Rääde · Christian Dirschauer · 19.05.2021 Weidetierprämie für Milchkühe statt freiwilliger Lieferverzicht

Das Instrument des freiwilligen Lieferverzichts ist nur ein Notnagel, weil das bestehende System zurzeit nichts anderes hergibt. Aber richtiger wird es dadurch nicht. Es ist ein rumdoktern an Symptomen, aber die Ursache wird nicht angegangen.

Christian Dirschauer zu TOP 22 - Freiwilligen Lieferverzicht als Kriseninstrument in der EU verankern (Drs. 19/2947)

Nachdem die Milchquote in 2015 in der EU abgeschafft wurde und es damit keine Mengenreglementierung mehr gab, wurde der Milchmarkt den marktwirtschaftlichen Kräften ausgesetzt. Mit der Folge, dass die Milchmengen stiegen, aber die Industrie war nicht in der Lage, den Mengenzuwachs aufzufangen. Milchseen und Butterberge füllten die Lager. Die damals noch in Aussicht gestellten Möglichkeiten für den Export blieben aus – es gab ein russisches Einfuhrverbot und die Nachfrage in Asien war gesunken. 
Markwirtschaftliche Regeln schlugen dann eiskalt zu, mit der Folge, dass der Milchpreis in den Keller rutschte. Die Milch wurde zu einem Ramschprodukt und der Preis lag weit unter den Produktionskosten. Ein Ende der Krise war unmittelbar nicht absehbar. Viele der milchproduzierenden Betriebe gerieten in eine finanzielle Schieflage oder mussten komplett aufgeben. Für die Betroffenen war das eine verheerende Situation. Ein Weg aus der Krise oder zumindest zur Stabilisierung war nur möglich, durch enorme Finanzhilfen von Seiten der EU.
Um es klar zu sagen, der SSW war kein Befürworter der Quotenregelung, im Gegenteil. Und den Schritt zurück dahin wollen wir auch nicht. Das Problem ist, dass über Jahrzehnte eine EU-Förderpolitik stattgefunden hat, die einzig an der Menge ausgerichtet war. Die Landwirte waren in all den Jahren nie dem Markt ausgesetzt. Einzig die Subventionen der EU waren ausschlaggebend. Mit diesem süßen Gift wurden sie stillgehalten. Um es deutlich zu sagen, es war nicht die Entscheidung oder der Wille der Landwirte, es war eine politische Entscheidung der EU, die Landwirtschaftspolitik so zu gestalten. Und heute wissen wir umso mehr, dass es falsch war. Denn selbst mit den EU-Agrarmitteln hat es jedes Jahr Höfesterben gegeben. 
Aber wie dreht man das Rad zurück, wie sollen Landwirte heute produzieren und am Markt bestehen, wenn ihnen mengengekoppelte Förderungen versagt werden. Klar ist: ein Entzug ist nie einfach. Aber wir brauchen endlich eine marktorientierte Landwirtschaft in der EU. Wir brauchen keine Subventionen oder Förderpolitik, die allein auf Größe oder Menge ausgerichtet sind. 
Hier müssen wir komplett umdenken. Richtig ist, die EU hat dies erkannt und steuert langsam um, hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz, Biodiversität und auch Tierwohl. Mit anderen Worten: Gemeinwohlaspekte müssen noch stärker in den Vordergrund rücken. Dieser Weg ist richtig, aber es geht definitiv viel zu langsam. 
Das bedeutet, wir sind heute nicht wirklich weiter als vor 5-6 Jahren. Die Risiken in der Milchwirtschaft sind immer noch da. Ansonsten bräuchte es den vorliegenden Antrag nicht. Das heißt, mit dem freiwilligen Lieferverzicht soll ein temporäres Instrument geschaffen werden, um kurzfristig auf einen sich anbahnenden Preisverfall reagieren zu können. Eine Senkung der Milchmenge bei gleichzeitiger Kompensation soll es dann gegebenenfalls richten. Geld zu bekommen für nicht produzierte Milch, erinnert an vergüteten Windstrom der nicht eingespeist wird. Das eine ist genauso falsch wie das andere. Aber, ich sage auch, so falsch wie das klingt, sehen wir das Instrument des freiwilligen Lieferverzichts nur als Notnagel, weil das bestehende System zurzeit nichts anderes hergibt. Aber richtiger wird es dadurch nicht. Es ist ein rumdoktern an Symptomen, aber die Ursache wird nicht angegangen. Wir als SSW erkennen dieses Instrument daher nur an, weil den Milchbauern, im Falle einer Krise, schlichtweg kein anderes Mittel zu Verfügung steht.
Möglichkeiten hätte es aus unserer Sicht durchaus gegeben. So zum Beispiel die Weidetierprämie. Der Vorschlag aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium sieht lediglich vor, eine Weidetierprämie für Schafe, Ziegen und Mutterkühe zu zahlen. Das ist gut und richtig. Aber warum gilt das nicht für alle Rinder samt Milchkühen? Mit so einer Prämie würde den Milchbauern eine finanzielle Hilfe zuteil, damit Weidehaltung sich lohnt. Damit würde auch das Grünland gestärkt und ein Beitrag zum Klimaschutz sowie zur Biodiversität geleistet. Aspekte, die wir doch eigentlich stärker berücksichtigen wollen und müssen. Allein es fehlt noch der Wille.

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