Rääde · Flemming Meyer · 13.12.2006 Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz

Die schädlichen Auswirkungen von übergroßen Regierungsmehrheiten in Parlamenten sind wohl kaum so deutlich zu Tage getreten wie in der letzten Zeit. Sowohl in Berlin wie in Kiel jagt eine Verfahrenspanne die nächste inhaltliche Panne. Die Gründe für die legislativen Probleme liegen klar auf der Hand. Es sind vor allem die Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle, die nicht greifen und außer Kraft gesetzt zu sein scheinen. Zum Glück für uns alle sind sie aber nicht vollständig wirkungslos. In Berlin haben wir zumindest den Bundespräsidenten, der sein Veto gegen den gesetzgeberischen Dilettantismus einlegt. Darum heißt es dort inzwischen: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Großen Koalitionen fragen Sie ihren Bundespräsidenten oder die deutsche Öffentlichkeit.

In Kiel liegt die Verantwortung zunächst bei uns von der Opposition und dann beim künftigen Landesverfassungsgericht. Wenn ich diese grundsätzlichen Äußerungen an den Anfang meiner Rede stelle, dann deshalb, weil das Verfahren, das dem Landtag bei den beiden Gesetzesvorhaben der Regierung zur Verwaltungsstruktur und der Verwaltungsmodernisierung zugemutet wird, in höchsten Maße zu kritisieren ist. Der SSW hat seine Bedenken bereits frühzeitig geäußert. Geschehen ist aber nichts.
Mit einem sauberen parlamentarischen Verfahren hat es nichts mehr zu tun, wenn nach einer regulären Beratung im Ausschuss einschließlich Anhörung die letzten wesentlichen Änderungen nur Stunden vor der abschließenden Lesung dem Landtag vorgelegt werden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir es hier mit einem selbsternannten Kernstück der Regierungsarbeit zu tun haben.

Das Wissen um die satte Mehrheit sowie die Fixierung auf die Machspielchen im Koalitionsausschuss führen offenbar zu einem Tunnelblick bei den Akteuren, der alle anderen Regeln und Rücksichten, dem das politische Handeln in einer parlamentarischen Demokratie unterliegt, aus dem Blick geraten lassen. Ursprünglich hätten wir zu diesem Tagesordnungspunkt zwei Gesetzentwürfe der Landesregierung zu beraten gehabt, die in einer Art Huckepack-Verfahren in den Landtag eingebracht wurden.

Die politische Absicht, die die Regierung damit verfolgte, war klar: ganz offensichtlich sollte das äußerst dünne und dürftige Verwaltungsmodernisierungsgesetz durch das dynamisch daherkommende Verwaltungsstrukturgesetz quasi mitgetragen werden. Zusammen sollte zumindest nach außen der Eindruck vermittelt werden, dass die Regierung ordentlich was schafft. Schließlich wurden die Ergebnisse der Modernisierung bereits in zahlreichen Pressemitteilung und Pressekonferenzen vor dem parlamentarischen Verfahren von der Regierung selbst über den grünen Klee gelobt.

Die sehr bescheidene Ausbeute des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes kann mit gutem Recht als Null-Nummer bezeichnet werden, genauer sogar als 0,4-Nummer. Gerade einmal 0,4 Planstellen sollen bekanntlich aufgrund des Gesetzes eingespart werden. Dass die 2. Lesung des Gesetzentwurfes erst mal verschoben worden ist, ändert nichts am klaren Versagen bei der so vollmundig versprochenen Modernisierung der Verwaltung. Der ideologisch verengte Blick auf ein vermeintliches Dickicht an wohlfahrtsstaatlichen und gleichstellungspolitischen Vorschriften, die die Wirtschaft behindern und Steuergelder vergeuden, erweist sich als fatale Fehlwahrnehmung. Die Mechanismen für das Wachstum von Bürokratie sind eben komplexer, die Wurzeln hierfür liegen tiefer.

Meine Aufforderung, sich am niederländischen Standard-Kosten-Modell zu orientieren, um nachhaltige Wirkungen zu erzielen, sei hier nochmals wiederholt. Man muss das Rad nicht neu erfinden, wenn bewährte Modelle bereits in der Praxis erprobt sind. Aber die Verwaltungsmodernisierung ist sowieso erst einmal auf Eis gelegt. Vielleicht nimmt Klaus Schlie doch noch einmal den SSW-Vorschlag auf. Nach dem harten Ringen zwischen CDU und SPD der letzen Tage blieb für die heutige Verabschiedung im Landtag nur noch das Verwaltungsstrukturgesetz übrig. Der selbst gesetzte Erwartungs- und Zeitdruck mag der Grund dafür sein, weshalb man nicht auch diesen Gesetzentwurf zurückgezogen hat.

Dass wir nun auch noch zwei Paragraphen des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes wegen eines anstehenden Vertragsverletzungsverfahren der EU mit beschließen, zeigt mir, wie suboptimal die parlamentarische Beratung gelaufen ist. Es rächt sich wieder einmal, dass die Regierung meinte, man könne so grundlegende Reformen, wie die der Landes- und Kommunalverwaltung, ohne kritisch-konstruktive Begleitung durch Expertise von außen, als Parforceritt des Innenministers erledigen. Auf die Kardinalfehler der Großen Koalition bei der Verwaltungsreform habe ich hier im Landtag bereits häufiger hingewiesen.

Doch noch einmal zum Mitschreiben: Wenn man zuerst Strukturen bastelt, um sich dann erst anschließend darüber im Klaren zu werden, welche Aufgaben man vielleicht welcher Ebene zuteilen möchte, kann das nur schief gehen. Das ist ein Konstrukt ohne Fundament, eine Reform, die buchstäblich in der Luft hängt. Da wundert es nicht, dass das Gesetzgebungsverfahren zu einer verfahrenen Gesetzgebung wird.

Und nun zum Änderungsantrag von CDU und SPD, der die Lösung des Innenministers, die eine Zusammensetzung der Amtsausschüsse mit Stimmenkontingenten vorsah, vollständig kassiert. In der Koalition hat man offensichtlich verfassungsrechtlich kalte Füße bekommen. Die Regierungsfraktionen legen mit ihren Antrag wieder die klassische Staffelung der Anzahl der Ausschusssitze vor, nur mit einer gröberen Einteilung als vorher.

Die so genannten Schreibstuben der Gemeinden erhalten damit Amtsausschüsse von der Größe, die locker mit Kreistagen konkurrieren können. Das neue Amt Trave-Land erhielte somit zum Beispiel 35 Ausschussmitglieder, das neue Amt Südtondern sogar 56 Mitglieder. Der Landtag, der das ganze Land vertritt, ich möchte nur daran erinnern, hat 69!

Diese Vermehrung der Ausschusssitze geht zum Bedauern des SSW leider nicht mit einer Erhöhung der politischen Pluralität und Repräsentativität einher. Damit sind die verfassungsrechtlichen Bedenken in diesem Punkt bei Weitem nicht beseitigt. Der Städteverband Schleswig-Holstein, im Übrigen keine Vorfeldorganisation des SSW, bemerkt zu Recht in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, dass „aufgrund des erheblichen Zuwachses an auf das Amt übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben sich in naher Zukunft die Frage des kommunalverfassungsrechtlichen Status der Ämter stellen“ wird. Dem kann der SSW nur zustimmen, wir haben das bereits vor langem gesagt. Als ein Stichwort von vielen sei hier nur das Amt als originärer Träger der Selbstverwaltungsaufgabe Schule genannt.

Im Änderungsantrag, den die Kollegen der CDU und SPD uns heute Morgen servieren, soll das Innenministerium künftig nicht nur Ausnahmen von der hauptamtlichen, sondern auch von der ehrenamtlichen Verwaltung einer Gemeinde zulassen können. Das heißt, dass jetzt hauptamtlichen Bürgermeistern der Posten auch nach dem Anschluss an ein Amt gesichert werden kann. Wieder eine halbherzige Lösung und ein fauler Kompromiss.
 
Die Öffentlichkeit wird sicherlich mit dem Argument, der zentralörtlichen Funktion einer amtsangehörigen Gemeinde würde durch die Beibehaltung hauptamtlicher Bürgermeister sowie der Einführung bezahlter Gemeindedezernenten Rechnung getragen, abgespeist.

Doch die Probleme gehen weiter: Das zentralörtliche Prinzip hat leider nur in Sonntagsreden eine Rolle gespielt. Innenminister Stegner hat die so genannte Hochzeitsprämie ohne Rücksicht auf Verflechtungszusammenhänge ausgezahlt. Nach dem Motto big is beautiful wird ohne Rücksicht auf die Sinnhaftigkeit einer Fusion die Prämie ausgezahlt. Ich warne vor den Problemen und absehbaren Lasten, die aus dem erhöhten Abstimmungsbedarf entstehen. Damit dürfen und müssen sich dann Kommunalpolitiker in den aufgeblähten Amtsausschüssen herumschlagen.
Das ist unfair. Solide Gesetzgebung und vorausschauendes Regierungshandeln sehen anders aus. Der SSW lehnt das Verwaltungsstrukturgesetz ab.

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