Rääde · Flemming Meyer · 18.09.2010 Zum Wahlgesetz

Kære venner,
liiw följkens,
liebe Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Demokratie hat gesiegt. Es war niemandem zu vermitteln, dass man mit einer Minderheit der Stimmen eine Mehrheit im Parlament bekommen kann. Deshalb war der 30. August ein Meilenstein in der Geschichte Schleswig-Holsteins.
Das Verfassungsgericht hat der Landespolitik ins Stammbuch geschrieben, dass es in Zukunft kein Wahlrecht geben darf, das die Stimmen der Wähler ungleich gewichtet und das dazu führt, dass die in der Landesverfassung vorgesehenen Mandatszahl von 69 wieder massiv überschritten wird. Es hat dem Landtag aufgetragen, spätestens bis zum 31. Mai 2011 ein verfassungskonformes Wahlgesetz zu beschließen und bis zum 30. September 2012 eine Landtagswahl durchzuführen. Bis zur Neuwahl hat das Parlament und die Regierung die volle Entscheidungs- und Handlungskompetenz.
Aus unserer Sicht ist dies ein salomonisches Urteil. Die Verfassungsrichter haben ihre Spielräume kreativ genutzt. Es gibt nun einmal kein Gesetz oder Handbuch in dem steht, was Landesverfassungsgerichte tun sollen, wenn sie mit einer Landtagsmehrheit konfrontiert werden, die auf schwerwiegenden Wahlfehlern beruht. Das Gericht hat dem Land quasi eine Wiederholung der Landtagswahl 2009 verordnet. Es hat aber die übliche Frist von sechs Wochen auf maximal 25 Monate verlängert, um dem Landtag die Möglichkeit zu geben, eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage für die Neuwahl zu schaffen.
Deshalb ist für uns das weitere Vorgehen sonnenklar: Das Wahlgesetz muss so schnell wie möglich geändert und anschließend müssen die Wahlkreise so schnell wie möglich neu geschnitten werden. Danach muss die Landesregierung umgehend einen Wahltermin festlegen.
Allerdings gibt es für diesen Ablauf keine Mehrheit im Landtag. Denn nach dem Verfassungsgerichtsurteil ist schnell der Kampf um die Deutungshoheit entflammt. Insbesondere die Auseinandersetzung darum, wie lange diese Regierung weiter machen darf, wird mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln geführt. CDU und FDP wollen die Frist maximal ausschöpfen, weil ihre Umfragen im Moment alles andere als rosig sind. Wir und die anderen Oppositionsparteien hingegen lesen im Urteil, dass das Landesverfassungsgericht dem Landtag lediglich deshalb eine längere Frist bis zu den Neuwahlen eingeräumt hat, weil das Parlament erst ein neues verfassungsgemäßes Wahlgesetz beschließen muss. Wann Schleswig-Holstein einen neuen Landtag wählt, hängt vom politischen Willen ab und nicht von juristischen Haarspaltereien. Wenn die CDU und die FDP es wollen, dann können wir allemal bis Ende 2011 die Landtagswahl durchführen.

Die Neuwahlen müssen so schnell wie möglich stattfinden. Allerdings muss der Landtag sich die Zeit lassen, die es kostet, ein ordentliches Wahlgesetz zu erarbeiten und die Wahlkreise neu zuzuschneiden. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, denn noch weit wichtiger als der Wahltermin ist ja die Frage, wie das Wahlgesetz aussehen soll. Hier prallen jetzt schon Parteiinteressen heftigst mit den Vorgaben des Gerichts zusammen. Im Gegensatz zur Diskussion um den Zeitpunkt der Wahl verlaufen die Frontlinien auch nicht zwischen Regierung und Opposition, sondern zwischen den beiden größten Parteien und den anderen. Die CDU und die SPD wollen so viele Wahlkreise wie möglich retten und stellen das Zweistimmenwahlrecht zur Disposition. Die kleinen Parteien sehen es genau andersherum. Da das Gericht ganz klar moniert hat, dass die Zielgröße in der Landesverfassung von 69 Abgeordneten deutlich verfehlt wird, kommen wir aber gar nicht darum herum, die Wahlkreise deutlich zu reduzieren. Selbst bei einer Zahl von 30 Wahlkreisen kann der Landtag noch über 90 Abgeordnete bekommen – nämlich dann, wenn zum Beispiel die CDU alle Wahlkreise gewinnt aber nur 30 % der Zweitstimmen bekommt. Deshalb gibt es aus unserer Sicht nur zwei Lösungsmöglichkeiten.
Wenn die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts durch eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise wiederhergestellt werden soll, dann geht es nur durch einen erheblichen Einschnitt, der die Anzahl von heute 40 auf unter 30 zurückstutzt. Ganz sicher ist man sogar erst mit 25 Wahlkreisen. Eine solche Lösung ist aber mehr als ungewiss, weil die CDU und die SPD nicht auf die Direktwahlkreise verzichten wollen.
Aber, liebe Freunde - Wenn die großen Parteien die Wahlkreise nicht so drastisch reduzieren wollen, dann müssen sie auch so ehrlich sein, die Zahl von 69 Abgeordneten in der Landesverfassung wieder zu ändern. Alles andere wäre Wählerbetrug. Dann müssen die großen Parteien auch den Bürgerinnen und Bürgern und dem Steuerzahlerbund erklären, weshalb die 69 nicht mehr aktuell sind. Das wäre ein politischer Offenbarungseid. Deshalb geht aus Sicht des SSW kein Weg um die Reduzierung der Wahlkreise auf deutlich unter 30 herum.
Es gibt aber durchaus auch die Möglichkeit, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren und die Zahl der Direktmandate sogar zu erhöhen – nämlich dann, wenn man sich auch auf ein ganz neues Wahlrecht einlässt. Der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ hat zum Beispiel ein neues Wahlgesetz entwickelt, das in manchen Zügen an die Wahlen in Dänemark erinnert und einige der zentralen Probleme vermeiden würde. Er sieht vor, die 40 Wahlkreise Schleswig-Holsteins auf elf zu reduzieren und stattdessen pro Wahlkreis vier Direktkandidaten zu wählen. Die Wähler hätten eine Listenstimme sowie drei Stimmen an die Direktkandidaten zu vergeben. Das Parlament würde sich aus 44 direkt gewählten und 25 Listen-Kandidaten zusammensetzen – also aus exakt 69 Abgeordneten. Der SSW ist diesem Modell bisher mit einer gewissen Skepsis begegnet, weil die Möglichkeit, noch mehr Stimmen abzugeben und auf verschiedene Kandidaten zu verteilen nicht unbedingt das Wählen leichter macht. In dieser Situation, in der es keine einfachen Lösungen gibt, meinen wir aber, dass es eine zweite Chance verdient hat. Dieses Wahlverfahren würde den Wähler-Einfluss erhöhen, die Wählerstimmen korrekt in der Zusammensetzung des Parlaments abbilden und Überhang- und Ausgleichsmandate weitgehend vermeiden. Es wäre demokratischer und eine richtige Antwort auf das Urteil des Landesverfassungsgerichts. Deshalb wäre es falsch, es aus parteitaktischen Gründen zu verwerfen. Nichts spricht dagegen, dass die Landespolitik in dieser Situation auch die Ambition entwickelt, ein wirklich besseres Wahlrecht zu beschließen. Genauso wie nach 1987 ist dies eine politische Zäsur, die von allen Beteiligten genutzt werden sollte, um das Land und die politische Kultur wieder gemeinsam voranzubringen.

Eine dritte Schraube, an der die großen Parteien drehen wollen, ist die Zweitstimme. Dazu muss aber klar gesagt werden: Dies kann nicht verhindern, dass der Landtag anwächst. Der SSW ist früher gegen die Einführung der Zweitstimme gewesen, aber jetzt sind wir gegen deren Abschaffung. Wenn dies wirklich eine entscheidende Stellschraube wäre, um ein verfassungsgemäßes Wahlgesetz hinzubekommen, dann würden wir sicherlich anders denken. Aber an dem Punkt an dem wir heute stehen, wo die Parteienlandschaft sich immer weiter ausdifferenziert, die CDU und die SPD immer mehr an Bindungskraft verlieren und ehemals kleine Parteien schon mehr als Mittelgroß sind, wäre die Rückkehr zum Einstimmenwahlrecht eine Bremse für den demokratischen Pluralismus. Dieser Nachteil stünde in keinem Verhältnis zur geringen positiven Wirkung bei der Begrenzung der Mehrsitze.

Das entscheidende ist, dass dieser Prozess jetzt offen und ehrlich verläuft. Der SSW wird keine Wahlrechtsänderung unterstützen, die das Verfassungsgerichtsurteil nicht voll umsetzt. Wir werden auch nicht für eine Wahlrechtsänderung die Hand heben, die in guten Jahren zwar die Vorgaben erfüllt, aber nicht bei Ausnahmewahlen. Wir haben uns schon bei der letzten Wahlrechtsdebatte von der CDU und der FDP beschimpfen lassen müssen, weil wir vor der Situation gewarnt haben, in der wir jetzt stehen. Damals wurden wir dafür lächerlich gemacht, weil eine solche Situation ja nie eintreten würde. Deshalb: Keine Kompromisse mit der Ehrlichkeit. Das Wahlrecht ist neben der Verfassung eine der wichtigsten Spielregeln der Demokratie und darf nicht zum Spielball der Parteitaktiker werden.
Für den SSW ist eines klar: Die Landesregierung ist eine Übergangsregierung. Das Verfassungsgericht hat zwar klar gesagt, dass sie voll entscheidungs- und handlungsfähig ist, bis zu den Neuwahlen. Das ändert aber nichts daran, dass ihre knappe Parlamentsmehrheit auf gravierenden Wahlfehlern beruht. Deshalb sehen wir mit großer Sorge, dass die Landesregierung ihre Macht voll ausspielt und sehr umstrittene Änderungen wie drastische Einsparungen im Sozialbereich und bei den Minderheiten oder einen gewaltigen Rückschritt in der Schulpolitik mit ihrer knappen Mehrheit durchpaukt. Die CDU und die FDP wissen offensichtlich, dass sie spätestens in zwei Jahren keine Koalition mehr sind und ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Schwarz-Gelb versucht nun so viele konservative und neoliberale Pflöcke einzuschlagen, wie möglich. Rein rechtlich sind sie zweifellos dazu befugt. Aber sie können trotzdem nicht ignorieren, dass eine Mehrheit der Wähler eben nicht diesen Weg gewählt hat und dass diese Menschen an der Demokratie verzweifeln. Deshalb fordern wir die Landesregierung dazu auf, bei zentralen politischen Entscheidungen kompromissbereit zu sein und eine breitere Mehrheit im Parlament zu suchen. Niemandem ist damit gedient, dass Bürgerinnen und Bürger demokratische Entscheidungen nicht respektieren oder dass diese nach der Landtagswahl gleich wieder zurückgedreht werden müssen.

Nach vier Jahren großer Koalition und einem Jahr schwarz-gelber „Minderheitsregierung“ haben die Menschen die Nase voll von politischen Hängepartien. Aktuelle Umfragen, die Äußerungen von Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften wie auch die einhellige Meinung der Zeitungskommentatoren im Land geben alle einen deutlichen Fingerzeig: Schleswig-Holstein will endlich klare Verhältnisse. Deshalb ist es vollkommen inakzeptabel, dass CDU und FDP nun aus kurzsichtigen, parteitaktischen Gründen die Neuwahl länger hinauszögern, als für ein solides Wahlgesetz nötig ist. Damit fügen sie dem Ansehen der gesamten Landespolitik weiteren Schaden zu. Der SSW fordert Schwarz-Gelb auf, den Weg für Neuwahlen so schnell wie möglich freizumachen. Wir sind bereit, konstruktiv an einer Kompromisslösung mitzuarbeiten, solange die Vorgaben des Verfassungsgerichts voll erfüllt werden.
Wenn diese Wahl dann endlich kommt, dann wird der SSW dafür kämpfen, auch in einem verkleinerten Landtag wieder mit vier Abgeordneten vertreten zu sein. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn wir hatten 2009 schon das beste Wahlergebnis seit über 50 Jahren. Die letzte Umfrage hat uns bei 5 % gesehen. Das zeigt, dass wir dieses Ergebnis durch harte Arbeit noch übertreffen können – und die werden wir leisten.

Kære venner, sejren ved forfatningsdomstolen var vigtig og rigtig. Men for SSW betyder denne udvikling selvfølgelig også store udfordringer. Hvis Landdagen virkelig reduceres til 69 medlemmer, så er det ingen selvfølge, at vi genvinder de fire mandater og vores fraktionsstatus. Men vi kan, hvis vi vil. Det er vi i landdagsgruppen overbevist om. Vi landdagsmedlemmer vil først og fremmest gøre vores ved at føre en god politik i parlamentet og gøre den synlig. Det er blevet meget vanskeligere siden vi skal hævde os i en opposition med fire partier. Det kommer vi ikke uden om. Men SSWs landdagsgruppe vil bruge hele sin nye styrke til at tage imod disse udfordringer.
Vi ved ikke, hvornår vi så får valget, men en ting ved vi med sikkerhed. Hverken landdagsgruppen eller landsstyrelsen kan selv klare de opgaver der ligger forude – nemlig at være lige synlige i mangfoldigheden og at holde fast i den massive opbakning, som menneskene især i Sydslesvig har givet os den 27. september 2009 og den store solidaritet i mindretallet, som vi har set i de sidste måneder. Efter valglovsændringen bliver valgkampen 2012 eller 2011 anderledes end det vi hidtil har kendt. Men vi kan klare det, hvis vi får hjælp fra alle vores distriktbestyrelser, vores kommunalpolitikere og vores menige medlemmer. Vi har brug for Jer! I kan nu alle være med til at sørge for, at SSW også efter 2012 er en stærk politisk faktor. Når vi har Jer i ryggen, så klarer vi det!

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