Rääde · Jette Waldinger-Thiering · 17.12.2015 Wir wollen einen möglichst optimalen Rahmen für gute Studienbedingungen schaffen

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 2 - Entwurf eines Hochschulfreiheitsgesetzes und Änderung des Hochschulgesetzes

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte einen so manche Pressemitteilung oder manch ein Antrag von Union und FDP zu Tränen rühren: Die böse Landesregierung macht sich an eine Novelle des Hochschulgesetzes. Das muss natürlich etwas ganz, ganz Schlimmes sein. Und siehe da: Es ist wirklich kein einziger positiver Punkt und keinerlei Verbesserung zu sehen. Noch dazu tut man so, als wäre dieser Gesetzentwurf mal eben im luftleeren Raum entstanden. Ohne Beteiligung der Betroffenen. Ohne geordnetes Verfahren mit schriftlicher und mündlicher Anhörung. Und - noch viel schlimmer - ohne Berücksichtigung dieser Ergebnisse. Natürlich ist das nicht wahr. Kein einziger Punkt, der noch im Verlauf geändert wurde, ist neu.

Mal ganz ehrlich: Grundsätzlich muss da schon mal die Frage erlaubt sein, ob man das wirklich ernst meint? Nicht nur wir hier im Haus, sondern vor allem die Bürger im Land und nicht zuletzt die Menschen, die an den Universitäten arbeiten, haben doch zumindest ein gewisses Maß an Erinnerungsvermögen. CDU und FDP haben sich hochschulpolitisch wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Wenn man bedenkt, wie ihre Hochschulpolitik vor gerade einmal 5 Jahren aussah, wirkt die aktuelle Haltung wirklich nicht nur höchst unglaubwürdig, sondern fast schon zynisch. Nur zur Erinnerung: Allein mit der damals drohenden Schließung der Uni Lübeck standen tausende Stellen am UKSH Campus auf dem Spiel. Auch die Uni Flensburg sollte zusammengestrichen werden. Auch hier hätte es erhebliche personelle Konsequenzen gegeben. All dies zeigt doch überdeutlich, dass dieser Bereich für unsere Vorgänger eben keine besondere Priorität hatte. Statt jetzt stur Fundamentalkritik zu üben und pauschal mit Maximalforderungen zu kommen, sollten sie sich endlich konstruktiv einbringen!

Wir alle wissen, dass es an den Hochschulen verschiedene Gruppen mit unterschiedlichsten Interessen gibt. Dementsprechend sind bei einer so umfassenden Novelle natürlich auch nicht alle mit allem glücklich. Das geht gar nicht anders. Und doch ist es aus meiner Sicht gelungen, ein sehr ausgewogenes Gesetz zu erarbeiten. Unser übergeordnetes Ziel war und ist, einen möglichst optimalen Rahmen für gute Studienbedingungen zu schaffen. Und selbstverständlich haben wir den Weg dahin nicht in irgendwelchen Hinterzimmern ausgekungelt. Nein, dieses Gesetz ist im Gespräch mit den Betroffenen selbst entstanden. 

Wer das Profil einer Hochschule beschneiden oder eine Uni gar ganz dicht machen wollte, der muss sich um eine Dialogkultur natürlich wenig Sorgen machen. Wir dagegen haben das Gespräch mit den Hochschulen nicht nur direkt gesucht, sondern auch weiter vertieft. Selbstverständlich war dieses Hochschulgesetz dabei immer ein ganz wichtiges Thema. Das entsprechende parlamentarische Verfahren läuft jetzt seit fast einem halben Jahr. Viele Anregungen und Änderungswünsche finden sich im heute vorliegenden Entwurf wieder. Und es ist richtig: Auch recht kurzfristig hat sich noch Korrekturbedarf ergeben. Doch egal ob wir nun über Änderungen zur Ethikkommission, zum Senat oder zum Teilnehmerkreis im Hochschulrat reden: All diese Punkte sind direkt mit den Betroffenen rückgekoppelt worden.

Wer sich die Mühe macht und wirklich genauer hinschaut, wird vor allem eins feststellen: In vielen Punkten passen wir den rechtlichen Rahmen an die umfassenden Veränderungen an, die es in den letzten Jahren natürlich auch an den Hochschulen gegeben hat. Fakt ist nun einmal, dass doppelte Abiturjahrgänge, ein zunehmender nationaler wie internationaler Wettbewerb und vor allem die Bologna-Reformen zu einem ganz anderen Studienalltag führen. Den Studierenden wird mittlerweile ein deutlich höheres Pensum abgefordert, als noch vor einigen Jahren. Studieren ist damit längst ein Vollzeitjob und gleichzeitig sind mit dem Nicht-Bestehen in einzelnen Bereichen oft lange Umwege und Verzögerungen verbunden.

Wer unter diesen Bedingungen Erfolg haben will, muss sein Leben sehr effizient organisieren. Und wer sich selbst finanzieren muss, kann schon mal ohne weiteres in die Klemme kommen. Vor allem wenn ein Kind versorgt werden will oder Zuhause ein Krankheits- oder Pflegefall wartet, stehen Studierende unter einem erheblichen Druck. Gleichzeitig ist in Deutschland kein elternunabhängiges BAFÖG in Sicht. Vor diesem Hintergrund ist eine Anwesenheitspflicht und das reine „Ersitzen“ von Scheinen wirklich nicht mehr zeitgemäß. Die weitgehende Abschaffung dieser Pflicht ist daher folgerichtig und macht die Uni nicht nur familienfreundlicher. Nach meiner Einschätzung schafft sie auch Anreize für Dozierende, ihre Lerninhalte abwechslungsreicher und spannender aufzubereiten und zu vermitteln. Damit verbinden wir nicht zuletzt die Erwartung, dass auch die Qualität der Lehre verbessert wird.

Natürlich schmeckt eine solche Änderung nicht jedem. Hier gibt es - genau wie bei der beschlossenen Erweiterung des Senats - sehr unterschiedliche Interessen. Doch auch wenn ich Verständnis für die Position der Landesrektorenkonferenz habe, die hier eine unnötige Bürokratisierung und ein Problem für strategische Beratung sieht, muss ich eins klar sagen: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Erweiterung der richtige Weg ist. Entscheidungen werden so vielleicht nicht immer einfacher, aber es sind alle Statusgruppen vertreten. Die Mitbestimmung in diesem wichtigen Gremium wird eindeutig gestärkt. Ganz grundsätzlich sind demokratischere Strukturen und eine größere Transparenz und Öffnung der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft wichtig. Nicht zuletzt aus Sicht des Steuerzahlers, der das Recht hat, zu erfahren wofür diese Mittel verwendet werden.

Neben mehr Transparenz und Mitbestimmung tragen natürlich eine ganze Reihe weiterer Punkte dazu bei, dass wir hierzulande zukünftig eine moderne hochschulgesetzliche Grundlage haben. Der im Entwurf verankerte Kodex für gute Arbeit führt zu verlässlicheren Perspektiven und besseren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Nachwuchswissenschaftler werden durch die Orientierung am Tenure-Track-Verfahren mehr Planungssicherheit für ihren Karriereweg erhalten. Und beruflich qualifizierten Studieninteressierten erleichtern wir den Zugang zur Uni durch die Senkung von Hürden bei der benötigten Berufserfahrung. 

Darüber hinaus stärken wir die Position der Gleichstellungsbeauftragten und sorgen für erweiterte Promotionsmöglichkeiten für Fachhochschulabsolventen. Und nicht zuletzt tragen wir mit der Angleichung der Vorlesungszeiten auch der zunehmenden Internationalisierung Rechnung. Denn diese Änderung dient nicht nur der besseren Kooperation zwischen Fachhochschule und Universität, sondern auch grenzüberschreitend mit Dänemark und im Ostseeraum insgesamt.

Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, wir hätten hier eine Komplettlösung für alle Probleme unserer Hochschulen auf den Tisch gelegt. Hier oder da gibt es bestimmt noch Schwächen. Und gewiss werden unsere Gespräche mit den Betroffenen und die Evaluation des Gesetzes noch Nachbesserungsbedarf ergeben. Sei es aufgrund veränderter Rahmenbedingungen oder aufgrund von Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung. Aber genau das wollen wir unbedingt wissen. Denn wir wollen das Hochschulgesetz entsprechend weiterentwickeln. Ich denke, nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind die Behauptungen der Opposition, wir wären ignorant gegenüber den Betroffenen, schlicht und einfach haltlos. Doch Skandalisierung hin oder her: Wir werden weiter für die bestmöglichen Bedingungen für unsere Studierenden arbeiten.

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