Rääde · Lars Harms · 08.05.2020 Es geht jetzt darum, Menschenleben zu retten!

"2012 hat die EU den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte erhalten. Wie viel lässt sich von diesen Werten noch in den Auffanglagern für Geflüchtete erkennen? Was ist mit dem gemeinsamen Einstehen für Menschenrechte?"

Lars Harms zu TOP 36 - Humanitäres Aufnahmeprogramm für Geflüchtete von den griechischen Inseln (Drs. 19/2133)

Wenn Sie Bilder von den Aufnahmelagern in Griechenland sehen, fragen Sie sich vielleicht auch, wann es dort zu Massenerkrankungen kommt. Katastrophale Hygienezustände und keine Möglichkeit, Abstand zu halten. Wie soll das auch gehen, wenn Sie mit mehreren Personen in einem Zelt leben, wenn Sie immer anstehen müssen, um auf Toilette zu gehen, wenn sich über 1000 Menschen einen Wasserhahn teilen? 

Moria ist nicht erst seit gestern ein hoffnungslos überfülltes Auffanglager. 
Das war schon so, bevor Erdoğan seine Grenzöffnung verkündete und auch schon vor Corona. Knapp 37.000 Geflüchtete leben auf den ägäischen Inseln nach aktuellen Zahlen in Camps, die eigentlich nur etwas mehr als 6000 Menschen beherbergen dürften. In Moria allein halten sich derzeit über 19.000 Menschen auf, mehr als sechs Mal so viele wie geplant. 
Und das mit allen Begleiterscheinungen. 

Aus Angst vor einem Ausbruch von Corona werden seit ein paar Tagen besonders Gefährdete auf das Festland gebracht, wo sie auf kleinere Unterkünfte verteilt werden. Die griechischen Behörden verfolgen außerdem die Strategie, die Flüchtlingslager streng abzuriegeln und Neuankömmlinge nicht aufzunehmen. Sie campieren außerhalb „in Quarantäne“ im Freien. Wie in so vielen anderen Bereichen auch, verschärft Corona eben das, was vorher schon schlecht war. Und das ist kein griechisches Problem. 

Es ist schon lange nicht mehr in Ordnung, was an den Außengrenzen der Europäischen Union geschieht. 2012 hat die EU den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte erhalten. Wie viel lässt sich von diesen Werten noch in den Auffanglagern für Geflüchtete erkennen? Was ist mit dem gemeinsamen Einstehen für Menschenrechte?

Schleswig-Holstein hatte dieses Jahr unabhängig von einer nationalen Gesamtaufnahmeentscheidung verkündet, Minderjährige aus den Lagern aufzunehmen zu wollen. Wir als Fraktion stehen dahinter.  
Auch unser SSW in Flensburg hat vor kurzem erst wieder einen Antrag eingebracht, unverzüglich Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen. Und es ist wirklich schwer zu vermitteln, warum daraus nichts wird. In Flensburg gibt es, wie im ganzen Land, ungenutzte Unterkünfte. 
 
Es ist schon lange an der Zeit, Griechenland zu entlasten. Bei allem, was uns sonst noch beschäftigt und bei dem Ausnahmezustand, in dem wir uns momentan befinden. Wir müssen jetzt, wo wir nur können, Druck machen, dass die Menschen zügig in andere Länder kommen. Und wenn es sein muss, weil wir in einem Land leben, das es sich leisten kann, mit gutem Beispiel vorangehen. 

Und das können nicht nur unbegleitete Kinder und Jugendliche sein. Das müssen mittlerweile auch ganz dringend die Menschen sein, die auch bei uns als Risikogruppe gelten. Alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen. Und die haben natürlich Familien, von denen sie jetzt nicht getrennt werden dürfen. Es kann jetzt nicht mehr um 30 Minderjährige gehen. Es muss um die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln gehen und die Verteilung auf die EU-Länder gehen. So, wie es Ärzte ohne Grenzen fordern. 
Ansonsten lassen wir sehenden Auges zu, wie sich auf den griechischen Inseln am Rand der EU eine humanitäre Katastrophe ereignet. 

Natürlich wünschen auch wir uns, dass sich die EU an ihre Werte erinnert und morgen sofort zu einem gemeinsamen Vorgehen kommt, das es nicht länger zulässt, geflüchtete Menschen in Lagern unter intolerablen Zuständen über Monate ausharren zu lassen. Hierfür müssen wir alle stets weiter werben und ein gutes Beispiel geben, dass es gehen kann. Die Zivilgesellschaft steht hinter uns, da bin ich mir wirklich sicher. Nicht ohne Grund begegnen wir alle in den Sozialen Medien immer wieder der Kampagne „Leave No one behind“. 
Denn allen ist klar: es geht jetzt darum, Menschenleben zu retten. Und das darf nicht an Bürokratie scheitern.

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