Sie werden weiterhin Anspruch auf dieselbe Unterstützung haben wie heute. Es bringt nur nichts wenn die Kosten steigen, ohne dass dieses voll den Menschen mit Behinderung zu gute kommt.

Wir werden einer Ausschussüberweisung zustimmen, damit wir uns dort - jenseits des vorliegenden Antrags - weiter mit den tatsächlichen Problemen der Eingliederungshilfe auseinander setzen.

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