Rääde · Flemming Meyer · 10.12.1998 Rahmenbedingungen und Perspektiven für Schleswig-Holstein

Sie kennen sicherlich alle das Buch von Günther Grass mit dem Titel Ein weites Feld" Gleiches könnte man auch zur Regierungserklärung mit dem Thema Rahmenbedingungen und Perspektiven für Schleswig-Holstein" sagen: Das ist ein weites Feld. Leider lag uns der genaue Text und Inhalt dieser Regierungserklärung erst sehr spät vor und wir alle haben deshalb ein bischen im Dunkeln gestochert. Genau wie bei dem CDU-Antrag, den der Landtag im Juli beraten hat, geht es aber um Schleswig-Holsteins Zukunft im 21. Jahrhundert.
Ich möchte meinen Beitrag zu diesem Thema damit beginnen darauf hinzuweisen, was nach Ansicht des SSW eine für das Land sehr wesentliche Rahmenbedingung auch nach dem Jahr 2000 sein wird. Nämlich die Tatsache, daß es weiterhin Dänen auf deutschen Boden geben wird. Die dänische Minderheit wird also dem Land Schleswig-Holstein auch in Zukunft erhalten bleiben - darauf können sie sich schon mal einstellen. Das können auch die Ditmarscher Bauern nicht verhindern um auf ein Zitat von - den vom mir sehr geschätzten - Landwirtschaftsminister Buß einzugehen.
Ich weiß natürlich, daß der Landwirtschaftsminister bei seinem Zitat: Politiker sind nicht dazu da, Dänen von deutschen Boden fernzuhalten - das können Ditmarscher Bauern besser" über dänische Landwirtschaftsprodukte sprach, finde aber trotzdem, daß seine Einlassungen zu diesem Thema passen und von mir als Vertreterin der dänischen Minderheit nicht unkommentiert bleiben können.
Natürlich werden auch die nationalen Friesen und Sinti und Roma nach dem Jahr 2000 weiter zur kulturellen Vielfalt Schleswig-Holsteins beitragen. Damit wird nach Auffassung des SSW auch die Minderheitenpolitik weiterhin eine wichtige Rolle für das Land spielen müssen. Nicht zuletzt durch die Verabschiedung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten durch den Bundestag haben sich neue Herausforderungen und Perspektiven in der Minderheitenpolitik ergeben.
Durch das Inkrafttreten des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten am 01.01.1998 und die verabschiedete Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen" hat sich die Verpflichtung gegenüber den traditionellen Minderheiten der Dänen und der Volksgruppe der Friesen in Schleswig-Holstein, der Sorben und der Sinti und Roma qualitativ geändert. Das heißt Minderheitenpolitik ist jetzt ebenfalls Aufgabe des Bundes.
Das bedeutet natürlich nicht, daß das Land Schleswig-Holstein aus seiner Verantwortung für die hiesigen Minderheiten entlassen wird, sondern nur daß der Bund zusätzlich Verantwortung übernehmen muß. In diesen Zusammenhang bleibt es langfristig das Ziel des SSW den Minderheitenschutz in die Verfassung der Bundesrepublik mitaufzunehmen.
Konkret kommt es bei der Umsetzung der Charta darauf an, verstärkt die Gleichstellung der Sprachen im Grenzland zu fördern. Der SSW begrüßt dabei, daß die Landesregierung das Fach Dänisch an den Grundschulen stärker fördern will. Aber auch andere Minderheitensprachen wie das Friesisch oder Plattdeutsch müssen besser gefördert werden. Dazu muß Minderheitenpolitik in Zukunft stärker als Kultur- und Gesellschaftspolitik begriffen werden. Das muß sich beispielsweise in der Medienpolitik wiederspiegeln.
Zu den weiteren wichtigen Rahmenbedingungen gehört die engere Koorperation und Zusammenarbeit mit den anderen norddeutschen Bundesländer. In dieser Frage ist die Landesregierung in den letzten Monaten ein gutes Stück weitergekommen. Sowohl die Zusammenarbeit mit Niedersachen und Hamburg im Regionalen Entwicklungskonzept der Metropolregion Hamburg als auch eine Reihe von Staatsverträgen zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg - gerade heute beschließen wir in Zweiter Lesung einen Staatsvertrag - zeigt, daß Schleswig-Holstein auf den richtigen Weg ist. Gemeinsame Kabinettsitzungen wie jüngst zwischen den Regierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein sind ein weiteres Indiz für diese positive Entwicklung.
Dabei sollte man diese Koorperation zwischen den norddeutschen Bundesländern auch zu gemeinsamen Initiativen in der Ostseezusammenarbeit nutzten. Die Ostseekoorperation ist weiterhin das Prunktstück der Politik der Landesregierung. Die Vision des Mare-Balticum bietet eine zukunftsträchtige Perspektive für die weitere wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Schleswig-Holsteins. Aber auch hier gilt, daß die anderen nicht schlafen und, daß wir in Schleswig-Holstein uns nicht auf den Lorbeeren der bisherigen Erfolge ausruhen dürfen.
In diesen Zusammenhang kann das von der Landesregierung in Zusammenarbeit mit Südschweden, Kopenhagen und Süd-Dänemark in Gang gesetzte Entwicklungskonzept Südliche Ostsee" für die weitere Entwicklung in der Ostseepolitik Schleswig-Holsteins eine wichtigere Rolle spielen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen diesen Ostseeanrainern und gemeinsame Projekte sind zu begrüßen.
Ich habe aber bereits in der Juli-Sitzung zum CDU-Antrag Schleswig-Holstein im 21. Jahrhundert" darauf hingewisen, daß es aus unserer Sicht, wenn man zur Lösung der Herausforderungen vor denen Schleswig-Holstein steht nach Norden blickt, wichtig ist die richtigen Lehren aus den wirtschaftlichen Erfolg Dänemarks und auch aus der sich abzeichnenden Entwicklung in Südschweden für Schleswig-Holstein zu ziehen.
Bei der von neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay angestoßenden Diskussion um den Bau einer Fehmarnbrück, stimmt es uns dabei als regionale Partei des nördlichen Landesteil Schleswig-Holstein bedenklich, wenn man die Zukunft Schleswig-Holsteins in einer Achse von Südschweden über Dänemark und Fehmarn-Sund nach Holstein sieht. Es ist richtig, daß ein großer Teil der Verkehrströme in Zukunft diesen Weg gehen sollte - ob mit oder ohne Fehmarnbelt-Querung. Auch weil die Kapazitäten im Straßen- und Schienenverkehr über den nördlichen Landesteil den zu erwartenden Verkehrsanstieg nicht standhalten können. Denn die Rendsburger Hochbrücke kann trotz der Renovierungsarbeiten ein Engpaß für den Schienenverkehr werden.
Deshalb bleibt es für uns wichtig, daß der nördliche Landesteil und die Westküste nicht noch mehr wirtschaftlich abgehängt werden wird. Daher hat nach den Ausbau der A20 für den SSW der Bau der westlichen Elbquerung sowohl mit Straßen- und Schienenanbindung weiterhin erste Priorität vor einer möglichen Fehmarn-Querung. Wir versprechen uns von diesem Projekt positive wirtschaftliche Impulse für die gesamte schleswig-holsteinische Westküste.
Was die Finanzierung dieser großen Projekte betrifft, könnte man sich in der Tat auf skandinavische Erfahrungen stützten. Beispielsweise werden sowohl die Großen Belt-Querung als auch die Öresundsquerung voll durch die Maut der Benutzer finanziert. Die Regierungen von Dänemark und Schweden garantieren nur für die Kredite, die zum Bau der Projekte, von privaten Kapitalmarkt geliehen wurden. So entgeht man das die Steuerzahler für die Milliarden-Gelder - die zum Bau benötigt werden - aufkommen müssen und sichert durch die Maut ein vernünftiges und belastbares Verkehrsaufkommen auf der Querung.
Auch was die umweltpolitischen Aspekte solcher Großprojekte angeht, kann man auf die skandinavischen Erfahrungen zurückgreifen. So wurden bei beiden großen Projekte - Große Belt und Öresund - umfangreiche Umweltschutzmaßnahmen zur Vorbedingung für den Bau gemacht. Auch der umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr wurde gezielt bevorzugt, indem beschlossen wurde den Schienenverkehr einen zeitlichen Vorsprung gegenüber dem Autoverkehr zugeben. Der SSW fordert, daß solche Erfahrungen in den Planungen sowohl der westlichen Elbquerung als auch einer möglichen Beltquerung miteinfließen müssen.
Aus unserer Sicht wird es aber in Zukunft nicht genug sein sich nur auf die harten Standortfaktoren wie die Großbauprojekte zu fixieren. Ebenso wichtig sind die weichen Standortfaktoren wie die Technologieentwicklung und Hochschulzusammenarbeit zu sehen. Mit den neuen Informationstechnogien wird es verstärkt Neuansiedlungen von Unternehmen geben, für die die Verkehrsinfrastruktur bei ihrer Standortwahl nicht mehr allein entscheidend und ausschlaggebend ist.
Gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein gutes Ausbildung- und Weiterbildungssystem, Technologiezentren sowie eine effiziente öffentliche Verwaltung werden in Zukunft immer wichtiger für die Standortwahl von modernen Unternehmen werden. Das heißt unabhängig von geographischen Standort haben auch weit abgelegende Regionen gute Chancen Unternehmen anzuziehen, wenn sie bei den eben erwähnten Standortfaktoren etwas anzubieten haben.
Für den Landesteil Schleswig wird es deshalb darauf ankommen besonders die Universtität- und Hochschullandschaft und die Technologieentwicklung besser zu fördern, aber auch die effizienz der kommunalen Verwaltungen der Region zu verbessern. Dabei muß auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen unserem Landesteil und Sønderjylland besonders im Universitets- und Hochschulbereich stark verbessert werden. Es gibt in diesen Bereich zwar bereits viele positive Ansätze beispielsweise zwischen der BU Flensburg und Handelshøjskole Sønderborg, doch sind diese noch ausbaufähig.
Ohne konkrete Hilfe aus Kiel wird weiter Vieles im Landesteil Schleswig nicht möglich sein. Das ist auch der Grund, daß der SSW sich vehement für die Weiterführung des Regionalprogrammes auch nach 2000 einsetzt und insgesamt für eine starke regionale Wirtschaftsföderung in den strukturschwachen Gebieten und den ländlichen Raum eintritt.
Die Eckpunkte des zukünftigen Regionalprogramms 2000, die die Landesregierung in ihrem Bericht zur Zukunft der Regionalen Wirtschaftsförderung vorgestellt hat, sieht der SSW dabei als eine gute Arbeitsgrundlage an. Aber es wird entscheidend darauf ankommen wie die Landesregierung konkret dieses neue Instrument der Regionalförderung einsetzten wird. Wir warnen weiterhin davor die Regionalpolitik zu sehr von Vorgaben der EU-Kommission aus Brüssel abhängig zu machen.
Der SSW setzt sich auch für die Jahre nach 2000 für eine aktive und eigenständige Regionalpolitik ein, in der es weiter möglich ist die Entwicklung der strukturschwachen Regionen des Landes mit eigenen finanziellen Mitteln ohne Vorgaben aus Bonn/Berlin oder Brüsssel zu fördern. Es muß weiter möglich sein Mittel in indirekte Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstandorte - wie kulturelle Projekte, Um- und Ausbau von Ausbildungseinrichtungen oder der Förderung des Fremdenverkehrs - zu investieren.
Solche Projekte - ich möchte hier beispielhaft die Phänomenta" in Flensburg oder artefact" in Glücksburg nennen - können maßgeblich dazu beitragen die Attraktivität der strukturschwachen Gebiete zu erhöhen, und somit zur Standortverbesserung dieser Regionen beitragen. Denn gerade Faktoren wie gute Kultur- und Ausbildungs- und Freizeitangebote für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Wirtschaft werden in Zukunft bei Neuansiedlungen oder auch bei der Entscheidung der Unternehmen in der Region zu bleiben eine wichtige Rolle spielen.
Genauso wie die verschiedenen Regionen Schleswig-Holsteins weiterhin von den Vorgaben aus Kiel abhängig sein werden, ist der Handlungsspielraum des Landes von äußeren Faktoren beeinflußt. Die Pläne der EU - AGENDA 2000 - unter anderem zur Neuordnung der Regionalförderung wurden bereits erwähnt. Aber auch Bonn ist für viele der zukünftigen Rahmenbedingungen verantwortlich. Viele der notwendigen Initiativen und Projekte - zumal die wichtigen Verkehrsinfrastrukturausbau-Projekte, wie A20, westliche Elbquerung, Fehmarnbelt-querung - werden ohne tatkräftige Unterstützung des Bundes nicht umgesetzt werden können.
Das Land wird also für seine Visionen in Bonn Partner finden müssen. Dabei können wir hoffen, daß sich die Regierungsbeteiligung von Rot-Grün in Bonn, Hamburg und Schleswig-Holstein auf diese Projekte positiv auswirken wird. Auch wenn sich die unterschiedliche Interessenlagen zwischen Bund und Ländern im finanziellen Bereich und auch in der Zielrichtung weiter bestehen bleiben.
Ein sehr wichtiger Punkt unter dem Stichwort Rahmenbedingungen und Perspektiven ist dabei für Schleswig-Holstein die Lösung der finanziellen Probleme der öffentlichen Haushalte. Der Gestaltungsspielraum der Politik wird immer mehr von den finanziellen Problemen eingeengt und geht gegen Null. Um die finanziellen Probleme der öffentlichen Hand langfristig auch nur annähernd lösen zu können, muß bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der sozialen Probleme entscheidende Fortschritte gemacht werden. Nur durch eine Reduzierung der Arbeitslosen und der Sozialhilfeabhängigen werden die öffentlichen Haushalte - auch in Schleswig-Holstein - wirksam entlastet. Das gilt gleichermaßen für Bund, Länder und Kommunen.
Dazu müssen auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen langfristig - spätestens mit einer Finanzreform im Jahr 2005 - neu geordnet werden. Beispielsweise wären mehr Eigenverantwortlichkeit bei den Steuereinnahmen des Landes eine Möglichkeit, um finanzielle Handlungsspielräume zurückzugewinnen.
Letztendlich kommt dem Bund die wichtigste Rolle bei der Lösung dieser Probleme zu.In diesem Zusammenhang ist ein Bündnis für Arbeit unter Beteiligung der Gewerkschaften und der Unternehmer ein entscheidender Faktor um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Der SSW hofft, daß dieser Anlauf mit Gerhard Schröder als Kanzler nun mit Erfolg gekrönt wird. Was in Dänemark und Holland möglich ist, muß auch in Deutschland gelingen können: Eine aktive Arbeitsmarktpolitik getragen von allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen zum Wohle der Arbeitslosen.

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