Rääde · Christian Dirschauer · 29.09.2022 Pflege ist Daseinsvorsorge und muss bezahlbar bleiben

„Eine menschenwürdige Pflege darf nicht zur Luxusware werden“

Christian Dirschauer zu TOP 21 - Reform der Investitionskostenfinanzierung in der Pflege (Drs. 20/228(neu))

Die deutsche Pflegeversicherung ist bekanntlich nicht als Vollkaskoversicherung konzipiert. Sie wird durch größtenteils paritätische Beiträge der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite finanziert. Und sie deckt leider in vielen Fällen nicht alle Kosten der Pflege ab. Das bedeutet ganz konkret: Wenn die Beiträge für das Pflegeheim oder für ambulante Leistungen steigen, müssen die Betroffenen oder ihre Angehörigen oftmals selbst in die Tasche greifen. Die unterschiedlichen Beiträge, die aus privater Hand mit in die Pflege fließen, haben wir hier schon öfter diskutiert. Insbesondere die massiv steigenden Heimpreise bereiten vielen Menschen große Sorgen. Doch die Bewohnerinnen und Bewohner in den Einrichtungen zahlen nicht nur für Pflege, Betreuung und Unterkunft. Sondern sie zahlen auch jedes Jahr Milliarden an Investitionskosten. Und deshalb ist es wichtig, dass wir hier und heute über die Finanzierung dieser Kosten reden. 

Wer im Pflegeheim lebt, steuert monatlich gerne mal 500 Euro oder auch mehr zu den Investitionen in der Einrichtung bei. Diese Summe ist weit mehr als ein Obolus und engt den finanziellen Spielraum der Pflegebedürftigen zusätzlich ein. Dabei wissen wir, dass längst über ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gleichzeitig haben Heimbetreiber im bestehenden System ein berechtigtes Interesse daran, dass sie nicht auf ihren Investitionsausgaben sitzen bleiben. Schließlich sind nahezu alle Einrichtungen privat und müssen Gewinne abwerfen. Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz, dass sich das Land an dieser Stelle stärker einbringt, absolut folgerichtig. Diese Idee ist zwar nicht neu. Aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist und bleibt sie aus Sicht des SSW der richtige Weg. 

Ob und wie viel die Länder zum Erhalt der stationären Pflegeinfrastruktur beitragen, ist unklar. Experten zufolge ist das Investitionsverhalten an dieser Stelle sehr uneinheitlich und unübersichtlich. Sicher scheint nur, dass sich die meisten Länder hier lediglich in verschwindend geringem Ausmaß beteiligen. Das kann auch kaum verwundern: Denn anders als bei der Investitionskostenfinanzierung der Krankenhäuser gibt es bei der Investitionskostenfinanzierung im Altenpflegebereich keine gesetzliche Verpflichtung. Unsere beantragte Änderung des Ausführungsgesetzes zum Pflegeversicherungsgesetz löst dieses Problem. Denn damit wäre das Land dann stärker in der Verantwortung, wenn es um investive Mittel geht, und die Pflegebedürftigen wären im entsprechenden Umfang entlastet. 

Ich habe es bereits angedeutet und will auch bei dieser Gelegenheit keinen Hehl daraus machen, dass wir uns möglichst viel Pflegeinfrastruktur und Krankenversorgung in öffentlicher Hand wünschen. Es ist doch klar, dass nicht zuletzt die Renditeerwartungen von Investoren mitverantwortlich für die Probleme sind, die wir heute diskutieren. Für den SSW bleibt es dabei, dass weder Pflege noch Krankenversorgung Waren oder Dienstleistungen sind, mit denen Gewinne erwirtschaftet werden sollen. Sie sind vielmehr Kern der Daseinsvorsorge und dürfen diejenigen, die darauf angewiesen sind, nicht in finanzielle Probleme stürzen. Natürlich ist eine Entlastung der Pflegebedürftigen in Heimen durch eine Deckelung der Eigenanteile und durch die beantragte Übernahme der Investitionskosten durch das Land wichtig. Aber langfristig sollten wir nicht nur verstärkt auf die Rekommunalisierung von Einrichtungen, sondern auch auf die Steuerfinanzierung von Krankenversorgung und Pflege setzen. Denn eine menschenwürdige Versorgung darf nicht zur Luxusware werden, die sich nur noch Teile der Bevölkerung leisten können. 
 

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