Tale · Flemming Meyer · 14.12.2005 Mitwirkungsrechte von Elternvertretungen und Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen

Die Diskussionen über die Änderung des Kindertagesstättengesetzes ist immer auch vor dem Hintergrund der Finanzen geführt worden. Und das ist natürlich zu Recht geschehen. Will man etwas qualitativ ändern, so muss man natürlich auch die finanziellen Mittel bereitstellen.

Wir haben nun heute vor, einen großen qualitativen Schritt zu tun, und da ist es schon merkwürdig, dass man die bisherige finanzielle Förderung beibehalten will, ohne dass zumindest ansatzweise, gesagt wird, wo denn sonst die Mittel herkommen sollen. Man verweist auf die Demographie und hofft, dass man flächendeckend Gruppen in den Kindertagesstätten einsparen kann, wenn erst einmal die Kinderzahl stark gesunken ist. Das wird natürlich in den nächsten Jahren nicht in dem Maße passieren, wie es müsste, damit die Rechnung der Landesregierung hier noch aufgehen kann. Zwar wird man an einigen Orten tatsächlich große Rückgänge in der Kinderzahl haben, aber es gibt auch Kindergärten, die steigende Zahlen erwarten. Das Gros der Kindergärten wird zwar etwas weniger Kinder haben, aber die Gruppen deswegen noch nicht zusammenlegen können. Das heißt, die Anzahl der Betreuer bleibt und die anderen Fixkosten für die Kindergärten bleiben auch. Das einzige, was leicht sinken wird, ist das Aufkommen an Kindergartenbeiträgen durch die Eltern, wenn man die Einzelbeiträge nicht erhöht.

In dieser Situation werden nun durch das Land neue Anforderungen gestellt, ohne die Beschäftigten in den Kindertagesstätten, fit für diese Aufgaben zu machen. Wenn ich wirklich eine Verzahnung von Kindergartenarbeit und der Arbeit der Grundschule will, muss ich Stunden zur Verfügung stellen und natürlich auch die Weiterbildung der Beschäftigten und die damit verbundene Abwesenheit von eigentlichen Betrieb im Kindergarten finanzieren. Alles dies geschieht nicht. Im Gegenteil. Im Ursprungsentwurf des Gesetzes war sogar noch angedacht, die Kindergärten wesentlich stärker zu Verschulen als es hoffentlich jetzt der Fall ist. Wir sind immer noch der Auffassung, dass man in der Kindergartenarbeit nicht von der Institution Kindergarten sondern vom einzelnen Kind und dessen Bedürfnissen auszugehen hat.

Deshalb haben wir in den Ausschussberatungen Anträge gestellt, die darauf abgezielt haben, dass der Betreuungs- und Erziehungsauftrag genauso im Mittelpunkt stehen, wie der Bildungsauftrag der Kindergärten. Wobei wir diesen Bildungsauftrag dann auch mehr als Hilfe zur Entwicklung der einzelnen Persönlichkeit der Kinder und nicht in der schulischen Funktion sehen. Wir haben es natürlich sehr positiv aufgenommen, dass die Mehrheitsfraktionen uns in einigen dieser Punkte auch gefolgt sind.

So ist jetzt festgeschrieben worden, dass die „Förderung der individuellen Selbst-, Sozial- und Lernkompetenz“ gefördert werden soll und dass sich diese Förderung am Entwicklungsstand der Kinder zu orientieren hat. Dies ist eine sehr individuelle Sicht, die sich auf das einzelne Kind bezieht. Weiter sollen die sechs formulierten Bildungsziele nun nicht mehr die Grundlage für die Erreichung der Ziele des Kindergartens sein und damit natürlich alles Handeln bestimmen. Sondern nun sollen diese Bildungsziele nur noch zur „Wahrnehmung dieses eigenen Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrages“ berücksichtigt werden. Das heißt, das „Individuum Kind“ mit seinen Bedürfnissen steht im Vordergrund und die sechs Bildungsbereiche sind ein begleitendes Mittel und somit nicht mehr so verbindlich. Damit ist eine Verschulung der Kindertagesstätten verhindert worden und das begrüßen wir sehr. Trotzdem bleibt es aber Aufgabe des Landes, mindestens für die finanziellen Grundlagen zu sorgen, dass das Personal in den Kindertagesstätten auf die neue Situation vorbereitet werden kann. Das heißt, dass mindestens die Aus- und Weiterbildung für einen Übergangszeitraum finanziell gestärkt werden muss, bis ein gewisser Standard erreicht ist. Der SSW hatte einen entsprechenden Änderungsantrag zum Haushalt gestellt, der leider nicht übernommen wurde.

Wir haben in die Beratungen aber auch noch einen Aspekt eingebracht, der für uns von besonderer Wichtigkeit ist. Die ganze Diskussion um die Bildungsziele beschränkte sich nur auf die Fragen, inwieweit man die schulische Bildung der Kindergartenkinder verbessern könnte und wie ausländische Kinder besser an die deutsche Sprache herangeführt werden können. Beides sind natürlich wichtige Fragestellungen und werden von uns natürlich genauso gesehen wie von allen anderen hier im Hause. Aber trotzdem sind wir der Meinung, dass die Belange der Minderheiten im Kindertagesstättengesetz bei den Zielsetzungen der Einrichtungen ebenso berücksichtigt werden müssen.

Die Einrichtungen der dänischen Minderheit haben einen anderen Auftrag als andere Kindertagesstätten. Hier soll in erster Linie dänische Sprache und Kultur vermittelt werden. Und dieses Ziel sehen wir als gleichwertig zu allen anderen Bildungszielen an. Gleiches gilt auch für die Berücksichtigung der friesischen Sprache in den Kindergärten in Nordfriesland und auf Helgoland. Auch hier gibt es eine besondere Verantwortung des Landes, die Vermittlung der Landessprache Friesisch und der friesischen Kultur als Bildungsziel festzuschreiben. Deshalb haben wir einen Änderungsvorschlag in die Beratungen eingebracht, der die Sprache und Kultur der dänischen und der friesischen Minderheit mit berücksichtigen sollte. Dieser Vorschlag ist leider abgelehnt worden – vielleicht auch, weil die Beratungszeit hierfür zu kurz war.
Ich habe die Beratungen in den Ausschüssen allerdings auch so verstanden, dass die hiesigen Minderheitensprachen und Kulturen auch in den allgemeinen Bildungsbereichen „Sprache und Kultur“ mit eingeschlossen sein sollen. Dann ist es allerdings notwendig, dass die Landesregierung dies noch einmal deutlich macht und die Kindertagesstätten und deren Träger davon in Kenntnis setzt, dass man die Bildungsbereiche „Sprache und Kultur“ auch dadurch mit Leben erfüllen kann, dass man die Sprachen und Kulturen der Minderheiten in der Arbeit mit berücksichtigt.

In den Ausschussberatungen haben wir ebenfalls beantragt, dass neben einer dem jeweiligen Durchschnitt der jeweiligen Altersklasse entsprechenden Betrachtungsweise auch der jeweilige individuelle Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigt wird. Dadurch werden auch die Interessen der Kinder mit Behinderungen oder anderweitigen Entwicklungsdefiziten berücksichtigt. Das Ziel, dass durch eine gemeinsame Erziehung der Kinder in Kindertagesstätten Behinderungen, Beeinträchtigungen und Benachteiligungen ausgeglichen werden sollen, wird so wesentlich konkretisiert. Diese Formulierung ist nun in den Paragraphen 4, Absatz 1 aufgenommen worden, der sich mit der Förderung der individuellen Kompetenzen der Kinder beschäftigt. Und er hat auch Eingang gefunden in den Paragraphen 5, Absatz 6, der den Übergang vom Kindergarten zur Schule regelt. In Paragraph 4, Absatz 2 bleibt allerdings weiter bestehen, dass die sechs konkreten Bildungsbereiche nur altersgemäß ausgestaltet werden sollen. Da kommt dann doch wieder ein wenig der Verschulungs-Gedanke auf. Aber trotzdem sind die Regelungen, die jetzt auch eine entwicklungsgemäße Förderung und Betrachtung der Kinder zulässt, ein wesentlicher Fortschritt im Vergleich zum Ursprungsentwurf.

Wir begrüßen auch, dass die Regelungen zu den Elternvertretungen verbessert worden sind. Dieses Anliegen lag ja auch schon dem FDP-Antrag hierzu zu Grunde und es ist in Ordnung, wenn auch diese Anregung einer Oppositionspartei mit in den Gesetzentwurf eingebaut wurde. Wir haben bei uns in Nordfriesland sehr gute Erfahrungen mit der privaten Lobbyarbeit für die Kindertagesstätten gemacht. Es gibt bei uns eine sehr aktive Kreis-Elternschaft, die ihre Interessen sehr professionell und engagiert vertritt. Dass diese Arbeit jetzt institutionell festgeschrieben wird und die Eltern damit mehr Rechte erhalten und wir die Kindergartenarbeit auf Kreis- und Landesebene beleben, ist nur zu begrüßen. Ähnliches gilt auch für die Bestimmungen zu den Jugendhilfeausschüssen auf kommunaler Ebene und zum Landesjugendhilfeausschuss.

Wir können also feststellen, dass die Änderungen hinsichtlich des Bildungsauftrages durchaus positiv sind und dass auch die Belange von behinderten und anderweitig beeinträchtigten Kindern besser berücksichtigt werden. In Bezug auf die Berücksichtigung der Sprachen und Kulturen der Minderheiten erwarten wir trotz der Ablehnung unseres Vorschlages ein deutliches Signal, dass alle hier heimischen Sprachen und Kulturen unter die entsprechenden Bildungsziele des Kindertagesstättengesetzes fallen. Und die Beteiligung für die Eltern innerhalb und außerhalb der Kindertagesstätten ist verbessert worden. Über die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes werden wir ja noch in den Haushaltsberatungen reden. Alles in allem sehen wir das neue Gesetz eher positiv als negativ und werden diesem zustimmen.

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