Rääde · Flemming Meyer · 25.02.2009 Konjunkturpaket II - Investitionsprogramm

Es ist schon eine verrückte Zeit, in der wir leben. Haben wir noch vor einem Jahr lange um kleine dreistellige Beträge gefeilscht, so können wir es jetzt kaum abwarten, Millionen und Milliarden loszuwerden. Gestern hat die Landesregierung einen Scheck über anderthalb Milliarden ausgestellt und eine Bürgschaft über fünf Milliarden übernommen und heute geht es darum, so schnell wie möglich über 430 Millionen Euro auf das Land zu verteilen. Aber es ist nun einmal so, dass das wichtigste und beste Mittel gegen die Krise öffentliche Investitionen sind. Die Sanierung und der Ausbau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern und anderer Infrastruktur sorgen für Arbeit und Umsatz, kommen allen Bürgern zugute und müssen irgendwann ohnehin getan werden. Es ist also richtig, beim Konjunkturprogramm II ein Hauptgewicht auf diese Investitionsförderung zu legen, auch wenn wir vom SSW uns eine noch deutlichere Prioritätensetzung für Investitionen gewünscht hätten.

Richtig ist es auch, den Schwerpunkt bei Investitionen in den Kommunen zu setzen. Zum einen werden hier die meisten öffentlichen Ausgaben getätigt, die zur Stärkung der Wirtschaft beitragen können. Zum anderen gibt es hier einen besonderen Nachholbedarf. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt den Investitionsstau bei Kommunen auf rund 75 Milliarden Euro, davon allein 6 Milliarden bei den Schulen und 30,9 Milliarden Euro bei Straßen. Es gibt also genug zu tun und keiner muss sich fragen, ob dieses Geld auch am richtigen Ende ausgegeben wird.

Die inhaltliche Schwerpunktsetzung ist weitgehend durch die Bundesregierung vorgegeben, aber deshalb nicht weniger richtig. Keiner wird widersprechen, dass wir in Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser investieren müssen und keiner wird bezweifeln, dass der ländliche Raum weiterentwickelt werden muss. Gerade weil unser Land zum größten Teil aus ländlichem Raum besteht, ist diese Prioritätensetzung besonders wichtig. Vor diesem Hintergrund hat es mich gefreut, heute in den Husumer Nachrichten zu lesen, dass der Bund auch den ländlichen Wegebau fördert. Denn diese Maßnahme wirkt breit und in der Fläche. Dasselbe gilt für den Ausbau der Breitbandnetze im ländlichen Raum; die Anbindung an das weltweite Computernetz ist heute ein ebenso wichtiger Standortfaktor wie die Verkehrsanbindung.

Das Investitionsprogramm ist jener Teil des zweiten Konjunkturpakets, der die größte Herausforderung für das Land darstellt. Denn wir entscheiden mit, wie es in Schleswig-Holstein umgesetzt wird. Es kommt darauf an, dass die Landesverwaltung in Zusammenarbeit mit den Kommunen die wichtigsten Projekte aussucht – große wie kleine – und dann die Gelder schnell und flexibel in die Taschen von Handwerkern, Unternehmern und Arbeitnehmern transportieren, damit sie die Konjunktur befeuern.

Erfreulich ist, dass der Finanzminister den Finanzierungsanteil des Landes von 90 Millionen Euro in seiner Rücklagenschatulle finden konnte und so keine neuen Schulden dafür aufnehmen muss. Angesichts der anderthalb Milliarden für die HSH-Nordbank ist diese Freude allerdings eher von symbolischem Charakter. Wichtiger ist, dass das Land klammen Gemeinden bei der Finanzierung unter die Arme greifen will, wenn sie nicht die entsprechenden Komplementärmittel aufbringen können. Alles andere würde die Ungleichheit verstärken, die schon vor Ort besteht. Ob die „Sozialstaffel“ für Kommunen, die immer noch eine 12,5-prozentige Eigenbeteiligung vorsieht, wirklich ausreicht, werden wir noch beobachten müssen. Wir hätten es lieber gesehen, wenn die Landesregierung in Extremfällen auch vollständig auf eine kommunale Kofinanzierung verzichtet hätte. Die Praxis wird zeigen, ob dies noch notwendig sein wird. Auf jeden Fall gilt: Wer heute kein Geld für Investitionen hat, hat es nach dem Konjunkturprogramm schon gar nicht. Denn die beiden Konjunkturpakete der Bundesregierung mit den darin enthaltenen Steuererleichterungen werden zu deutlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer und Einkommenssteuer führen.

Gerade deshalb muss eines jetzt auch ganz deutlich gesagt werden: Die massiven Investitionen in den Kommunen machen nur dann Sinn, wenn das Land nicht als nächstes wieder in den kommunalen Finanzausgleich eingreift. Es ist klar, dass die finanziellen Folgen der Rezession, der Bankenrettung, der Schuldenbremse und auch des Konjunkturpakets unseren Finanzpolitikern bald massive Schmerzen bereiten werden, und dass die Versuchung groß sein wird, das Leid mit unseren Kommunen zu teilen. Deshalb die vorbeugende Warnung: Wer den Kommunen mit der einen Hand Bundesmittel gibt, um ihnen mit der anderen Hand wieder Landesgeld aus der Tasche zu ziehen, würde die Kommunen betrügen und das Konjunkturprogramm unterlaufen. Also denken sie nicht einmal daran!

Aber erst einmal geht es darum, wie das Geld zu den Trägern der Investitionsmaßnahmen kommt. Das Verfahren bei der Verteilung der Investitionsmittel auf konkrete Projekte ist weiterhin unklar, denn die Förderrichtlinien liegen noch nicht vor, obwohl das erste Geld schon in zwei Monaten fließen soll. Diese Unklarheit steht in Kontrast zu der hektischen Betriebsamkeit, die das Konjunkturprogramm schon seit Januar auslöst. Wer mit Kommunalpolitikern und Verwaltungen zu tun hat, der erlebt derzeit eine Aktivität, die selbst das berüchtigte Dezember-Fieber in den Schatten stellt. Die Verteilung des Geldes steht an und jeder will daran teilhaben. Allein im Kreis Nordfriesland sind die Anteile an der Konjunkturförderung bereits mehrfach überzeichnet. Es gibt kaum einen Ort, der nicht Licht am Horizont für seine marode Schule oder die löchrige Dorfstraße sieht.

Der aktuelle Geldsegen ist ein positiver Lichtblick im tristen Alltag der kommunalen Finanzpolitiker. Trotzdem ist es wichtig, einen klaren Kopf zu bewahren und zu sehen, wie eine gerechte Verteilung aussehen kann. Denn die kommt natürlich nicht von selbst. Von daher begrüßen wir auch, dass die Landesregierung einen angemessenen Anteil der Fördermittel für freie Schulen, darunter auch die Schulen des Dänischen Schulvereins, reserviert hat. Dies zeigt, dass die Regierung ihrer Verantwortung für die Teilhabe aller Schulkinder am Investitionsprogramm wahrnimmt.

Der SSW hat ja bereits im Januar davor gewarnt, dass freie Träger generell schlechtere Karten bei der Verteilung der Mittel haben. Ihre Angebote stehen nicht selten in Konkurrenz zu öffentlichen Institutionen und würden bei einer Prioritätensetzung vor Ort keine Chance haben. Sorge bereitet uns daher, dass es keine entsprechende Festlegung in Bezug auf andere Bereiche des Programms, wie die Sanierung von Kindertagesstätten und Sportstätten oder Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raums, gibt. Hier sehen wir die Gefahr, dass kommunalen Vorhaben grundsätzlich der Vorrang vor Investitionsmaßnahmen freier Träger eingeräumt werden wird. Dass diese Sorgen nicht unbegründet sind, hat schon die Äußerung eines Landrates aus dem Norden gezeigt, dass es schließlich um ein kommunales Investitionsprogramm gehe, das kommunalen Einrichtungen und eben nicht Minderheiteninstitutionen zugute kommen solle.

Im Zukunftsinvestitionsgesetz ist zwar festgeschrieben, dass die Mittel trägerneutral zu gewähren sind. Aber es wäre blauäugig zu glauben, dass diese Gerechtigkeit sich von selbst einstellt. Deshalb erwarten wir, dass die Landesregierung sich ebenso hinter die freien Träger stellt, wenn es um jene Mittel geht, die von den Kreisen und Kommunen vergeben werden. Es liegt in der Verantwortung der Landesregierung, dafür zu sorgen, dass Einrichtungen in Trägerschaft der ADS, der Kirchen, des Dänischen Schulvereins oder der AWO ebenso berücksichtigt werden, wie öffentliche Einrichtungen. Die Maßnahmen dieser Organisationen und Vereine müssen aus dem kommunalen Anteil der Investitionsmittel angemessen gefördert werden. Um dies sicherzustellen, muss in den Förderrichtlinien verbindlich festgelegt werden, dass ein Anteil der Mittel an freie Träger und an die Organisationen und Vereine der dänischen Minderheit zu vergeben ist. Geschieht dies nicht, dann werden freie Träger schon allein deshalb übervorteilt, weil sie vielfach klare Aussagen über die Fördermöglichkeiten – also die Förderrichtlinien – abgewartet haben, während die Kommunen schon längst ihre Projekte eingereicht haben und in den Startlöchern stehen.

Und noch ein letztes Anliegen, dass mir besonders am Herzen liegt: In Verbindung mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz sollen neue Schwellenwerte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten. Die Ausschreibung von Teillosen, die freihändige Vergabe bis 100.000 Euro und die begrenzte Ausschreibung bei Bauleistungen bis zu einer Million Euro sollen wohl zuerst dafür sorgen, dass auf langwierige Ausschreibungsverfahren verzichtet werden kann und die Gelder schnell fließen. Diese neuen Vergaberegelungen tragen aber auch dazu bei, dass die Mittel wirklich in der Region ausgegeben und verdient werden können. Die Landesregierung kann aber selbst und ganz unabhängig vom Bundesprogramm mehr dafür tun. Sie kann und sie muss endlich dafür sorgen, dass unsere eigene Wirtschaft auch über das Konjunkturprogramm hinaus eine faire Chance bekommt, sich die öffentlichen Gelder zu verdienen – oder anders herum, dass unsere Steuergelder nicht in andere Regionen und Nationen fließen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, endlich eine Nachfolgelösung für das Tariftreuegesetz zu finden. Der SSW hat schon 2008 einen Weg aufgezeigt, wie dies mit Allgemeinverbindlichkeitserklärungen EU-konform geregelt werden kann. Es ist im Interesse unseres Landes.

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