Rääde · Flemming Meyer · 21.02.2002 Reform der Arbeitsverwaltung

Die Bundesanstalt für Arbeit ist eine der wichtigsten und ältesten Säulen des deutschen Wohlfahrts-staates. Schon 1927 wurde der Vorläufer dieser Anstalt, die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegründet. Es gibt Leute, die meinen, dass die Institution der deutschen Arbeitsämter mit ihren Modell der Beteiligung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an der Selbstverwaltung sogar auf die Tradition Bismarcks mit der Einführung der Arbeitslosenversicherung zurückzuführen ist.

Auf jeden Fall handelt es sich bei der Bundesanstalt für Arbeit um eine gewaltige Behörde, die mit 10 Landesarbeitsämtern, 181 regionalen Arbeitsämtern, 660 lokalen Geschäftsstellen und knapp 87.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Milliardenhaushalt ausgestattet ist.

Sicherlich sind die Aufgaben der Bundesanstalt vielfältig. Denn sie gehen von der Kontrolle und Vermittlung der Arbeitslosen bis hin zur Berechnung des Arbeitslosengeldes sowie auf die Auszahlung des Kindergeldes. Dennoch ist es klar, dass bei einer Arbeitslosigkeit von 4,3 Millionen Arbeitslosen die Vermittlung von Arbeitslosen die erste Priorität einer solchen Anstalt haben müsste. Es kann daher eigentlich keinen überraschen, dass die Öffentlichkeit mit Empörung darauf reagier-te, dass von den angeblich 3,8 Mio. Vermittlungen der Arbeitsämter im letzten Jahr nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes bis zu 70% nicht wirklich getätigt wurden. Der Präsident der Bundesanstalt, Herr Jagoda, hat diese Zahlen jetzt ja auch im Grunde bestätigt.

Bei ca. 33 % der Vermittlungen kann man streiten, ob es wirklich welche sind oder nicht und bei ca. 37 % hat faktisch keine Vermittlung stattgefunden. Man kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsämter keine mutwillige Fälschung vorwerfen, denn die „geschönten“ Statistiken waren sozusagen systembedingt. Rechnet man also mit 3,8 Millionen nicht vorgenommener Vermittlungen bleiben nur noch ca. 1,1 Millionen „echte„ Vermittlungen übrig. Von diesen sind aber 43% auf Vermittlungen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und 15 % auf Vermittlungen im Internet zurückzuführen - also ohne Auswahl und Vorschlag eines Vermittlers.

Zieht man den denn dann übriggeblieben 460.000 Vermittlungen noch die 250.000 Saisonarbeiter ab, bleiben eigentlich nur noch 210.000 klassische Vermittlungen durch die Arbeitsämter. Und das vor dem Hintergrund, das im Jahresdurchschnitt über 7 Mio. Menschen arbeitslos gemeldet werden.

Angesichts dieses weiteren Desaster der deutschen Arbeitsmarktpolitik haben wir für den radikalen Vorschlag der FDP-Landtagsfraktion für eine Reform der Arbeitsverwaltung schon ein gewisses Verständnis. Denn es ist auf keinen Fall genug, die Verantwortung nur auf den Kopf der Bundesan-stalt, Herr Jagoda zu schieben und zu glauben mit seinen Rücktritt und einigen kleineren Reform-schritten ist es getan. Alleine die Tatsachen, dass nur knapp über 10.000 der 87.000 Mitarbeiter der Arbeitsämter sich wirklich mit der Vermittlung der Arbeitslosen beschäftigen und dass wir bei 4,3 Mio. Arbeitslosen knapp 1,5 Mio. freien Stellen haben, zeigt das wir die Arbeitslosenverwaltung von Grund auf her reformieren müssen. Zum Vergleich: es sind beispielsweise in den dänischen Arbeitsämtern ca. 60 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich mit der Vermittlung von Arbeitslosen beschäftigt.

Allerdings ist uns der FDP-Antrag viel zu sehr auf den liberalistischen Reißbrett entworfen worden, in der irrigen Annahme eine völlige Privatisierung der Arbeitsvermittlung würde alle Probleme lösen. Dabei fragen wir uns schon, warum die FDP in 32 Regierungsjahren im Bund nicht ihren Einfluss in dieser Frage mal geltend gemacht und Reformen bei der Bundesanstalt durchgesetzt hat?

Der SSW bleibt dabei, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und damit auch die Vermittlung und Verwaltung der Arbeitslosigkeit eine gesellschaftliche Aufgabe bleiben muss. Sie darf nicht privatisiert werden. Dennoch können wir einige Ansätze des FDP-Antrages mit unterstützen. So ist es zum Beispiel nicht einsehbar, dass das Kindergeld unbedingt vom Arbeitsamt ausgezahlt werden soll. Das könnte ebenso gut von den Finanzämtern oder andere Behörden übernommen werden. Das gilt sicherlich auch für andere Verwaltungsaufgaben. Auch die Zielsetzung einer stärkeren Dezentralisierung der Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Vermittlung, Beratung und Weiterbildung der Arbeitslosen in den Regionen können wir unterstützen.

Ich sage aber ganz bewusst: Wir brauchen viel weniger Kontrolle und viel mehr Vermittlung in den Arbeitsämter. Vorschläge zur monatlichen Meldung der Arbeitslosen beim Arbeitsamt, wie sie noch von Bundesarbeitsminister Blüm von der CDU im Frühjahr 1998 eingeführt wurden, sind jedenfalls der völlig falsche Weg.

Wir stellen uns vor, dass regional ausgerichtete Arbeitsämter in Zukunft viel enger personell und aufgabenmässig mit den Kommunen - sprich Sozialämtern - verzahnt werden müssen. Dies ist gera-de auch vor dem Hintergrund einer möglichen Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sinnvoll. Bereits heute kooperieren die Sozialämter und Arbeitsämter oft bei der Vermittlung von arbeitslosen Sozialhilfeempfänger. Anstatt in diesem Bereich weitere Beiräte einzurichten wäre eine wirkliche organisatorische Verzahnung sinnvoller.

Auch gegen private Vermittlungsagenturen als sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen System im größeren Umfang als heute ist nichts einzuwenden. Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber wir können uns nicht vorstellen, dass private Vermittler beispielsweise ein Interesse haben im größeren Umfang an der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen teilzunehmen.

Diese Vorstellungen des SSW sind aber wohl leider nur Zukunftsmusik und, dass werden die Vor-stellungen der FDP erst einmal auch bleiben. Denn realistischerweise muss man sich darauf einstel-len, dass die Parteien SPD und CDU, die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sowie nicht zu-letzt der Beamtenbund sich nur auf begrenzte Reformen innerhalb der jetzigen Strukturen einlassen werden.

Das mindeste was so schnell wie möglich in Angriff genommen werden muss, ist die Umsetzung des JOB-AQTIV-Gesetzes. Dieses Gesetz ist von seiner Idee her gut konzipiert. Denn es geht darum durch die Erstellung von Handlungspläne für Weiterbildung und Qualifizierung den Arbeitslosen eine realistische Zielsetzung auf die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu geben. Für eine wirkungsvolle Umsetzung dieses Gesetzes muss man jetzt endlich wirklich Personal zur Beratung und Vermittlung in den Arbeitsämtern durch die Ämter selbst zur Verfügung stellen. Und das schnell.

Zum Änderungsantrag der CDU. Die Überschriften lesen sich gut, aber das Kleingedruckte verbirgt leider nicht wirklich entscheidend Neues. Beispielhaft nenne ich hier den 1. Punkt. Ziel ist , dass die Vermittlung selbst Vorrang hat und auch die Konzentration auf Kernaufgaben erfolgen soll. In der Ausführung hapert es jedoch: Denn von ca. 90.000 Mitarbeitern sollen ca. 70.000 sich nicht um die direkte Vermittlung bemühen. Zugleich will man wieder „wirksamere Sanktions-Instrumente flä-chendeckend einführen.“

Hier wird wieder die bisherige CDU erkennbar: Kontrolle und die Beschäftigung damit ist wichtiger als den Arbeitslosen in Arbeit zu helfen. Das ist unsere Meinung nach der falsche Weg.

Ich hoffe, wir können im Ausschuss zu einer konstruktiven Diskussion über die Hilfe für Arbeitssu-chende und nicht über eine bessere Kontrolle kommen.

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