Rääde · Flemming Meyer · 23.08.2012 Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung

In Schleswig-Holstein gibt es drei Minderheiten. Der Schutz und die Förderung von zwei von ihnen ist ausdrückliches Staatsziel und in der Verfassung verankert.
Dass die dritte Minderheit außen vor bleibt, ist mehr als nur ein Schönheitsfehler. Immerhin unternehmen wir bereits den fünften Anlauf, die Verfassung entsprechend zu ändern. Das Fehlen der dritten Minderheit in unserer Landesverfassung ist eine offene Wunde.
Schleswig-Holstein kann meines Erachtens zu Recht stolz auf seine Minderheitenpolitik sein, die ausdrücklich vom Dialog und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Und genau aus diesem Grund ist die Aufnahme der Sinti und Roma in den Staatszielkanon des Landes ein absolut notwendiger und zwingender Schritt. Ein Riesenschritt für die anderen Minderheiten, die eigentlich schon immer eine Unterscheidung oder Hierarchisierung der Minderheiten ablehnen, und ein Riesenschritt für unsere Gesellschaft, die den Sinti und Roma den Respekt zollt, den sie verdienen und schließlich ein Riesenschritt für Schleswig-Holstein, das anhand seiner Verfassung zeigt, dass es sich nicht auseinanderdividieren lässt.
Wir leiten eine wichtige Verfassungsänderung ein. Schleswig-Holstein anerkennt durch die Verfassungsänderung seine Verpflichtung auf Schutz und Förderung der Sinti und Roma.
Die Sinti und Roma freuen sich auf eine klare Botschaft: Schleswig-Holstein ist ein buntes Land, das sich stark dafür macht, dass es so bleibt.
Diese klare Botschaft sollte klar und laut verkündet werden – und nicht von kleinlichem Parteiengezerre übertönt werden.
Wer sein Gewissen befragt, kann gar nicht anders, als dem Antrag zuzustimmen. Das klare Bekenntnis zum Schutz und Förderung aller Minderheiten entspricht nämlich genau dem, was unser Land immer stark gemacht hat: Toleranz und Respekt.
Die antragstellenden Fraktionen verbinden mit ihrer Initiative die Hoffnung, dass sich etwas ändert in den Köpfen der Menschen. Dass sie erkennen, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die, obwohl sie Romanes miteinander reden, doch dazugehören. Die beabsichtigte Änderung soll zum Nachdenken und Nachfragen anregen. Wie lebt es sich bei uns als Minderheit? Warum ist überhaupt die Förderung der Minderheit nötig?
Es soll etwas in Gang kommen; das wünschen wir uns für die Mehrheit.
Aber auch für die Sinti und Roma wird sich einiges ändern. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung, denn auch für die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe hat die Berücksichtigung in der Verfassung viele Vorteile gebracht. Eine symbolische Anerkennung des Engagements und der Rechte rückt die Machtverhältnisse gerade: beide Seiten bewegen sich danach auf Augenhöhe. Die Mehrheit blickt nicht mehr von oben herab – und die Minderheit spürt das.
Wir sind dabei, die Grundrechte der Minderheit der Sinti und Roma offiziell anzuerkennen und damit dem immer noch existenten Antiziganismus ein deutliches Zeichen entgegenzusetzen. Wir haben allzu lang gerade auf der symbolischen Ebene Anderen das Feld überlassen. Das war falsch. Dass das Land Schleswig-Holstein den Eindruck aufkommen ließ, dass die Sinti und Roma so etwas wie eine Minderheit zweiter Klasse wären, war Öl auf die Mühlen der Rassisten. Der Landtag muss zeigen, dass Sinti und Roma eine Minderheit sind, die unter dem Schutz der schleswig-holsteinischen Verfassung steht.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns alle einig werden.
Der Landtag sollte die heutige Debatte als Initialzündung verstehen. Minderheitenpolitik ist das Bohren dicker Bretter, die nur mit nachhaltigem Engagement tragfähige Ergebnisse erzielt. Gerade darum ist die Verfassungsänderung ein wichtiges Signal, den Dialog mit den Sinti und Roma ernst zu nehmen.
Die Sinti und Roma können auf eine mindestens 600 Jahre lange Tradition in unserem Land zurückblicken. Sie sind Schleswig-Holsteiner und trotzdem Sinti und Roma mit ihren eigenen Traditionen und ihrer eigenen Sprache geblieben. Deshalb gehört ihre Sprache und kultur zu unserem Land, wie die deutsche, dänische und friesische Sprache und Kultur. Und daher trägt unser Land die gleiche Verantwortung für die Sinti und Roma wie für die anderen hier heimischen Bevölkerungsgruppen. Und das muß sich auch zu unserer Verfassung widerspiegeln.

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