Rääde · Flemming Meyer · 27.03.2009 Neuorganisation der ARGEn Kommunale Trägerschaft im SGB II: Hilfen aus einer Hand

Das politische Berlin befindet sich mitten im Wahlkampf. Aus diesem Grund wird wohl kein einziges wichtiges gesetzgeberisches Verfahren mehr bis zur Sommerpause abgeschlossen werden. Kein Koalitionspartner gönnt derzeit dem anderen auch nur einen winzigen Erfolg. Dieser verqueren Logik fiel bereits das Naturschutzgesetzbuch zum Opfer; ein anderes, aktuelles Beispiel ist der Krach um die Neuorganisation der ArGen. Obwohl die Verhandlungsführer der Union in den Ländern dem Kompromiss schon zugestimmt hatten, wurden diese von ihrer Fraktion zurück gepfiffen. Die Reorganisation der ArGen ist derzeit also vom Tisch.

Dennoch besteht kein Grund zur Panik. Kein Hilfeempfänger wird wegen des Berliner Hickhacks Angst um seine Bezüge, die Beratung oder Vermittlung haben müssen. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bis Ende 2010 Zeit gegeben, den Verfassungsbruch zu beheben. Erst dann könnte es brenzlig werden. Allerdings wissen wir aus der Vergangenheit, wie lange es dauert, bis eine neue Struktur wirklich in Gang gekommen ist. Die Optionskommunen benötigten bis zu zehn Monate, bis sie flächendeckend eine Beratungsstruktur aufgebaut hatten und alle Jobcenter am Start hatten. Auf den Ausbildungsstart 2005 zum Beispiel hatten sie kaum Einfluss, weil sie einfach noch in der Startphase waren. Darum warne ich davor, eine neue Institution zu installieren, wie immer sie auch heißen mag. Wir würden damit kostbare Zeit auf dem Arbeitsmarkt verschenken. Jeder Vermittler kann ein Lied davon singen, dass die Vermittlungschancen mit jedem Monat Hartz-IV-Bezug sinken. Darum lehnt der SSW den Plan, neue Zentren für Arbeit unter der Regie der Arbeitsagenturen einzurichten, ab.

Es kommt allerdings auch nicht in Frage, dass wir wieder zu den alten, unseligen Zeiten der getrennten Leistungsverwaltung zurückkehren. Genau diese Trennung war einmal der Auslöser für den Umbau der Arbeitsverwaltung: die Sozialhilfeempfänger, die vor den Hartz-Reformen kein Recht auf Beratung und Vermittlung durch das Arbeitsamt hatten, sollten in die Arbeitsverwaltung integriert werden. Es droht eine getrennte Verwaltung von Sozialhilfe und Arbeitsvermittlung, wenn es zu überhaupt keiner Einigung kommt. Dann sperren die Sozialämter wieder ihre Türen auf und Leistungen gibt es wieder von mehreren Stellen, die nicht miteinander kooperieren.

Im Norden kennen wir ArGen und auch Optionskommunen, denn sowohl der Kreis Schleswig-Flensburg als auch Nordfriesland haben sich für diese Option entschieden, die erst in letzter Sekunde überhaupt Eingang in die Hartz-Gesetze fand. Viele Hilfeempfänger erleben die Beratung in den Optionskommunen als unbürokratisch und direkt, während in den ArGen mancher Vorgang von einem Schreibtisch zum anderen geschoben wird. Die zwei Verwaltungskulturen von Arbeitsagentur und Kommune haben sich auch nach vier Jahren noch nicht völlig angeglichen.

Der SSW sieht das Prinzip der Hilfe aus einer Hand als das wesentliche Strukturmerkmal einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik an und hat sich daher für die Kommunalisierung der Arbeitsmarktpolitik ausgesprochen.

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil beurteile ich nicht als Störung der Routine, sondern als zweite Chance, noch einmal in Ruhe über die optimale Struktur der Arbeitsverwaltung nachzudenken. Denn die Hartz-Reform ist damals mit heißer Nadel gestrickt worden. Viele Fehler könnten wir jetzt grundsätzlich beheben. Wir sollten nicht vergessen, dass es mehr Möglichkeiten als lediglich die Bewahrung des Status quo mittels einer Grundgesetzänderung gibt.

Dazu gehört die Entflechtung entweder zugunsten der Arbeitsagenturen oder zugunsten der Kommunen. Für die erste Alternative lässt sich derzeit überhaupt keine Mehrheit erkennen – das sagt auch schon einiges über die Qualität der Arbeit der Bundesagentur für Arbeit.
Die andere Alternative besteht in der vollständigen Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung für alle Langzeitarbeitslose. In diesem Fall muss allerdings eine überregionale Koordinierung gewährleistet werden. Ansonsten blieben Langzeitarbeitslose auf den regionalen Arbeitsmarkt beschränkt. Hier sollten schleunigst tragfähige Konzepte entwickelt werden. Da kann man möglicherweise auch von unserer nördlichen Nachbarn lernen.

Ich bezweifle allerdings, ob diese Vorschläge überhaupt Gehör finden. Wir sind in Schleswig-Holstein nur Zaungäste des Berliner Machtpokers. Spätestens nächstes Jahr werden wir irgendeine Lösung präsentiert bekommen und mit der müssen wir dann zu Recht kommen. Aber das kennen wir ja schon. Was Gutes ist da bestimmt nicht zu erwarten.

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