Rääde · Flemming Meyer · 01.06.2006 Situation und Entwicklung der Printmedien

Mit dem vorliegenden Bericht zur Situation und Entwicklung der Printmedien in Schleswig-Holstein haben wir endlich schwarz auf weiß, was viele schon lange vermuten: wenn es um das Thema Pressekonzentration geht, dann leben auch wir nicht auf einer Insel der Glückseligen Fast in allen Landkreisen haben wir die Situation, dass nur noch eine Lokalzeitung am Kiosk zu kaufen ist. Die Konzentration ist mit dem Tausch der Eckernförder Zeitung und der Dithmarscher Rundschau abgeschlossen; der Markt bereinigt, indem es keine konkurrierenden Lokalzeitungen mehr gibt. Diese Situation ist nicht hinnehmbar, denn gerade im harten Geschäft der Meinungen ist die Meinungsvielfalt unabdingbar. Bedauerlicherweise lässt das Kartellrecht diese Art der Bereinigung zu. Die Politik muss tatenlos zuschauen.

Viele Leser greifen dann gleich zur großen Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben. Leider findet man in dem Bericht keine Angaben zur Bild-Zeitung, wie übrigens auch nicht über die anderen überregionalen Zeitungen, die sich einen Korrespondenten oder ein Büro in Schleswig-Holstein leisten. - Ich bedaure sehr, dass die Landesregierung nur einen Ausschnitt der schleswig-holsteinischen Zeitungslandschaft berücksichtigt und diesen Aspekt links liegen lässt. Ganz zweifellos gehören „Welt“, „Hamburger Abendblatt“ oder auch die „taz“ mit ihren regelmäßig erscheinenden Schleswig-Holstein-Seiten zu den Printmedien in unserem Land.

Doch zurück zum Boulevard: Die Bild-Zeitung geht nicht gerade zimperlich mit Politikern um. Das musste ich im letzten Wahlkampf am eigenen Leibe erfahren. Gerade wegen der Kampagnen dieser selbst ernannten Meinungsführer - aktuell die namentliche Nennung der Bundestagsabgeordneten, die für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gestimmt haben – ist es immens wichtig, ein publizistisches Gegengewicht zu haben. Wie uns der Bericht der Landesregierung zeigt, ist das bei uns aber nicht der Fall. Das provinzialisiert Schleswig-Holstein und ist fatal für die gesamte Medienlandschaft in unserem Land. Die Vielfalt sollte unterstützt werden. Stattdessen wird die Vereinigung der Landesmedienanstalten weiteres Knowhow und Potenzial aus Schleswig-Holstein herausziehen.

Andererseits entscheidet jeder Leser jeden Tag aufs Neue, ob er den Geldbeutel zückt und ob er sich überhaupt eine Zeitung kauft. Nur er allein entscheidet über die Auflage. Ein reiner Markttheoretiker spricht hier von der unsichtbaren Hand, die in der Bündelung der Kaufentscheidungen den optimalen Zustand herbeiführt. Ich weiß aber aus Gesprächen mit Betriebsräten, dass es die Kürze der Kaffeepause ist, die über die Lektüre entscheidet und nicht der Inhalt.

Der Markt führt keineswegs zur Pressevielfalt. Solider Qualitätsjournalismus hat gegen Marktschreier keine Chance. Bei abnehmenden Abonnentenzahlen geraten die Zeitungen in einen harten Verdrängungskampf, der für Alternativen kaum noch Platz lässt. Meines Erachtens trifft diese Entwicklung im Kern das Recht auf den freien Zugang zu Informationen – also die Pressefreiheit für Leser. Da diese nicht mehr gewährleistet ist, ist die Politik gefragt, die Rahmenbedingungen zu verändern.

Da liegt aber der Knackpunkt des Berichtes: die Frage nach den politischen Konsequenzen der Befunde. Werden Tageszeitungen mit einem vergünstigten Mehrwertsteuersatz gestützt, dann trifft das alle. Die Rahmenbedingungen für alle Tageszeitungen zu verbessern, bedeutet eben nicht automatisch mehr Pressevielfalt, sondern zementiert allenfalls den Status quo. Förderungsmaßnahmen, die den Wettbewerb zugunsten bestimmter Zeitungen verzerren, sind dagegen verfassungswidrig. Die Landesregierung kann daher nicht einzelne Zeitungen unterstützen und andere nicht; das muss sie Gewerkschaften, Parteien oder Kirchen überlassen. Aber auch die rechnen mit spitzem Stift und ziehen sich zunehmend aus dem Pressegeschäft zurück.

Lange diskutiert wurde ein Fondsmodell. Die Gewerkschaft ver.di hat 2002 einen entsprechenden Vorschlag gemacht, um bestimmte Zeitungszweige zu unterstützen. Anspruch auf Fondsmittel sollten nur konzernunabhängige Zeitungen mit kleiner Auflage und einem dauerhaft unterschrittenem Werbeanteil haben. Diese Pläne zur Erhaltung von Zeitungen in nachrangiger Wettbewerbsposition sind inzwischen aufgegeben worden.

Die alternative „tageszeitung“ aus Berlin zeigt als einzige Tageszeitung einen neuen Weg auf: sie finanziert sich unter anderem durch eine Genossenschaft, der mittlerweile mehr als 6.000 Leser angehören. Verbesserungen im Genossenschaftsrecht würden also der Finanzierung dieser Zeitung entgegenkommen. Dass die Leser ihre Zeitung nicht nur am Kiosk, sondern auch durch eine Investition unterstützen, ist auch für andere Zeitungen denkbar.

Noch eine Anmerkung zur Vollständigkeit des Berichtes: Vor allem in den Städten sind es die Wochenzeitungen, die in vielen Haushalten als einziges Presseorgan noch gelesen werden. Ihr Auftragsjournalismus mit einem Skandal als Aufmacher ist ein Vorgeschmack dessen, auf was sich auch die seriösen Zeitungen zu bewegen. Unabhängiger Journalismus ist das nicht!

Die Abhängigkeit von Werbekunden schränkt die redaktionelle Freiheit zweifelsohne auch bei den Tageszeitungen ein. Die Vorgänge um die „Süddeutsche Zeitung“, der nach einem einmaligen kritischen Bericht über einen großen Discounter, Anzeigenaufträge in Millionenhöhe gekündigt wurden, haben die Branche verändert. Die Schere im Kopf, wie die unfreie Berichterstattung beschönigend genannt wird, ist allgegenwärtig. Kritische Berichte gegenüber den Machenschaften von Lidl, Aldi und Co. inzwischen nicht mehr zu finden.

Die einzige Alternative erwächst aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich ohne Furcht vor Konsequenzen jedem Thema kritisch widmen kann. Der Norddeutsche Rundfunk gehört nicht zufällig zu den meistgenutzten Medien im Land. Doch auch dort schützen weder Festanstellung noch Redaktionsstatut vor Beeinflussung. Die aktuellen Vorgänge zur Schleichwerbung zeigte dies überdeutlich.

Dennoch ist er NDR oftmals noch die einzige unabhängige Quelle, vor allem, wenn es um die Berichterstattung im wirtschaftlichen Bereich geht. Das ist aber nicht besonders beruhigend. Im Gegenteil, es zeigt die ganze Unausgewogenheit der Branche. So hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regionalzeitungen über den wochenlangen Arbeitskampf bei „Clausen & Bosse“ in Leck nicht berichteten.

Im überschaubaren Schleswig-Holstein ist die Nähe zwischen Journalisten und Politikern schon immer sehr eng gewesen. Kein Journalist verbrennt schnell eine Quelle, weil es eben nur wenig wichtige gibt. Das hat im Laufe der Jahre zu einer Art Abhängigkeitsgeflecht geführt. Auch hier würde Konkurrenz das Geschäft zweifellos beleben. Angesagt ist also, dass neue, innovative Maßnahmen ergriffen werden, um die Vielfalt der Printmedien zu stärken.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, denn im Zuge der Föderalismusreform ist bekanntlich vorgesehen, die Kompetenzen für die Pressemedien bei den Ländern anzusiedeln. Im letzten Pressespiegel der ULR vom 24.Mai 2006 schreibt dazu der Dortmunder Medienforscher Horst Röper: „ Immerhin lägen dann die Zuständigkeiten sowohl für die Presse als auch für den Rundfunk eindeutig bei den Ländern und dies sollte überfällige Regelungen nicht nur zum Problemfeld cross-medialer Konzentration erleichtern“. – Er fügt aber auch hinzu: “Wäre die Kieler Landesregierung allerdings Muster oder gar Maßstab für Kenntnis und Ernsthaftigkeit der Länder insgesamt, müsste man wohl zu einem anderen Ergebnis kommen“.
Man kann es mit Horst Röper auch noch anders formulieren:“ Der Bericht ist insgesamt aber weder eine Fundgrube von Daten und Fakten oder gar Wertungen, noch werden gar Anstöße für medienpolitisches Handeln gegeben“.

Aus Sicht des SSW trifft diese Einschätzung zu. Daher sagen wir: Landesregierung und Landtag sind nunmehr gemeinsam gefragt zu überlegen, ob und wie das Pressegesetz geändert werden kann, um der skizzierten Entwicklung entgegen zu treten. Denn ohne eine wirkliche Pressefreiheit mit einer vielfältigen Presselandschaft – gerade auch bei den Printmedien – hat es eine kritische Öffentlichkeit schwer und damit auch die Demokratie nicht leicht.

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