Rääde · 30.01.2008 Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz – Schwerpunkte und Ziele der Landesregierung

Der geplante Gesundheitsfonds bringt eine Debatte wieder in den Vordergrund, die eigentlich nie richtig verstummt ist und zur Angstdebatte wird. Viele Bürgerinnen und Bürger sind der Ansicht, dass unser Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht; und das, obwohl die Fakten dagegen sprechen: so gibt es in Deutschland kaum Wartelisten und die gesundheitliche Versorgung bewegt sich seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Aber bei den Patienten geht die kalte Angst um.

Das liegt nicht nur an einer Presse, die Probleme hochschaukelt, sondern auch an uns. Wir nehmen uns als Fachleute zu wenig Zeit, die komplizierten Regelungen so zu übersetzen, dass wir wirklich von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden. Bei ihnen dringt seit Jahren statt „versicherungsfremde Leistungen“, „Diagnosesystem“ oder „Hausarztsystem“ nur eines durch: immer höhere Eigenbeteiligungen und immer geringere Ansprüche; mit einem Wort: Kürzung. Wir können nicht weitermachen, denn unverständliche Fachtermini nähren den Verdacht, dass das System marode ist. Gerade das ist es aber nicht. Vielmehr sind die angeblichen Reformen, die in den letzten Jahren durchgeführt worden sind, Gift für das System gewesen. Nicht das Gesundheitssystem ist Handlungsunfähig, sondern Entscheidungen – wie die für einen Gesundheitsfonds – versetzen dem Gesundheitssystem den entscheidenden Schlag. Die Probleme sind somit hausgemacht und nicht vom Himmel gefallen.

Die Gesundheitsministerin sollte deshalb versuchen, bei diesem Reform-Zug, dem jedes Jahr mehr Waggons angehängt werden, die Notbremse zu ziehen und sich erst einmal die Schienen anzusehen. Sie sollte eben nicht der Versuchung erliegen, schon jetzt auf die Bilanzpressekonferenz zu schielen, wo sie dann über ihre Erfolge in zehn bis fünfzehn Themenfeldern spricht. Genauso machte es nämlich die vorige Gesundheitsministerkonferenz-Vorsitzende, Monika Stolz aus Baden-Württemberg – ebenso wie ihre Vorgänger. Ich befürchte allerdings, dass die Weichen schon längst gestellt sind und die Plöner Gesundheitsministerkonferenz im Juli wieder nur so vor Themen strotzen wird.

Die Antrag stellende Fraktion hat insgesamt sieben Themengebiete angeführt, bei denen unmittelbar Entscheidungen anstehen. Und das sind bei weitem nicht alle. Ich möchte hier nur die elektronische Versichertenkarte ansprechen, deren Entwickler mit erheblichen Schwierigkeiten kämpfen. Angesprochen sind außerdem nur indirekt die Probleme der flächendeckenden Versorgung auf dem Land, wenn in den nächsten Jahren die Hausärzte scharenweise in den Ruhestand wechseln und keine Praxisnachfolger finden werden. Dann nehmen noch Infektionskrankheiten zu, wie der Noro-Virus, die nicht behandelbar sind. Iund - last, but not least - muss das Problem der explodierenden Medikamentenkosten gelöst werden. Das sind viele Baustellen.

Wie sieht die Richtschnur bei all diesen Entscheidungen aus? Eigentlich ist es ganz einfach: Eine gute Versorgung zu vernünftigen Preisen! Die Anbieteregoismen und eine Doppelt- und Dreifachstruktur verhindern allerdings die Umsetzung dieses Zieles. Noch Jahre nach der so genannten Blüm-Reform sind immer noch Kostenträger und Kostenauslöser fein getrennt, was zu immer neuen Kostenschüben führt, während die Unzufriedenheit bei Beschäftigten und Patienten wächst.

Die Große Koalition in Berlin setzt immer noch auf einen falschen Wettbewerb, nämlich den der Nachfrager. Eine grundsätzliche Reform der Krankenversicherung und eine gerechte Verteilung der Finanzierungslasten sind nicht in Sicht.
Ich habe bereits mehrmals davor gewarnt, in einen Planungsübereifer zu verfallen und alle heißen Eisen auf einmal anzufassen. Letztlich verliert man im Gewusel einzelner Gesetze das Hauptziel aus dem Auge. Schlimmer noch: Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie sich die Maßnahmen gegenseitig in die Quere kamen. Darum noch einmal die Forderung des SSW: Die Gesundheitsminister sollten sich auf ein Ziel beschränken. Das Ziel lautet: Die Finanzierung muss gerecht auf alle Schultern verteilt werden und das Gesundheitssystem muss transparenter werden. Hierfür ist der Gesundheitsfonds der denkbar falscheste Weg. Die Gesundheitsministerkonferenz wäre ein riesiger Erfolg, wenn dort die Aussetzung des Gesundheitsfonds beschlossen würde und man erneut beginnen würde, eine einheitliche und gerechte Finanzierung unter Beteiligung aller anzustreben.

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