Rääde · Flemming Meyer · 20.03.2002 Kinder- und Jugendkriminalität

Die Jugend ist ein Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen, heißt es immer, und so schauen viele gebannt auf die kleinste Bewegung. Seit Jahren wird viel über Gewalt und Rohheit bei jungen Menschen gesprochen. Auch wenn die Entwicklung kaum so dramatisch ist, wie sie man­cher gern darstellen möchte: Die diskutierten Tendenzen machen Sorgen, wo unsere Gesell­schaft sich hin ent­wickelt. Je nach Standpunkt wird befürchtet, dass es mit der Solidarität, der inneren Sicher­heit oder der Kultur des Abendlandes bergab geht.

Für die CDU liegt es offensichtlich nahe, die Erklärung in der mora­lischen Verwahr­losung der jungen Menschen zu suchen: Sie sind asozial geworden und bekom­men vom verantwortungslosen Elternhaus keine Werte mehr mitgeliefert, sondern Prügel, falsche Männlichkeits­vor­stellungen und Defizite. Der Staat trägt seines dazu bei, in dem er nicht konsequent und zu weich reagiert. Ebenso wie diese Diagnose nichts Neues ist, birgt der CDU-Antrag auch nichts wirk­lich Neues zum Umgang mit Problemen. Die Unionskollegen treten an, mit der Mission, Werte und Härte als Bollwerk gegen Jugenddelinquenz einzusetzen. Werteerziehung, Einschränkung des Jugend­straf­rechts und geschlossene Hei­me sind immer noch die alten Zutaten, die sich auch durch eine sehr dezente Prise Auslän­der­­integration nicht schmack­haft machen lassen.

Besonders viel Raum erhält bei der CDU die Werteerziehung. Es geht aber in der Prävention von Kriminalität und Gewalt nicht darum bürgerliche Werte zu ver­­mitteln, sondern um grundlegende Regeln des demokratischen mensch­lichen Zusammen­lebens. Diese erfahren Kinder und Jugend­liche am besten, in dem sie in ihrem Alltag für voll genommen werden und echte Handlungs­möglichkeiten bekommen. In diesem Sinne ist die Partizipation von Kindern und Jugend­lichen von ungleich größerem Wert für die Sozialisation als der Unterricht in „Rechts- und Werte­kunde“. Echte Mit­bestimmung im Alltag bewirkt mehr zur Vermeidung von Jugendkriminalität als staats­tragende konservative Moral­predigten. Die CDU will zudem, dass die Lehrkräfte wei­tere „Ord­nungsmittel“ einsetzen können. Mit einer solchen Werteerziehung mag man die CDU-Wählerinnen und -Wähler errei­chen; die betreffenden jungen Menschen werden sich davon aber kaum angesprochen fühlen.

Und auch für andere Felder der Kriminalitätsprävention gilt, dass dieses nicht unbedingt jene Themen sind, bei der die CDU bisher durch Taten aufgefallen ist: Der Abbau sozialer Ungleich­heit, Chancen­gleichheit in Schule und Ausbildung, die Problematisierung der Gewalt in Familien und Medien, die Ausnahme der Jugendhilfe von Einsparungen, eine wirklich auf Akzeptanz des Fremden beruhende Integration von Migranten und deren Fami­lien. Dies sind die Felder auf denen der Kinder- und Jugendkriminalität wirksam vorgebeugt wird.

Wie kreativ die Union die Probleme wirklich anpackt, lässt sich aber am besten daran ablesen, wie sie mit bereits kriminell gewordenen Kindern und Jugendlichen umgehen will. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, bleibt nicht viel mehr als die hilflose Forderung nach mehr Härte. Und die, das wissen wir, kann genau das Gegenteil bewirken. Selbst die meisten mehr­fach­auffälligen Kinder fallen nur episodenhaft auf und wachsen aus der Krimi­nalität wieder heraus, wenn sie nicht vorschnell in die falsche Schublade gesteckt werden. Wer hier nicht mit viel Geduld herangeht – so schwer das manchmal auch fallen mag – fördert am Ende selbst die kriminellen Karrieren, die man doch verhindern wollte. Zu einer verantwortungsvollen Strafjustiz tragen Forderungen wie die Relativierung des Erziehungsziels im Jugendstrafrecht oder die Einführung eines Einstiegsarrests nicht unbedingt bei.

Auch wenn die CDU-Politik neu verpackt worden ist, verfährt sie im Kern immer noch frei nach dem Motto: Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt. Das ist nicht die Lösung.

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