Rääde · Flemming Meyer · 16.07.2009 Landesunterkünfte für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein

Es ist mehr als ärgerlich, dass die Landesregierung in ihrer Vorbemerkung zur großen Anfrage die Unterbringung in einer Zentralen Unterkunft als alternativlos darstellt. Das ist falsch, zumindest, was den Aufenthalt nach Ablauf von drei Monaten betrifft. Eine Befristung ist rechtlich durchaus möglich. Hinzu kommt, dass die Landesregierung in ihrer Erläuterung zu Frage 2 die Notwendigkeit des Erhalts mindestens einer Landesunterkunft aufgrund von § 44 des Asylverfahrensgesetzes anführt. Dieser Paragraph bezieht sich laut Aussagen des Flüchtlingsrates aber nur auf die „Erstaufnahme“ die längstens drei Monate dauern soll. Soll heißen: Eine Befristung ist zum einen rechtlich durchaus möglich. Zum anderen werden dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten in Kommunen und Städten, die sich für das Flächenland Schleswig-Holstein geradezu anbieten, aktuell diskutiert – aber offensichtlich nicht seitens der Landesregierung.
So kommt es, dass die Aufenthaltsdauer in der Zentralen Unterkunft durchschnittlich bei ca. einem Jahr liegt. Bei Ausreisepflichtigen liegt die durchschnittliche Verweildauer sogar bei 565 Tagen. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass sich die Landesregierung nicht dazu imstande sieht, eine genauere Statistik vorzulegen. Aus Sicht des SSW würde ein Statistik über die Aufenthaltsdauer von Asylsuchenden in den Zentralen Gemeinschaftsunterkünften aber zu mehr Transparenz in diesem Bereich beitragen und damit nicht nur als Bürokratie abgetan werden.

Die Landesregierung scheint aber weiterhin der Meinung zu sein, dass die zentrale Unterbringung der Flüchtlinge, ohne eigene Wohnung, ohne eigene Kaffeemaschine und ohne eigene Toilette die gesetzlich einzig erlaubte sei. Ganz unverblümt gibt sie zu, dass es bei der zentralen Unterbringung darum gehe, möglichst hohe Rückführungsraten zu erreichen. Nur die „Wohnverpflichtung in einer Landesunterkunft und die konsequente Einhaltung rechtlicher Vorgaben zeigt Erfolge“ (S. 25). Wohnen die Flüchtlinge dagegen nicht in der zentralen Unterkunft, sei die Rate der Rückführung geringer. Problematisch ist nur, dass die Landesregierung im weiteren Verlauf der Beantwortung jegliche Begründung schuldig bleibt, inwieweit die landeszentrale Unterbringung tatsächlich zu einem beschleunigten Verfahren führt. Das Argument der Beschleunigung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren durch die zentrale Unterbringung, weil jederzeit auf die Betroffenen zugegriffen werden kann, entlarvt sich aus Sicht des SSW damit als vorgeschoben. Es geht um Kontrolle und Ausgrenzung. Sollte das Argument nämlich zutreffen, müssten alle Antragsteller direkt bei der zuständigen Behörde wohnen, um die Verfahren zu beschleunigen. Das würde Finanzamt und Bauamt sicherlich von ganzem Herzen freuen. Wenn man das Argument in dieser Weise auf die Inlandsbevölkerung anwendet, zeigt sich, wie falsch und vorgeschoben es tatsächlich ist. Es bleibt also als belastbarer Grund für die zentrale Unterbringung nur die Abschreckung.
Dieses politische Argument für die zentrale Unterbringung ist genauso abzulehnen, wie die ausschließlich ökonomisch begründete Kritik des Landesrechnungshofes. Es kann eben nicht darum gehen, die billigste Unterbringung für die Flüchtlinge zu finden, sondern eine angemessene.
In der Antwort geht die Landesregierung auf den schlechten psychosozialen Zustands vieler Flüchtlinge ein, der sich nach Jahren der Verfolgung und der Flucht fast automatisch einstelle. Trotzdem zwingt sie die Flüchtlinge in eine Zwangsgemeinschaft, bei der kaum eine Privatsphäre möglich ist und verdammt sie zum Nichtstun. Damit provoziert sie geradezu Stress und Reibereien.
Die Träger bemühen sich redlich und umgehen das Verbot von Deutschkursen mit eigenen Angeboten. Sie wissen am besten, dass ohne rudimentäre Deutschkenntnisse die zentrale Unterbringung für ihre Bewohner zum Gefängnis wird, wenn draußen keine Verständigung möglich ist.
Der SSW hat in seiner Flüchtlingspolitik immer darauf hingewiesen, dass die Würde des Menschen Maßstab jeder Politik bleiben muss. Das fordern wir auch an dieser Stelle nachdrücklich ein. Der SSW plädiert dafür, unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge grundsätzlich dezentral unterzubringen, ebenso wie Familien mit Kindern. Kinder gehören nicht in die zentrale Unterbringung; bei schulpflichtigen Kindern besteht nicht einmal die Möglichkeit, die Hausarbeiten störungsfrei zu erledigen. Damit ist keine erfolgreiche Schulkarriere möglich.
Aber auch die anderen Flüchtlinge sollten nicht mehr in zentral untergebracht werden. Die zentralen Unterkünfte, vor mehr als 20 Jahren ausdrücklich als Abschreckungslager eingerichtet, sind nicht mehr zeitgemäß und sollten nicht mehr genutzt werden.

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