Tale · Flemming Meyer · 27.09.2012 Gesetzentwurf über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Die Diskussionen über Tariftreueregelungen werden in unserem Land schon sehr lange geführt. Und ich möchte heute zuallererst meiner Freude Ausdruck geben, dass es nun endlich wieder gelungen ist, eine Mehrheit in diesem Hause zustande zu bekommen, die voll und ganz hinter dem Gedanken der Tariftreue steht. Und das ist gut für unser Land und die Menschen in unserem Land. Im Juni 2001 haben wir hier im Landtag zum ersten Mal aufgrund einer Gesetzesinitiative des SSW über Tariftreue beraten. Seither ist viel geschehen: Wir hatten in der Zwischenzeit seit 2003 ein Tariftreuegesetz. Wir mussten dann das Rüffert-Urteil zur Kenntnis nehmen, das für Teile des Gesetzes eine Überarbeitung notwendig machte. Und wir hatten eine Zeit, in der die schwarz-gelbe Regierung das Gesetz nicht anwenden und auch nicht den rechtlichen Gegebenheiten anpassen wollte, so dass es nach Ende seiner zeitlichen Begrenzung auslief. Hier werden die Gräben der bisherigen Debatte deutlich.

Diese Gräben, die es zwischen schwarz-gelb auf der einen Seite und dem Rest des Hauses auf der anderen Seite gab und vielleicht noch gibt, gab es unter den Betroffenen so nicht. Es war eben nicht nur ein Gewerkschaftsthema, wie manch einer meinte, sondern gerade auch die Wirtschaftsverbände – die Handwerkskammern oder auch die Bauverbände – waren der Tariftreueregelung offen gegenüber. Wenn wir heute über faire Löhne und über nachhaltige Produktion und Dienstleitungserstellung reden, dann reden wir auch über den Wettbewerb, den sich unsere Unternehmen ausgesetzt sehen. Sie wollen keine Vorteile, sondern sie wollen fairen Wettbewerb, der auf Qualität und nicht auf Lohndumping beruht. Und diesen fairen Wettbewerb erhalten wir nicht, wenn wir alles laufen lassen, sondern diesen fairen Wettbewerb erhalten wir nur, wenn wir Rahmenbedingungen aufstellen, die sich an unseren Bedingungen hier vor Ort orientieren. Das heißt, Löhne, die hier gezahlt werden und Anforderungen an Sozialstandards, an Bedingungen, die Familie und Beruf besser vereinbar machen sollten, und an Umweltstandards, die hier bei uns maßgeblich sind, definieren wir als Grundlage für den fairen Wettbewerb.
Eigentlich müsste dies selbstverständlich sein. Es ist dies aber nicht, weil oftmals leider ideologisch argumentiert wird und man nicht die Notwendigkeit erkennen will, dass auch unsere Unternehmen in einem globalen Wettbewerb einen Anspruch auf faire Bedingungen haben. So einfach ist das, aber nicht jeder scheint diese einfachen Zusammenhänge erkennen zu wollen.

Aber wir sind natürlich nicht nur vom Gedanken getrieben, den Unternehmen faire Bedingungen zu ermöglichen. Natürlich wollen wir auch, dass gerechte Löhne die Grundlage für öffentliche Vergaben sind. Wir wollen, dass man von seinem Lohn auch Leben kann und wir wollen, dass man nicht als Aufstocker zum Sozialamt laufen muss, obwohl man Vollzeit arbeitet. Für uns als Koalition ist es deshalb eine besondere Verantwortung, dass auch wir hier auf Landesebene dafür sorgen, dass wir unseren Teil dazu beitragen, dass gerechte Löhne immer dort gezahlt werden, wo wir Einfluss darauf haben. Deshalb ist eines der ersten großen Projekte, die wir als Koalition in Angriff nehmen, genau dieses Tariftreuegesetz. Die Zeiten, dass in öffentlichen Vergabeverfahren Löhne gedrückt werden konnten, ohne dass das Land hier Einfluss nimmt, gehören der Vergangenheit an. Faire Löhne halten unsere Gesellschaft zusammen und sorgen dafür, dass dieser gesellschaftliche Zusammenhalt auch bestehen bleiben kann. Wer in sozialpolitischen Debatten beklagt, dass unsere Gesellschaft vor immer mehr Problemen steht, der darf die Augen nicht davor verschließen, dass Vieles in diesem Bereich auch damit zu tun hat, dass es ohne faire und auskömmliche Löhne auch keine Perspektiven für die Menschen gibt. Auch deshalb – aus der gesellschaftlichen Verantwortung heraus – ist es wichtig, dass ein solches Gesetz, wie wir es heute einbringen, für faire Löhne sorgt und faire Bedingungen festschreibt.

Unser Gesetzentwurf baut einerseits auf die bisher zeitweise in unserem Land geltenden Tariftreuebedingungen auf und ergänzt sie andererseits um neue Elemente. Lassen Sie mich deshalb auf einige dieser Regelungen speziell eingehen. Wie schon in der Vergangenheit verpflichtet sich das Land durch das Tariftreuegesetz zu allen im Gesetz festgeschriebenen Regelungen. Was die kommunale Ebene angeht, ermöglichen wir den Kommunen die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes, verpflichten sie aber nicht dazu. Dies liegt an der Pflicht zur Konnexität, die uns auferlegen wurde, mögliche Mehrkosten des Gesetzes als Land ausgleichen zu müssen. Dies werden wir nicht bezahlen können, obwohl ich weiß, dass natürlich auch die Steuereinnahmen einer Kommune steigen, wenn vernünftige Löhne gezahlt werden und dass man wiederum Einsparungen bei den Sozialabgaben hat. Trotzdem greift hier die Konnexität und daher haben wir nur die Wahl zwischen der Zahlung von Geld an die Kommunen, wie es andere Bundesländer wie zum Beispiel Brandenburg machen, oder der Freiwilligkeit. Wir haben uns vor dem Hintergrund der finanziellen Lage des Landes für die Freiwilligkeit entschieden.

Hierzu möchte ich noch eine weitere Anmerkung machen. Die Freiwilligkeit hat bei den Kommunen in der Vergangenheit auch dazu geführt, dass die Debatte zum Thema Tariftreue sehr intensiv geführt wurde. Es waren oft auch parteiübergreifende Mehrheiten, wie zum Beispiel in Nordfriesland, die in der Vergangenheit beschlossen hatten, das damalige Tariftreuegesetz auch auf kommunaler Ebene anzuwenden. Und auch in der letzten Ausgabe der Zeitschrift „Die Gemeinde“ des Gemeindetages fordern der Landrat des Kreises Ostholstein, Reinhard Sager (CDU), der dortige Kreishandwerksmeister, der Vorsitzende des Dehoga Kreisverbandes, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Lübeck und der Geschäftsführer des Jobcenters Ostholstein gemeinsam faire und angemessene Löhne. Sie werden zitiert mit, dass vor allem für allgemeinverbindlich erklärte Löhne eingehalten werden müssen, wenigstens Löhne nach den Arbeitnehmerentsendegesetz gezahlt werden müssen oder in jedem Fall ortsübliche Löhne zu zahlen sind. Dies zeigt einerseits, dass die regionale Ebene oft weiter ist als ideologische Blockierer und wir mit den Regelungen in unserem Gesetz Forderungen aus der Region erfüllen.

Was die Löhne angeht, haben wir im Gesetz mehrere Ankerpunkte angelegt, die die Forderungen aus den Regionen aufnehmen. In Zukunft sollen öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die einen allgemeinverbindlichen Lohn zahlen. Diese Bestimmung orientiert sich an der derzeit geltenden Rechtslage. Allerdings weiten wir diese Bestimmung dahingehend aus, dass zusätzlich auch nur in Schleswig-Holstein für allgemeinverbindlich erklärte Löhne angewendet werden. Diese Ausweitung findet sich bisher noch ein keinem Tariftreuegesetz eines anderen Bundeslandes.
Weiter wird in Zukunft wieder eine umfassende Tariftreue im Bereich ÖPNV und SPNV gelten. Dass dies rechtlich möglich ist, ist schon in vielen Debatten zur Tariftreue dargelegt worden. Dass dies aber auch dringend notwendig ist, zeigt die Tatsache, dass beispielsweise die neue SPNV-Ausschreibung an der Westküste vor der Tür steht. Dort werden erstmals seit einiger Zeit wieder die einschlägigen und repräsentativen Tarife eingefordert werden und es wird dort erstmals die Möglichkeit bestehen, zu verlangen, dass die Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel übernommen werden müssen – eine Regelung, die extreme soziale Härten verhindern wird.
Und drittens wird ein vergabespezifischer Mindestlohn festgeschrieben, der nicht unterschritten werden darf. Und alle diese Regelungen gelten nicht nur für den Auftragnehmer, sondern auch für seine Nachunternehmen und Verleihfirmen. Das heißt, auch Leiharbeiter werden der Stammbelegschaft bei öffentlichen Aufträgen gleich gestellt.

Verstöße gegen das Gesetz werden in Zukunft nicht nur geahndet, sondern in einem Vergabe- und Korruptionsregister eingetragen. Hierfür wird eine Stelle eingerichtet. Wie diese ausgestaltet wird, hängt noch davon ab ob und wie es möglich ist, mit Hamburg ein gemeinsames Register aufzubauen. Schlussendlich werden aber auf unzuverlässige Unternehmen härtere Zeiten als früher zukommen und das ist im Sinne unserer Unternehmen und der Mitarbeiter auch gut so.

Man könnte noch viel mehr beispielsweise zu den Kriterien für eine umweltfreundliche und energieeffiziente Beschaffung, zur Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe oder auch zu den Bestimmungen zur Gleichbehandlung im Beruf und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagen, aber in der Kürze der Zeit ist dieses nicht möglich. Deswegen lassen Sie mich abschließend feststellen, dass dieses Gesetz ein Meilenstein in der Politik ist, weil es soziale Kriterien mit ökonomischen Erfordernissen verbindet. Im Juni 2001 haben wir begonnen, den Weg zu einer umfassenden Tariftreue und hin zu einem fairen Wettbewerb zu gehen und ich bin unheimlich froh für unsere Menschen hier im Land, dass wir im Frühjahr nächsten Jahres – nach 12 Jahren – endlich am Ziel angelangt sein werden.

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