Rääde · Flemming Meyer · 12.10.2006 Gesetz über die Hochschulen (Hochschulgesetz)

Ohne Zweifel stehen die Hochschulen des Landes vor beträchtlichen Herausforderungen. Dazu gehört, dass die Bundesrepublik im internationalen Vergleich unter einem Mangel an Hochschulabsolventen leidet. - Während zum Beispiel in den skandinavischen Ländern fast jeder zweite Schüler auch studiert, ist bei uns – das gilt auch für Schleswig-Holstein - die Quote weitaus niedriger. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung braucht aber gerade die Wirtschaft in Zukunft verstärkt qualifizierte und hoch ausgebildete Arbeitskräfte, um international wettbewerbsfähig zu sein. Dieser Mangel an qualifizierten Arbeitskräften droht in ein riesiges Problem zu werden, obwohl die Zahl der Studienbewerberinnen und -bewerber in den nächsten Jahren leicht ansteigen wird.

Auch der so genannte Bologna-Prozess mit seiner Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge stellt große Anforderungen an die Hochschulen, denn sie müssen nicht nur die zweistufige Studienstruktur einführen, sondern gleichzeitig auch die Qualität der Lehre sichern. Und alles dies müssen sie mit sehr knappen öffentlichen Mitteln bewältigen, denn schon die Erichsen-Kommission stellte fest, dass die schleswig-holsteinischen Hochschulen unterfinanziert sind.

Deshalb geht es in der Tat darum, wie für die Hochschulen des Landes die Strukturen optimiert und die Rahmenbedingungen verbessert werden können. Die Landesregierung hat bisher immer betont, dass es dabei auch um mehr Eigenständigkeit der Hochschulen und um den Abbau von Bürokratie gehen muss, wenn die Hochschullandschaft gestärkt werden soll. Die Frage ist jedoch, was der vorliegende Gesetzentwurf nun wirklich zur Weiterentwicklung der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein beiträgt. Soll heißen, nach Meinung des SSW muss man bei diesem Gesetzentwurf schon mit der Lupe nach positiven Impulsen für die Hochschulentwicklung des Landes suchen.

Der Entwurf sieht vor, dass sich die Landespolitik zukünftig aus allen Detailfragen zurückzieht und die Hochschulen selbst Personalentscheidungen treffen, Prüfungsordnungen genehmigen und die strategische Ausrichtung bestimmen. Daran ist vorerst nichts Verwerfliches. Problematisch wird es erst, wenn es ans Eingemachte geht. Denn umgesetzt werden soll dies von einem neuen „Management“ – von drei Leitungsgremien. Neben Präsidium und Senat soll künftig ein mit umfassenden Kompetenzen, Überwachungs- und Kontrollrechten ausgestatteter Hochschulrat, in dem externe Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft Platz finden sollen, über alle wichtigen Angelegenheiten entscheiden.

Für die drei Universitäten in Kiel, Lübeck und Flensburg wird darüber hinaus ein Universitätsrat eingesetzt, der Lehrangebote, Forschungsschwerpunkte und Fragen der Profilbildung landesweit koordinieren soll und sich daneben noch mit der Verteilung der Finanz- und Sachmittel oder der Personalausstattung beschäftigt. Geplant ist außerdem eine Ausschreibung des Präsidenten-amtes, damit sich auch hier externe Bewerber zur Wahl stellen können. Die neue Präsidial-verfassung gehört aus Sicht des SSW im Moment zu den kleineren Übeln, die mit dem Entwurf eines neuen Hochschulgesetzes auf uns zu kommen. Dennoch freuen wir uns nicht unbedingt über diese neue Konstruktion, wobei es hoffentlich mehr als weiße Salbe sein wird, dass ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin weiterhin von den Mitgliedern der Hochschule gewählt werden soll.

Eindeutig zu kritisieren ist aber, dass der Senat nicht mehr drittelparitätisch besetzt sein soll. Denn wir bleiben dabei, dass eine Hochschule davon lebt, dass alle an ihr Beteiligten die Möglichkeit haben müssen, sich gleichberechtigt einzubringen. Wir teilen auch die Sorge des AStA Kiel, dass ein Hochschulrat dazu missbraucht werden könnte, der Wirtschaft mehr Einfluss auf die Gestaltung der Hochschulpolitik zu verschaffen, als es aus gesellschaftspolitischer Sicht wünschenswert wäre. Dazu werden insgesamt die Mitbestimmungsrechte der Studierenden beschnitten und die Handlungsmöglichkeiten der Frauenbeauftragten stark eingeschränkt. Völlig unverständlich ist für uns in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung einerseits die Universitätsleitung stärken will, andererseits dem Kanzler oder der Kanzlerin die Möglichkeit einräumt, gegen Entscheidungen des Präsidiums ein suspensives Veto einlegen zu können und Entscheidungen an den Hochschulrat zu delegieren. Da hat wohl die eine Hand nicht gewusst, was die andere Hand tat.

Auch die Kompetenzabgabe der Universitäten an den Universitätsrat sieht der SSW mehr als kritisch, zumal er entgegen ursprünglicher Aussagen des Wissenschaftsministers nun auch nicht mal mehr paritätisch besetzt sein soll, denn nach Protesten der CAU bekommt die Kieler Universität jetzt die Hälfte der Sitze. Da kann es keinen verwundern, dass die Universitäten in Lübeck und Flensburg diesen Vorschlag mit großem Misstrauen aufgenommen haben. Sogar die CAU hat jetzt einen Kompromissvorschlag vorgelegt, in dem die Kompetenzen des Universitätsrates wieder beschnitten werden sollen. Ansonsten befürchtet man zu Recht den Aufbau von Doppeltstrukturen und hat die Sorge, dass in die einzelnen Hochschulen hineinregiert wird.

Das gleiche gilt für den geplanten Medizin-Ausschuss, der meines Erachtens vor allen dem Zweck dient, die medizinischen Fakultäten in ihren Kompetenzen zu beschneiden und sie – wie die Kliniken – von den Universitäten abzutrennen. Ein weiteres Problem ist, dass der Universitätsrat eine Geschäftstelle bekommen soll, die jährlich zwischen 500.000 € und 1 Mio.€ kosten wird – finanziert aus dem Budget der Hochschulen. Wer dabei noch von einer Stärkung der Hochschulautonomie spricht, tut dies fahrlässig und wider besseres Wissen. Zusammenfassend führt der jetzt vorliegende Vorschlag für einen Universitätsrat nicht nur zu mehr Bürokratie, er kostet auch viel Geld – Geld, das den Hochschulen zur Bewältigung von dringenden Aufgaben fehlen wird. Will man unbedingt einen Universitätsrat, dann kann es sich nur um einen echten Wissenschaftsrat handeln – so, wie auch vom Rektor der Universität zu Lübeck vorgeschlagen.

Der SSW schlägt also die Einrichtung eines echten Wissenschaftsrates vor zusammengesetzt von Wissenschaftern, die nicht aus Schleswig-Holstein kommen. Nach dem Vorbild des nationalen Wissenschaftsrates, der ja durch die Föderalismusreform stark an Einfluss verlieren wird, kann ein solches beratendes Gremien der Weiterentwicklung der Hochschullandschaft  in Schleswig-Holstein viele neue Impulse geben. Eingebunden werden sollten dabei nicht nur die Universitäten, sondern auch die Fachhochschulen des Landes. Aus Sicht des SSW macht die strikte Trennung von Universität und Fachhochschule – mit Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen – künftig keinen Sinn mehr.

Zur Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse durch den Universitätsrat gehört dann auch, dass das Wissenschaftsministerium die globalen Zuschüsse an die Universitäten in Frage stellt. Im Gegensatz zum alten Hochschulgesetz, das von einer Budgetierung ausgeht, wird in §8 eine Rolle rückwärts deutlich. Dies zu hinterfragen, wird Teil der Ausschussberatung sein müssen.

Für uns ist es wichtig, dass es auch künftig eine starke Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein geben wird. Das sehen wir mit dem neuen Hochschulgesetz nicht. Eines der heikelsten Themen aller Hochschulreformen wird im vorliegenden Gesetzestext kaum berührt. Von Studiengebühren ist im Gesetzestext überhaupt nicht die Rede. Allerdings ist gerade das ein Problem, denn im alten Hochschulgesetz gab es ein striktes Verbot gegen Studiengebühren. Dieses Verbot ist nunmehr Geschichte und es bleibt abzuwarten, ob wir in Schleswig-Holstein nicht auch bald Studiengebühren bekommen werden. Im Koalitionsvertrag steht zwar drin, dass Schleswig-Holstein keine Studiengebühren erheben sollte.

Allerdings hat die CDU erreicht, dass das Land keinesfalls eine Insellösung in dieser Frage akzeptieren darf. Niedersachsen und Hamburg haben bereits Studiengebühren eingeführt und jetzt schaut die SPD sicherlich gebannt nach Mecklenburg-Vorpommern, ob die neue Große Koalition dort solche Gebühren einführen will.  Der SSW bleibt in dieser Frage bei seiner klaren Ablehnung. Bildung muss weiterhin ein kostenloses Gut bleiben, um die soziale Gerechtigkeit zu wahren und um den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein zu stärken.

Deshalb wird es mit dem SSW keine Studiengebühren in Schleswig-Holstein geben. Auch eine nachgelagerte Studiengebühr, wie von Ministerin Ute Erdsiek-Rave vorgeschlagen, lehnen wir ab. Wir sind auch der Meinung, dass wir diese Entscheidung nicht von anderen Bundesländern abhängig machen dürfen. Wenn Schleswig-Holstein in der Frage der Studiengebühren eine Insel wird, dann ist es sogar ein Standortvorteil für unsere Hochschulen, weil dieses die Attraktivität der Studien in Schleswig-Holstein steigern wird.

Dieser Entwurf für ein neues Hochschulgesetz wird also den Forderungen nach einem modernen Bildungssystem, das allen Menschen gleichermaßen offen steht, nicht gerecht. Wir brauchen stattdessen ein Hochschulgesetz, das für ein ebenso kreatives wie effektives Lehrangebot sowie für die Qualität einer unabhängigen, engagierten Forschung sorgt. Dazu ist die Verschlankung des gesamten Verwaltungsapparates, mehr Hochschulautonomie und mehr Eigenverantwortlichkeit aller beteiligten Gruppen sowie eine höhere Flexibilität in Personalfragen notwendig. Nur so werden wir letztlich  unsere Hochschulen wirklich voranbringen und sie fitt für die Zukunft machen.

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