Rääde · Flemming Meyer · 24.03.2006 Europabericht 2006

Ich muss der Landesregierung einen Lob aussprechen: Der hier vorgelegte Europabericht 2006 ist von einem selten gesehenen europapolitischen Realismus und Pragmatismus geprägt. Vorbei sind die Zeiten, wo das Hohelied eines gemeinsamen Europas und unkritisch eine blühende Zukunft der europäischen Zusammenarbeit gepriesen wurde. Der Europabericht 2006 spricht die aktuellen Probleme der Europäischen Union klar aus und zeigt die Handlungsmöglichkeiten und die politischen Herausforderungen des Landes in der europapolitischen Zusammenarbeit deutlich an.

So verschweigt die Landesregierung im Europabericht auch nicht, dass die Europäische Union nach den gescheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden in einer äußerst schwierigen Lage ist. Die Akzeptanz der EU ist stark gesunken und hängt nicht zuletzt - wie es auch im Bericht steht - mit der Angst der Bürgerinnen und Bürger um Wohlstand und Arbeitsplätze in den Zeiten der Globalisierung zusammen. Die Kommission und der Ministerrat haben daher den Ratifizierungsprozess zur Europäischen Verfassung erst einmal eingefroren und wollen die Zeit nutzen um gemeinsam mit den Bevölkerungen über die Zukunft der Europäischen Union zu diskutieren. 

Aus Sicht des SSW müssen die gescheiterten Volksabstimmungen über die europäische Verfassung und die Vertrauenskrise der EU zu einer Neubestimmung der europäischen Zusammenarbeit genutzt werden. Dabei plädieren wir dafür, dass man sich von der Idee eines Europäischen Bundesstaates endgültig verabschiedet.  Wir müssen das Projekt Europa neu definieren und es mit einer bürgernahen Vision der europäischen Zusammenarbeit verbinden.

Deshalb begrüßt der SSW auch, dass die Landesregierung als landespolitischen Schwerpunkt die Soziale Dimension Europas stärken will. Denn, wenn die Auseinandersetzungen um die EU-Hafenrichtlinie oder insbesondere um die EU-Dienstleistungsrichtlinie eines gezeigt haben, dann dieses: Die Grundlage der europäischen Zusammenarbeit darf sich nicht ausschließlich auf die Freizügigkeit des Personenverkehrs, des Dienstleistungsverkehrs und des Kapitalverkehrs konzentrieren. So ein Europa hat geringe Chancen, die Herzen und die Köpfe der Menschen zu erreichen.

Wir hingegen wollen ein soziales Europa, im dem nicht nur der Markt regiert, in dem vielmehr der Sozialstaatsgedanke eine tragende Säule der europäischen Zusammenarbeit bleibt. Der SSW lehnt also ein Sozialdumping und ein Wettrennen um die niedrigsten Sozialstandards ab, weil es zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und zur Abschwächung von nationalen Standards im Arbeitsrecht,  im Umweltbereich oder in der Daseinsvorsorge führen kann. Ob ein Protokoll zum Verfassungsvertragsentwurf zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme – wie es die Landesregierung empfiehlt  – dabei der richtige Weg ist, erscheint aus meiner Sicht zweifelhaft, weil es den Menschen nicht um hehre Worte geht, sondern um Taten.  

Ein weiterer landespolitischer Schwerpunkt ist die Umsetzung der europäischen Strukturfondsreform in Schleswig-Holstein. Wenn der erzielte Finanzkompromiss am Ende auch vom Europaparlament angenommen wird, dann sieht es zumindest so aus, als ob das zukünftige Volumen der Regional- und Sozialmittel aus Brüssel für Schleswig-Holstein in etwa auf gleiche Höhe wie bisher sein wird. Auch für die Höhe der Interreg-Mittel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit scheint für die nächsten Jahre gesichert zu sein. Das ist positiv, aber in den nächsten Jahren wird es entscheidend auf die Umsetzung und Ausgestaltung dieser Programme ankommen. Hier haben die Landesregierung und das Parlament gemeinsam noch viel Arbeit vor sich.

Der letzte landespolitische Schwerpunkt der Landesregierung, den ich erwähnen möchte, ist die Ostseepolitik Schleswig-Holsteins. Es ist aus Sicht des SSW weiterhin sehr wichtig, dass die Landesregierung hier am Ball bleibt und – wie sie selbst behauptet – Motor der Ostseekooperation bleibt. Die Ostseeregion bleibt eine potentielle Wachstumsregion, aus der sich für Schleswig-Holstein große Vorteile ergeben. Dabei hat sich gerade auch das Forum „Südliche Ostsee“ bewährt. Wobei die Ostseekooperation sich nicht nur auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit verengen darf, sondern gerade hier ist der kulturelle und zwischenmenschliche Aspekt der Zusammenarbeit äußerst fruchtbar und sinnstiftend.

Der SSW will also, dass die Ostseeregion zur Wachstumsregion – insbesondere in den Bereichen Kultur-, Minderheiten- und Bildungspolitik - ausgebaut wird. Wir fordern zudem, dass an dem gleichberechtigten Zusammenwirken von regionalen und nationalen Parlamenten in der Ostseekooperation festgehalten wird. Neben dem Ostseerat der Ostseeanrainerstaaten gilt es, die Ostseeparlamentarierkonferenz als die parlamentarische Dimension in der Ostseekooperation zu stärken. Die parlamentarische Dimension lässt sich nach Meinung des SSW am ehesten voranbringen, wenn sich die Parlamente dabei auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Das sind neben ihrer Öffentlichkeitsfunktion und ihrer Mittlerrolle zum Bürger die entscheidenden Beiträge zur demokratischen Entwicklung der Gesellschaft in der ganzen Region.

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