Speech · Christian Dirschauer · 31.01.2025 Gegen Altersarmut helfen vor allem faire Löhne!

„Eine renditestarke Aktienkultur ist ja schön und gut. Vom Grundsatz her brauchen wir aber erstmal armutsfeste Löhne, die ein würdevolles Leben ermöglichen.“

Christian Dirschauer zu TOP 37 - Private Altersvorsorge stärken! (Drs. 20/2859)

Wie wir wissen, sieht die Finanzsituation unseres Rentensystems nicht anders oder besser aus als die der Sozialversicherung insgesamt. Einnahmen und Ausgaben sind hier leider längst aus dem Gleichgewicht geraten. Und gerade, weil diese Entwicklung schon lange bekannt ist, sind schon seit vielen Jahren auch Vorschläge zur Stärkung der privaten oder so genannten dritten Säule in der Diskussion. Das ist vom Grundsatz her auch gut und richtig. Denn für viele Menschen in Deutschland leistet die private Altersvorsorge einen wichtigen Beitrag für eine auskömmliche Rente und ein menschenwürdiges Leben im Alter. Angesichts der Größe der Herausforderung und mit Blick auf die Lebensrealität der großen Mehrheit der Bevölkerung haben wir aber Zweifel daran, dass der von der FDP mit diesem Antrag gewählte Schwerpunkt der richtige ist.

Bitte nicht missverstehen: Auch wir vom SSW sehen die dringende Notwendigkeit, die Altersvorsorge zu stärken. Aber uns ist der Fokus auf Themen wie Kapitalerträge, Spekulationsfristen, Abgeltungssteuern oder Steuerfreibeträge zu eng. Wer sich umhört, wird schnell merken, dass die Menschen mit Blick auf ihre Absicherung im Alter ganz andere Sorgen haben. Vor allem Alleinerziehende, Geringverdienende und leider auch einfach sehr viele Frauen haben die berechtigte Angst, im Alter zu verarmen. Und um einer drohenden Altersarmut effektiv entgegenzuwirken, sind aus unserer Sicht erstmal eine ganze Reihe anderer Maßnahmen notwendig. Statt der ergänzenden Säule muss die Hauptsäule der Rente gestärkt werden. Denn wenn wir ehrlich sind, dann ist das derzeitige Rentenniveau von 48 Prozent in viel zu vielen Fällen nicht mehr existenzsichernd. Die hieraus resultierende so genannte „verfügbare Standardrente“ beträgt nach Abzug der Sozialbeiträge exakt 1.565 Euro und 3 Cent. Ich hoffe wir sind uns alle darin einig, dass das nicht erst vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung zu wenig ist. 
Für uns vom SSW ist damit aber auch klar, dass die Antwort auf die unbestritten großen Herausforderungen im Rentenbereich ausdrücklich nicht in einer Erhöhung des Renteneintrittsalters und schon gar nicht in einer Absenkung des Rentenniveaus liegen kann. Ganz im Gegenteil: Wir wollen, dass die Renten analog zu den Löhnen steigen. Und schon allein, weil wir hierfür absehbar mehr Mittel brauchen, setzen wir uns für eine Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen ein. Das verbreitert nicht nur die Einnahmebasis und ist schlicht solidarisch, sondern ist auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geboten.

So schön und wünschenswert die umfangreiche renditestarke Aktienkultur, die die FDP in ihrer Begründung beschreibt, auch ist. Vom Grundsatz her brauchen wir doch vor allem erstmal armutsfeste Löhne, die ein würdevolles Leben ermöglichen. Erst damit eröffnen sich doch die notwendigen Spielräume, um im nennenswerten Umfang privat fürs Alter vorzusorgen. Einzig an dieser privaten Säule anzusetzen, ist wirklich etwas realitätsfern. Wir müssen uns eins bewusst machen: Von den rund 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland erhalten über 1,1 Millionen Menschen einen Zuschlag im Rahmen der Grundrente. Und die fast 1,8 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen haben durchschnittlich keine 1000 Euro im Monat zur Verfügung. Unterm Strich ist auch heute noch jeder fünfte Mensch in Deutschland im Rentenalter armutsgefährdet. Diesen Menschen hilft es nun mal herzlich wenig, wenn wir hier über Kapitalerträge oder Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren reden.

Was bei der Vermeidung von Altersarmut und bei der guten Absicherung im Alter neben der Einbeziehung aller Erwerbstätigen wirklich hilft, sind vor allem bessere Löhne. Und weil Frauen leider noch immer überproportional von Armut bedroht sind, müssen wir für sie endlich auch zur gleichen Bezahlung bei gleicher Arbeit kommen. Außerdem brauchen wir mehr und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine deutlich stärkere Unterstützung für pflegende Angehörige. Denn auch diese Care-Arbeit wird bekanntlich viel häufiger von Frauen geleistet als von Männern. Und es kann einfach nicht angehen, dass wir als Gesellschaft weiterhin in Kauf nehmen, dass sie für diese Arbeit nicht nur nicht entlohnt oder eben der Verzicht auf Einkommen nicht kompensiert wird, sondern dass sie noch dazu im Alter benachteiligt werden. Dies zu verändern, muss aus meiner Sicht der Hauptfokus sein, wenn wir unser Rentensystem wirklich zukunftsfest und gerecht gestalten wollen. 

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