Tale · Lars Harms · 14.11.2014 Wir sollten eine Debatte darüber führen, wie wir das Aufenthaltsrecht für Fälle wie den von Snowden anwenden können

Lars Harms zu TOP 11 - Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland

Edward Snowden hat aufgedeckt, was man alles so tut unter Freunden: Mithören, Aufzeichnen und Auswerten; und zwar unabhängig von Verdachtsmomenten und juristischen Klauseln. Kurz und knapp kann man sagen, dass alles, was den amerikanischen Geheimdiensten technisch möglich ist, diese auch tun; und das nicht nur im eigenen Land, sondern auf der ganzen Welt. Eben auch in Europa und hier in Deutschland. Snowden kennt sich aus, schließlich diente er selbst jahrelang dem Geheimdienst und hat dabei gut verdient.

Wir alle haben von der Aufdeckung des jungen IT-Experten profitiert, indem wir jetzt wissen, dass unsere Daten in den USA gespeichert und unsere E-Mails nach Signalwörtern durchsucht werden. Wir haben also durch die Transparenz an Wissen gewonnen. Snowden selbst profitierte überhaupt nicht von seiner Aufdeckung. Er musste die USA verlassen und sucht seitdem nach politischem Asyl. Bislang ist nur Russland bereit, ihm für die nächsten drei Jahre Asyl zu gewähren. Die Suche nach einer sicheren Bleibe geht also für ihn weiter. Seit Julius Cäsar gilt in der Politik, dass man sich zwar gerne den Verrat zunutze macht, aber den Verräter selbst verachtet. Genau das zeigt sich auch bei Snowden. Edward Snowden erfährt zwar viel Unterstützung in der ganzen Welt, aber meist nur ideeller Art. Er wurde beispielsweise für den Nobelpreis vorgeschlagen. Bislang ist aber kaum Handfestes für Snowden dabei herausgekommen. Sicheres Asyl hat ihm nur Russland gewährt. Ein Land, das mit politischen Gegnern bekanntermaßen nicht gerade zimperlich umgeht. Snowden wird da keine Ausnahme sein: er dient dem russischen Präsidenten nur als Unterpfand, schließlich ist das Asyl begrenzt. Snowden ist darüber hinaus verboten, seine Aufdeckungstätigkeit weiter von Russland aus zu betreiben. 

In Deutschland ist der Bundestag gerade dabei, das Ausmaß der illegalen amerikanischen Geheimdiensttätigkeit zu untersuchen und die Verstrickung deutscher Behörden aufzudecken. Immer wieder neue Enthüllungen werden bekannt. Edward Snowden könnte sicherlich einiges zur Aufklärung beitragen. Also her mit ihm, will man dann sagen. Selbstverständlich ist es am besten, einen Zeugen direkt von Angesicht zu Angesicht vernehmen zu können. Darum sollte Edward Snowden nach Berlin kommen können. Doch genau so einfach ist die Welt nun einmal nicht.  

Deutschland hat Snowdens Asylbegehren bereits abgewiesen, weil die Voraussetzungen für einen Asylantrag nicht erfüllt sind. Andere europäische Staaten sind deutlicher: Die Niederlande haben es explizit gesagt, Snowden bekomme kein Asyl, da er sich nicht in einer akuten Notlage befinde. Andere Länder haben ähnlich argumentiert; in Frankreich sagt man ganz offen, dass man Snowden aufgrund der Auslieferungsbedingungen sofort an die USA ausliefern würde.

Da kann man sich leicht ausmalen, was passiert, wenn Edward Snowden am Berliner Flughafen eintreffen würde. Ließe er sich wirklich zu dieser Reise bewegen, würde er nicht frei seiner Wege gehen können, sondern wahrscheinlich würde er in die USA ausgeliefert werden. Der Weg über das Asyl ist also kein Weg, den wir hier gehen können. Auf diese Art gibt es keinen sicheren Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland. Das muss man einmal klar sagen. 

Allerdings gibt es das kleine juristische Schlupfloch des § 22 Aufenthaltsgesetz. Dieses Schlupfloch sieht vor, dass wenn es im politischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, man jemandem eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen kann. Ob dies auch vor späteren Auslieferungen schützt, ist fraglich. Die Bundesregierung liefert jedenfalls keinerlei Hinweise, dass sie es sich mit den amerikanischen Freunden verscherzen möchte. Keine einzige offizielle Stelle zeigt Entgegenkommen. Ich schätze es als derzeit völlig unrealistisch ein, dass Snowden in absehbarer Zeit in Deutschland frei und uneingeschränkt leben kann. Wir sollten allerdings eine Debatte darüber führen, wie wir das Aufenthaltsrecht für Fälle wie den von Snowden anwenden können. Ich kann nur hoffen, dass sich durch eine breite Diskussion hierüber, etwas bewegen kann. Denken wir daran, dass die Enthüllungen von Snowden gerade einmal 16 Monate zurückliegen und sein Fall ein völlig neuer und ungewöhnlicher Fall ist. Deshalb fordern wir dazu auf, das politische Interesse von uns so zu definieren, dass Snowden eine Chance auf dauerhaften Aufenthalt hat, ohne ausgeliefert zu werden. Die Tatsache, dass amerikanische Geheimdienste demokratische Rechte mit Füßen treten und auch glauben, dass sie damit richtig lägen, muss man erst einmal verdauen und eine angemessene politische Antwort finden.

Ich vertraue darauf, dass sich genau diese aber finden wird. Und dann, und zwar erst dann, können wir Edward Snowden glaubwürdig einen sicheren Aufenthalt in Deutschland garantieren. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dieser Wunsch blauäugig, er entledigt uns aber nicht der Pflicht uns trotzdem für ihn einzusetzen.

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